wurden. Bey dieser Gelegenheit ließen sie auch Mahler und Bildhauer aus Griechenland kommen. Um dieselbe Zeit fieng man auch in Rom, Bologna und Florenz an zu bauen. Um das Jahr 1216 bauete ein gewisser Marchione, der zugleich ein Bildhauer war, die schöne Capelle von Marmor in der Kirche Sta. Maria Maggiore in Rom.
Einer der größten Baumeister der mittlern Zei- ten war ein Deutscher, den man den Meister Ja- cob nennte. Er setzte sich in Florenz, wo er das große Franziskanerkloster gebauet hat. Sein Sohn, den die Welschen Arnolfo Lapo nennen, bauete die Kirche des heiligen Creuzes in Florenz, und gab die Zeichnung zu der prächtigen Kirche de Sancta Maria de fiore. Dieser starb im Jahre 1200.
Die kleinen Reste des guten Geschmaks breite- ten sich doch in diesen Zeiten nicht außerhalb Jta- lien aus. An allen den erstaunlichen Gebäuden dieser Zeit, die noch itzt von dem ehemaligen Reich- thum der Niederlande zeugen, ist bey der unbegreif- lichen Verschwendung der Arbeit wenig gesundes. Dieses muß man auch von dem Münster in Straß- burg sagen, welches im 13. Jahrhundert aufge- führt worden, und unter die erstaunlichsten Gebäu- de der Welt gehört. Der Baumeister desselben war ein gewisser Erwin von Steinbach.
Aber in dem 15. Jahrhundert fieng die Bau- kunst an, sich aus den alten Trümmern wieder empor zu heben; die Städte erholten sich von den barbarischen Zerrüttungen, welche durch die Staats- verwirrungen angerichtet worden waren. Bey dem häufigen Bauen, das nach der wieder herge- stellten Ruhe unternommen wurde, fieng man wie- der an, auf die Schönheit zu sehen; man sah nun die alten Ueberbleibsel mit Nachdenken an, und maaß die Verhältnisse an denselben. Ein gewisser Ser Bruneleschi, der zu Anfange des 15. Jahr- hunderts gelebt hat, war einer der ersten, die sich die Mühe gegeben, in Rom, mit dem Maaßstab in der Hand, auf den Trümmern der alten Gebäude herum zu gehen. Von dieser Zeit an wurd die Aufmerksamkeit auf diese Muster immer größer, bis am Ende dieses und am Anfange des 16. Jahrhun- derts Alberti, Serlio, Palladio, Mich. Angelo, Vignola und andre Männer erschienen, die sich außerordentliche Mühe gegeben, jede Regel zu ent- deken, durch welche die Gebäude der Alten ihre [Spaltenumbruch]
Bau
Schönheit bekommen haben. Und so wurde die Baukunst wieder hergestellt.
Doch erschien sie nicht in ihrer ehemaligen Rei- nigkeit. Auch die späthern Gebäude des alten Roms, die schon viel Fehler hatten, besonders die diokletianischen Bäder, wurden zu Mustern ge- nommen. Selbst die größten Baumeister, Pal- ladio und Mich. Angelo, nahmen die Fehler des unter den Kaysern schon sinkenden Geschmaks unter ihre Regeln auf, und das Ansehen dieser großen Männer gab ihnen ein Gewicht, das sich bey vielen bis auf diesen Tag erhalten hat. Jnzwischen breitete sich der gute Geschmak aus Jtalien nach und nach auch in die übrigen Länder von Europa aus. Gegenwärtig findet man von Rußland bis nach Portugall, und von Stokholm bis nach Rom, aber nur hier und da, Gebäude, die zwar nicht ganz untadelhaft, aber doch größtentheils in dem wahren Geschmak aufgeführt sind. Doch sind sie so ein- zeln, daß man nicht sagen kann, die wahre Bau- kunst sey durch Europa gemein worden. Noch sind genug ansehnliche Städte, wo man die Spuren guter Baumeister fast gänzlich vermißt. Jndessen, da fast alle Ueberbleibsel der griechischen und |römi- schen Baukunst abgezeichnet, und überall ausge- breitet sind, fehlet es den neuern Baumeistern an nichts mehr, sich in den wahren Geschmak des Al- terthums zu setzen, als an überlegter Betrachtung derselben. Wir wollen diesen Artikel mit einigen Betrachtungen über die Theorie der Baukunst be- schließen.
