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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.

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Bei Bel
(*) Cicero
pro P.
Quintio.
geben: (*) Quid ad haec Naevius? Ridet scil. no-
stram amentiam, qui in vita sua rationem summi
officii desideremus, et instituta bonorum virorum
requiramus. Quid mihi, inquit, cum ista summa
sanctimonia ac diligentia? Viderint, inquit, ista
officia viri boni
u. s. f. Wenn der Spott so ist, daß
er auf keinerley Weise kann widerlegt oder beant-
wortet werden, wenn er dem Gegner alle Mittel,
sich zu vertheidigen benimmt, so ist er höchst beis-
send.

Die Würkung desselben ist, den Gegner nicht
blos dem Spott und der Verachtung auszusetzen,
sondern ihn auch zum Stillschweigen zu bringen.
Das Beißende ist demnach ein sehr kräftiges Mittel
gegen einen boshaften und lasterhaften Gegner.
Was sonst von seiner Würkung und Anwendung
zu sagen ist, wird in dem Art. Spott, weiter aus-
geführt.

Belebung.
(Redende Künste.)

Eine Figur der Rede, die leblose Wesen, oder bloße
Begriffe, als lebendige und handelnde Personen
vorstellt. Sie hat, wie alle Figuren, ihren Ur-
sprung in einer starken Leidenschaft, in welcher Ber-
ge und Thäler, Luft und Himmel, als lebendige
und denkende Wesen angerufen werden, oder in
einer höchst lebhaften Einbildungskraft, die jedem
Begriff einen Körper, jedem Körper ein Leben und
eine Seele giebt; die den Blik eines schönen Auges
als einen Pfeil, der tief in die Brust gedrungen
ist, fühlet, in einem reizenden Auge die Gra-
(*) #-
Eurip.
Bacch. vs.

236.
zien, (*) auf einer schönen Brust eine Schaar Lie-
besgötter sieht. Aus dieser Quelle entstehen die
allegorischen Wesen, deren Gebrauch sich so weit
in der Dichtkunst ausgebreitet hat. (*) Jeder-
man fühlt, wie stark und sinnlich die Rede dadurch
werde, daß Dinge, die sonst nur im Verstande lie-
(*) S.
Allegorie
auf der 31.
u. f. S.
gen, der Einbildungskraft und einigermaaßen den
Sinnen körperlich vorgestellt werden.

Beleuchtung.
(Zeichnende Künste.)

Der Zufluß des Lichts, wodurch eine Sache sicht-
bar wird. Jn der Natur kann ein Gegen-
stand durch das Licht auf gar vielerley Art beleuch-
tet werden, und nach jeder Art thut er seine beson-
dre Würkung auf das Aug. Durch die Art
[Spaltenumbruch]

Bel
der Beleuchtung kann eine Landschaft mehr oder
weniger Schönheit bekommen, nachdem sie entweder
im Ganzen oder in Theilen mehr oder weniger
Klarheit erhält. Oft ist die Würkung von ver-
schiedenen Arten der Beleuchtung so sehr ver-
schieden, daß man sich kaum bereden kann, die-
selbe Sache zu sehen; da blos das Licht sie so an-
genehm oder so gleichgültig macht.

Es würde ein vergebliches Unternehmen seyn,
die Würkungen der verschiedenen Beleuchtung eines
Gegenstandes ausführlich beschreiben zu wollen.
Die Absicht dieses Artikels geht blos dahin, die an-
gehenden Künstler zu einer genauen Aufmerksam-
keit auf diese Sache zu bringen. Denn die Kennt-
nis derselben ist ein wichtiger Theil der Kunst des
Mahlers.

Ueber diese verschiedenen Würkungen kann man
sich am besten unterrichten, wenn man einerley
Gegenstand unter vielerley verschiedenen Beleuch-
tungen ofte betrachtet. Wenn z. B. eine Gegend
bey sehr heller und bey trüber Luft, bey starkem
Sonnenschein und gemäßigtem Tageslicht, bey
hoch und niedrig stehender Sonne, bey vorwerts,
seitwerts und rükwerts einfallendem Lichte betrach-
tet wird.

Bey jedem dieser veränderten Umstände sieht
man ein anders Gemählde. Was nun vorzüglich
in jedem dieser Gemählde gefällt oder mißfällt,
wo irgend eine vortheilhafte oder schlechte Würkung
der Beleuchtung sich offenbaret, da erforsche der
Mahler die Ursache derselben. Es wäre eine höchst
wichtige Uebung für ihn, denselbigen Gegenstand
unter gar vielerley Arten der Beleuchtung zu zeichnen
und zu schattiren, diese Zeichnungen fleißig gegen einan-
der zu halten, und so lange daran zu studiren, bis jede
geringste Verschiedenheit derselben nach ihren Ursa-
chen und Würkungen ihm völlig bekannt würde.
Nur dadurch kann er eine vollkommene Kenntniß der
Beleuchtung erlangen. Die Kunst würde höher ge-
trieben seyn, als sie würklich ist, wenn die, welche
sie ausüben, den gehörigen Fleis zu Erforschung
ihrer Geheimnisse anwendeten.

Diesem Studiren in der Natur kann man auch
durch künstliche Veranstaltungen zu Hülfe kommen.
Sehr vortheilhaft wäre es für eine Mahleracademie
in dieser besondern Absicht, wenn dieselbe eine kleine
Schaubühne hätte, auf welcher verschiedene Mo-
dele durch leichte Veranstaltungen jeder Art der Be-

leuchtung
Erster Theil. T

[Spaltenumbruch]

Bei Bel
(*) Cicero
pro P.
Quintio.
geben: (*) Quid ad haec Naevius? Ridet ſcil. no-
ſtram amentiam, qui in vita ſua rationem ſummi
officii deſideremus, et inſtituta bonorum virorum
requiramus. Quid mihi, inquit, cum iſta ſumma
ſanctimonia ac diligentia? Viderint, inquit, iſta
officia viri boni
u. ſ. f. Wenn der Spott ſo iſt, daß
er auf keinerley Weiſe kann widerlegt oder beant-
wortet werden, wenn er dem Gegner alle Mittel,
ſich zu vertheidigen benimmt, ſo iſt er hoͤchſt beiſ-
ſend.

Die Wuͤrkung deſſelben iſt, den Gegner nicht
blos dem Spott und der Verachtung auszuſetzen,
ſondern ihn auch zum Stillſchweigen zu bringen.
Das Beißende iſt demnach ein ſehr kraͤftiges Mittel
gegen einen boshaften und laſterhaften Gegner.
Was ſonſt von ſeiner Wuͤrkung und Anwendung
zu ſagen iſt, wird in dem Art. Spott, weiter aus-
gefuͤhrt.

Belebung.
(Redende Kuͤnſte.)

Eine Figur der Rede, die lebloſe Weſen, oder bloße
Begriffe, als lebendige und handelnde Perſonen
vorſtellt. Sie hat, wie alle Figuren, ihren Ur-
ſprung in einer ſtarken Leidenſchaft, in welcher Ber-
ge und Thaͤler, Luft und Himmel, als lebendige
und denkende Weſen angerufen werden, oder in
einer hoͤchſt lebhaften Einbildungskraft, die jedem
Begriff einen Koͤrper, jedem Koͤrper ein Leben und
eine Seele giebt; die den Blik eines ſchoͤnen Auges
als einen Pfeil, der tief in die Bruſt gedrungen
iſt, fuͤhlet, in einem reizenden Auge die Gra-
(*) #-
Eurip.
Bacch. vſ.

236.
zien, (*) auf einer ſchoͤnen Bruſt eine Schaar Lie-
besgoͤtter ſieht. Aus dieſer Quelle entſtehen die
allegoriſchen Weſen, deren Gebrauch ſich ſo weit
in der Dichtkunſt ausgebreitet hat. (*) Jeder-
man fuͤhlt, wie ſtark und ſinnlich die Rede dadurch
werde, daß Dinge, die ſonſt nur im Verſtande lie-
(*) S.
Allegorie
auf der 31.
u. f. S.
gen, der Einbildungskraft und einigermaaßen den
Sinnen koͤrperlich vorgeſtellt werden.

Beleuchtung.
(Zeichnende Kuͤnſte.)

Der Zufluß des Lichts, wodurch eine Sache ſicht-
bar wird. Jn der Natur kann ein Gegen-
ſtand durch das Licht auf gar vielerley Art beleuch-
tet werden, und nach jeder Art thut er ſeine beſon-
dre Wuͤrkung auf das Aug. Durch die Art
[Spaltenumbruch]

Bel
der Beleuchtung kann eine Landſchaft mehr oder
weniger Schoͤnheit bekommen, nachdem ſie entweder
im Ganzen oder in Theilen mehr oder weniger
Klarheit erhaͤlt. Oft iſt die Wuͤrkung von ver-
ſchiedenen Arten der Beleuchtung ſo ſehr ver-
ſchieden, daß man ſich kaum bereden kann, die-
ſelbe Sache zu ſehen; da blos das Licht ſie ſo an-
genehm oder ſo gleichguͤltig macht.