Der Gebrauch, wozu jedes Gebäude bestimmt ist, giebt dem Baumeister fast allemal die Größe desselben und die Menge der Zimmer, oder inwen- digen Haupttheile an, wenn er nur, von einem ge- sunden Urtheil geleitet, fühlt, was sich in jedem Fall für die Personen, Zeiten und Umstände schiket. Sein Werk ist es, die erfundenen Theile wol zu- sammen zu setzen, ihre besten Verhältnisse zu be- stimmen, dem ganzen Gebäude eine bequeme und schöne Form zu geben, dessen äußerliches Ansehen so wol, als alles inwendige, nach der besondern Art des Gebäudes, angenehm und schön zu machen. Bey dieser Arbeit muß er durch gewisse Grundsätze geleitet werden, die sein Urtheil über das schöne und angenehme sicher machen; er muß gewisse Er- fahrungen haben, die ihm da, wo seine Grundsätze nicht bestimmt genug sind, das Schöne hinlänglich
zu er-
R 2
[Spaltenumbruch]
Bau
wurden. Bey dieſer Gelegenheit ließen ſie auch Mahler und Bildhauer aus Griechenland kommen. Um dieſelbe Zeit fieng man auch in Rom, Bologna und Florenz an zu bauen. Um das Jahr 1216 bauete ein gewiſſer Marchione, der zugleich ein Bildhauer war, die ſchoͤne Capelle von Marmor in der Kirche Sta. Maria Maggiore in Rom.
Einer der groͤßten Baumeiſter der mittlern Zei- ten war ein Deutſcher, den man den Meiſter Ja- cob nennte. Er ſetzte ſich in Florenz, wo er das große Franziskanerkloſter gebauet hat. Sein Sohn, den die Welſchen Arnolfo Lapo nennen, bauete die Kirche des heiligen Creuzes in Florenz, und gab die Zeichnung zu der praͤchtigen Kirche de Sancta Maria de fiore. Dieſer ſtarb im Jahre 1200.
Die kleinen Reſte des guten Geſchmaks breite- ten ſich doch in dieſen Zeiten nicht außerhalb Jta- lien aus. An allen den erſtaunlichen Gebaͤuden dieſer Zeit, die noch itzt von dem ehemaligen Reich- thum der Niederlande zeugen, iſt bey der unbegreif- lichen Verſchwendung der Arbeit wenig geſundes. Dieſes muß man auch von dem Muͤnſter in Straß- burg ſagen, welches im 13. Jahrhundert aufge- fuͤhrt worden, und unter die erſtaunlichſten Gebaͤu- de der Welt gehoͤrt. Der Baumeiſter deſſelben war ein gewiſſer Erwin von Steinbach.
Aber in dem 15. Jahrhundert fieng die Bau- kunſt an, ſich aus den alten Truͤmmern wieder empor zu heben; die Staͤdte erholten ſich von den barbariſchen Zerruͤttungen, welche durch die Staats- verwirrungen angerichtet worden waren. Bey dem haͤufigen Bauen, das nach der wieder herge- ſtellten Ruhe unternommen wurde, fieng man wie- der an, auf die Schoͤnheit zu ſehen; man ſah nun die alten Ueberbleibſel mit Nachdenken an, und maaß die Verhaͤltniſſe an denſelben. Ein gewiſſer Ser Bruneleſchi, der zu Anfange des 15. Jahr- hunderts gelebt hat, war einer der erſten, die ſich die Muͤhe gegeben, in Rom, mit dem Maaßſtab in der Hand, auf den Truͤmmern der alten Gebaͤude herum zu gehen. Von dieſer Zeit an wurd die Aufmerkſamkeit auf dieſe Muſter immer groͤßer, bis am Ende dieſes und am Anfange des 16. Jahrhun- derts Alberti, Serlio, Palladio, Mich. Angelo, Vignola und andre Maͤnner erſchienen, die ſich außerordentliche Muͤhe gegeben, jede Regel zu ent- deken, durch welche die Gebaͤude der Alten ihre [Spaltenumbruch]
Bau
Schoͤnheit bekommen haben. Und ſo wurde die Baukunſt wieder hergeſtellt.
Doch erſchien ſie nicht in ihrer ehemaligen Rei- nigkeit. Auch die ſpaͤthern Gebaͤude des alten Roms, die ſchon viel Fehler hatten, beſonders die diokletianiſchen Baͤder, wurden zu Muſtern ge- nommen. Selbſt die groͤßten Baumeiſter, Pal- ladio und Mich. Angelo, nahmen die Fehler des unter den Kayſern ſchon ſinkenden Geſchmaks unter ihre Regeln auf, und das Anſehen dieſer großen Maͤnner gab ihnen ein Gewicht, das ſich bey vielen bis auf dieſen Tag erhalten hat. Jnzwiſchen breitete ſich der gute Geſchmak aus Jtalien nach und nach auch in die uͤbrigen Laͤnder von Europa aus. Gegenwaͤrtig findet man von Rußland bis nach Portugall, und von Stokholm bis nach Rom, aber nur hier und da, Gebaͤude, die zwar nicht ganz untadelhaft, aber doch groͤßtentheils in dem wahren Geſchmak aufgefuͤhrt ſind. Doch ſind ſie ſo ein- zeln, daß man nicht ſagen kann, die wahre Bau- kunſt ſey durch Europa gemein worden. Noch ſind genug anſehnliche Staͤdte, wo man die Spuren guter Baumeiſter faſt gaͤnzlich vermißt. Jndeſſen, da faſt alle Ueberbleibſel der griechiſchen und |roͤmi- ſchen Baukunſt abgezeichnet, und uͤberall ausge- breitet ſind, fehlet es den neuern Baumeiſtern an nichts mehr, ſich in den wahren Geſchmak des Al- terthums zu ſetzen, als an uͤberlegter Betrachtung derſelben. Wir wollen dieſen Artikel mit einigen Betrachtungen uͤber die Theorie der Baukunſt be- ſchließen.
Der Gebrauch, wozu jedes Gebaͤude beſtimmt iſt, giebt dem Baumeiſter faſt allemal die Groͤße deſſelben und die Menge der Zimmer, oder inwen- digen Haupttheile an, wenn er nur, von einem ge- ſunden Urtheil geleitet, fuͤhlt, was ſich in jedem Fall fuͤr die Perſonen, Zeiten und Umſtaͤnde ſchiket. Sein Werk iſt es, die erfundenen Theile wol zu- ſammen zu ſetzen, ihre beſten Verhaͤltniſſe zu be- ſtimmen, dem ganzen Gebaͤude eine bequeme und ſchoͤne Form zu geben, deſſen aͤußerliches Anſehen ſo wol, als alles inwendige, nach der beſondern Art des Gebaͤudes, angenehm und ſchoͤn zu machen. Bey dieſer Arbeit muß er durch gewiſſe Grundſaͤtze geleitet werden, die ſein Urtheil uͤber das ſchoͤne und angenehme ſicher machen; er muß gewiſſe Er- fahrungen haben, die ihm da, wo ſeine Grundſaͤtze nicht beſtimmt genug ſind, das Schoͤne hinlaͤnglich
zu er-
R 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0143"n="131"/><cb/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Bau</hi></fw><lb/>
wurden. Bey dieſer Gelegenheit ließen ſie auch<lb/>
Mahler und Bildhauer aus Griechenland kommen.<lb/>
Um dieſelbe Zeit fieng man auch in Rom, Bologna<lb/>
und Florenz an zu bauen. Um das Jahr 1216<lb/>
bauete ein gewiſſer <hirendition="#aq">Marchione,</hi> der zugleich ein<lb/>
Bildhauer war, die ſchoͤne Capelle von Marmor in<lb/>
der Kirche <hirendition="#aq">Sta. Maria Maggiore</hi> in Rom.</p><lb/><p>Einer der groͤßten Baumeiſter der mittlern Zei-<lb/>