Es wuͤrde ein vergebliches Unternehmen ſeyn,
die Wuͤrkungen der verſchiedenen Beleuchtung eines
Gegenſtandes ausfuͤhrlich beſchreiben zu wollen.
Die Abſicht dieſes Artikels geht blos dahin, die an-
gehenden Kuͤnſtler zu einer genauen Aufmerkſam-
keit auf dieſe Sache zu bringen. Denn die Kennt-
nis derſelben iſt ein wichtiger Theil der Kunſt des
Mahlers.

Ueber dieſe verſchiedenen Wuͤrkungen kann man
ſich am beſten unterrichten, wenn man einerley
Gegenſtand unter vielerley verſchiedenen Beleuch-
tungen ofte betrachtet. Wenn z. B. eine Gegend
bey ſehr heller und bey truͤber Luft, bey ſtarkem
Sonnenſchein und gemaͤßigtem Tageslicht, bey
hoch und niedrig ſtehender Sonne, bey vorwerts,
ſeitwerts und ruͤkwerts einfallendem Lichte betrach-
tet wird.

Bey jedem dieſer veraͤnderten Umſtaͤnde ſieht
man ein anders Gemaͤhlde. Was nun vorzuͤglich
in jedem dieſer Gemaͤhlde gefaͤllt oder mißfaͤllt,
wo irgend eine vortheilhafte oder ſchlechte Wuͤrkung
der Beleuchtung ſich offenbaret, da erforſche der
Mahler die Urſache derſelben. Es waͤre eine hoͤchſt
wichtige Uebung fuͤr ihn, denſelbigen Gegenſtand
unter gar vielerley Arten der Beleuchtung zu zeichnen
und zu ſchattiren, dieſe Zeichnungen fleißig gegen einan-
der zu halten, und ſo lange daran zu ſtudiren, bis jede
geringſte Verſchiedenheit derſelben nach ihren Urſa-
chen und Wuͤrkungen ihm voͤllig bekannt wuͤrde.
Nur dadurch kann er eine vollkommene Kenntniß der
Beleuchtung erlangen. Die Kunſt wuͤrde hoͤher ge-
trieben ſeyn, als ſie wuͤrklich iſt, wenn die, welche
ſie ausuͤben, den gehoͤrigen Fleis zu Erforſchung
ihrer Geheimniſſe anwendeten.

Dieſem Studiren in der Natur kann man auch
durch kuͤnſtliche Veranſtaltungen zu Huͤlfe kommen.
Sehr vortheilhaft waͤre es fuͤr eine Mahleracademie
in dieſer beſondern Abſicht, wenn dieſelbe eine kleine
Schaubuͤhne haͤtte, auf welcher verſchiedene Mo-
dele durch leichte Veranſtaltungen jeder Art der Be-