ten war ein Deutſcher, den man den <hirendition="#fr">Meiſter Ja-<lb/>
cob</hi> nennte. Er ſetzte ſich in Florenz, wo er das<lb/>
große Franziskanerkloſter gebauet hat. Sein Sohn,<lb/>
den die Welſchen <hirendition="#aq">Arnolfo Lapo</hi> nennen, bauete die<lb/>
Kirche des heiligen Creuzes in Florenz, und gab<lb/>
die Zeichnung zu der praͤchtigen Kirche <hirendition="#aq">de Sancta<lb/>
Maria de fiore.</hi> Dieſer ſtarb im Jahre 1200.</p><lb/><p>Die kleinen Reſte des guten Geſchmaks breite-<lb/>
ten ſich doch in dieſen Zeiten nicht außerhalb Jta-<lb/>
lien aus. An allen den erſtaunlichen Gebaͤuden<lb/>
dieſer Zeit, die noch itzt von dem ehemaligen Reich-<lb/>
thum der Niederlande zeugen, iſt bey der unbegreif-<lb/>
lichen Verſchwendung der Arbeit wenig geſundes.<lb/>
Dieſes muß man auch von dem Muͤnſter in Straß-<lb/>
burg ſagen, welches im 13. Jahrhundert aufge-<lb/>
fuͤhrt worden, und unter die erſtaunlichſten Gebaͤu-<lb/>
de der Welt gehoͤrt. Der Baumeiſter deſſelben<lb/>
war ein gewiſſer <hirendition="#fr">Erwin von Steinbach.</hi></p><lb/><p>Aber in dem 15. Jahrhundert fieng die Bau-<lb/>
kunſt an, ſich aus den alten Truͤmmern wieder<lb/>
empor zu heben; die Staͤdte erholten ſich von den<lb/>
barbariſchen Zerruͤttungen, welche durch die Staats-<lb/>
verwirrungen angerichtet worden waren. Bey<lb/>
dem haͤufigen Bauen, das nach der wieder herge-<lb/>ſtellten Ruhe unternommen wurde, fieng man wie-<lb/>
der an, auf die Schoͤnheit zu ſehen; man ſah nun<lb/>
die alten Ueberbleibſel mit Nachdenken an, und<lb/>
maaß die Verhaͤltniſſe an denſelben. Ein gewiſſer<lb/><hirendition="#aq">Ser Bruneleſchi,</hi> der zu Anfange des 15. Jahr-<lb/>
hunderts gelebt hat, war einer der erſten, die ſich<lb/>
die Muͤhe gegeben, in Rom, mit dem Maaßſtab in<lb/>
der Hand, auf den Truͤmmern der alten Gebaͤude<lb/>
herum zu gehen. Von dieſer Zeit an wurd die<lb/>
Aufmerkſamkeit auf dieſe Muſter immer groͤßer, bis<lb/>
am Ende dieſes und am Anfange des 16. Jahrhun-<lb/>
derts <hirendition="#aq">Alberti, Serlio, Palladio, Mich. Angelo,<lb/>
Vignola</hi> und andre Maͤnner erſchienen, die ſich<lb/>
außerordentliche Muͤhe gegeben, jede Regel zu ent-<lb/>
deken, durch welche die Gebaͤude der Alten ihre<lb/><cb/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Bau</hi></fw><lb/>
Schoͤnheit bekommen haben. Und ſo wurde die<lb/>
Baukunſt wieder hergeſtellt.</p><lb/><p>Doch erſchien ſie nicht in ihrer ehemaligen Rei-<lb/>
nigkeit. Auch die ſpaͤthern Gebaͤude des alten<lb/>
Roms, die ſchon viel Fehler hatten, beſonders die<lb/>
diokletianiſchen Baͤder, wurden zu Muſtern ge-<lb/>
nommen. Selbſt die groͤßten Baumeiſter, <hirendition="#fr">Pal-<lb/>
ladio</hi> und <hirendition="#fr">Mich. Angelo,</hi> nahmen die Fehler<lb/>
des unter den Kayſern ſchon ſinkenden Geſchmaks<lb/>