leuchtung
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[145/0157] Bei Bel Bel geben: (*) Quid ad haec Naevius? Ridet ſcil. no- ſtram amentiam, qui in vita ſua rationem ſummi officii deſideremus, et inſtituta bonorum virorum requiramus. Quid mihi, inquit, cum iſta ſumma ſanctimonia ac diligentia? Viderint, inquit, iſta officia viri boni u. ſ. f. Wenn der Spott ſo iſt, daß er auf keinerley Weiſe kann widerlegt oder beant- wortet werden, wenn er dem Gegner alle Mittel, ſich zu vertheidigen benimmt, ſo iſt er hoͤchſt beiſ- ſend. (*) Cicero pro P. Quintio. Die Wuͤrkung deſſelben iſt, den Gegner nicht blos dem Spott und der Verachtung auszuſetzen, ſondern ihn auch zum Stillſchweigen zu bringen. Das Beißende iſt demnach ein ſehr kraͤftiges Mittel gegen einen boshaften und laſterhaften Gegner. Was ſonſt von ſeiner Wuͤrkung und Anwendung zu ſagen iſt, wird in dem Art. Spott, weiter aus- gefuͤhrt. Belebung. (Redende Kuͤnſte.) Eine Figur der Rede, die lebloſe Weſen, oder bloße Begriffe, als lebendige und handelnde Perſonen vorſtellt. Sie hat, wie alle Figuren, ihren Ur- ſprung in einer ſtarken Leidenſchaft, in welcher Ber- ge und Thaͤler, Luft und Himmel, als lebendige und denkende Weſen angerufen werden, oder in einer hoͤchſt lebhaften Einbildungskraft, die jedem Begriff einen Koͤrper, jedem Koͤrper ein Leben und eine Seele giebt; die den Blik eines ſchoͤnen Auges als einen Pfeil, der tief in die Bruſt gedrungen iſt, fuͤhlet, in einem reizenden Auge die Gra- zien, (*) auf einer ſchoͤnen Bruſt eine Schaar Lie- besgoͤtter ſieht. Aus dieſer Quelle entſtehen die allegoriſchen Weſen, deren Gebrauch ſich ſo weit in der Dichtkunſt ausgebreitet hat. (*) Jeder- man fuͤhlt, wie ſtark und ſinnlich die Rede dadurch werde, daß Dinge, die ſonſt nur im Verſtande lie- gen, der Einbildungskraft und einigermaaßen den Sinnen koͤrperlich vorgeſtellt werden. (*) #- Eurip. Bacch. vſ. 236. (*) S. Allegorie auf der 31. u. f. S. Beleuchtung. (Zeichnende Kuͤnſte.) Der Zufluß des Lichts, wodurch eine Sache ſicht- bar wird. Jn der Natur kann ein Gegen- ſtand durch das Licht auf gar vielerley Art beleuch- tet werden, und nach jeder Art thut er ſeine beſon- dre Wuͤrkung auf das Aug. Durch die Art der Beleuchtung kann eine Landſchaft mehr oder weniger Schoͤnheit bekommen, nachdem ſie entweder im Ganzen oder in Theilen mehr oder weniger Klarheit erhaͤlt. Oft iſt die Wuͤrkung von ver- ſchiedenen Arten der Beleuchtung ſo ſehr ver- ſchieden, daß man ſich kaum bereden kann, die- ſelbe Sache zu ſehen; da blos das Licht ſie ſo an- genehm oder ſo gleichguͤltig macht. Es wuͤrde ein vergebliches Unternehmen ſeyn, die Wuͤrkungen der verſchiedenen Beleuchtung eines Gegenſtandes ausfuͤhrlich beſchreiben zu wollen. Die Abſicht dieſes Artikels geht blos dahin, die an- gehenden Kuͤnſtler zu einer genauen Aufmerkſam- keit auf dieſe Sache zu bringen. Denn die Kennt- nis derſelben iſt ein wichtiger Theil der Kunſt des Mahlers. Ueber dieſe verſchiedenen Wuͤrkungen kann man ſich am beſten unterrichten, wenn man einerley Gegenſtand unter vielerley verſchiedenen Beleuch- tungen ofte betrachtet. Wenn z. B. eine Gegend bey ſehr heller und bey truͤber Luft, bey ſtarkem Sonnenſchein und gemaͤßigtem Tageslicht, bey hoch und niedrig ſtehender Sonne, bey vorwerts, ſeitwerts und ruͤkwerts einfallendem Lichte betrach- tet wird. Bey jedem dieſer veraͤnderten Umſtaͤnde ſieht man ein anders Gemaͤhlde. Was nun vorzuͤglich in jedem dieſer Gemaͤhlde gefaͤllt oder mißfaͤllt, wo irgend eine vortheilhafte oder ſchlechte Wuͤrkung der Beleuchtung ſich offenbaret, da erforſche der Mahler die Urſache derſelben. Es waͤre eine hoͤchſt wichtige Uebung fuͤr ihn, denſelbigen Gegenſtand unter gar vielerley Arten der Beleuchtung zu zeichnen und zu ſchattiren, dieſe Zeichnungen fleißig gegen einan- der zu halten, und ſo lange daran zu ſtudiren, bis jede geringſte Verſchiedenheit derſelben nach ihren Urſa- chen und Wuͤrkungen ihm voͤllig bekannt wuͤrde. Nur dadurch kann er eine vollkommene Kenntniß der Beleuchtung erlangen. Die Kunſt wuͤrde hoͤher ge- trieben ſeyn, als ſie wuͤrklich iſt, wenn die, welche ſie ausuͤben, den gehoͤrigen Fleis zu Erforſchung ihrer Geheimniſſe anwendeten. Dieſem Studiren in der Natur kann man auch durch kuͤnſtliche Veranſtaltungen zu Huͤlfe kommen. Sehr vortheilhaft waͤre es fuͤr eine Mahleracademie in dieſer beſondern Abſicht, wenn dieſelbe eine kleine Schaubuͤhne haͤtte, auf welcher verſchiedene Mo- dele durch leichte Veranſtaltungen jeder Art der Be- leuchtung Erſter Theil. T

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/157>, abgerufen am 28.03.2024.