unter ihre Regeln auf, und das Anſehen dieſer<lb/>
großen Maͤnner gab ihnen ein Gewicht, das ſich bey<lb/>
vielen bis auf dieſen Tag erhalten hat. Jnzwiſchen<lb/>
breitete ſich der gute Geſchmak aus Jtalien nach<lb/>
und nach auch in die uͤbrigen Laͤnder von Europa<lb/>
aus. Gegenwaͤrtig findet man von Rußland bis<lb/>
nach Portugall, und von Stokholm bis nach Rom,<lb/>
aber nur hier und da, Gebaͤude, die zwar nicht ganz<lb/>
untadelhaft, aber doch groͤßtentheils in dem wahren<lb/>
Geſchmak aufgefuͤhrt ſind. Doch ſind ſie ſo ein-<lb/>
zeln, daß man nicht ſagen kann, die wahre Bau-<lb/>
kunſt ſey durch Europa gemein worden. Noch ſind<lb/>
genug anſehnliche Staͤdte, wo man die Spuren<lb/>
guter Baumeiſter faſt gaͤnzlich vermißt. Jndeſſen,<lb/>
da faſt alle Ueberbleibſel der griechiſchen und |roͤmi-<lb/>ſchen Baukunſt abgezeichnet, und uͤberall ausge-<lb/>
breitet ſind, fehlet es den neuern Baumeiſtern an<lb/>
nichts mehr, ſich in den wahren Geſchmak des Al-<lb/>
terthums zu ſetzen, als an uͤberlegter Betrachtung<lb/>
derſelben. Wir wollen dieſen Artikel mit einigen<lb/>
Betrachtungen uͤber die Theorie der Baukunſt be-<lb/>ſchließen.</p><lb/><p>Der Gebrauch, wozu jedes Gebaͤude beſtimmt<lb/>
iſt, giebt dem Baumeiſter faſt allemal die Groͤße<lb/>
deſſelben und die Menge der Zimmer, oder inwen-<lb/>
digen Haupttheile an, wenn er nur, von einem ge-<lb/>ſunden Urtheil geleitet, fuͤhlt, was ſich in jedem<lb/>
Fall fuͤr die Perſonen, Zeiten und Umſtaͤnde ſchiket.<lb/>
Sein Werk iſt es, die erfundenen Theile wol zu-<lb/>ſammen zu ſetzen, ihre beſten Verhaͤltniſſe zu be-<lb/>ſtimmen, dem ganzen Gebaͤude eine bequeme und<lb/>ſchoͤne Form zu geben, deſſen aͤußerliches Anſehen<lb/>ſo wol, als alles inwendige, nach der beſondern Art<lb/>
des Gebaͤudes, angenehm und ſchoͤn zu machen.<lb/>
Bey dieſer Arbeit muß er durch gewiſſe Grundſaͤtze<lb/>
geleitet werden, die ſein Urtheil uͤber das ſchoͤne<lb/>
und angenehme ſicher machen; er muß gewiſſe Er-<lb/>
fahrungen haben, die ihm da, wo ſeine Grundſaͤtze<lb/>
nicht beſtimmt genug ſind, das Schoͤne hinlaͤnglich<lb/><fwplace="bottom"type="sig">R 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">zu er-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[131/0143]
Bau
Bau
wurden. Bey dieſer Gelegenheit ließen ſie auch
Mahler und Bildhauer aus Griechenland kommen.
Um dieſelbe Zeit fieng man auch in Rom, Bologna
und Florenz an zu bauen. Um das Jahr 1216
bauete ein gewiſſer Marchione, der zugleich ein
Bildhauer war, die ſchoͤne Capelle von Marmor in
der Kirche Sta. Maria Maggiore in Rom.
Einer der groͤßten Baumeiſter der mittlern Zei-
ten war ein Deutſcher, den man den Meiſter Ja-
cob nennte. Er ſetzte ſich in Florenz, wo er das
große Franziskanerkloſter gebauet hat. Sein Sohn,
den die Welſchen Arnolfo Lapo nennen, bauete die
Kirche des heiligen Creuzes in Florenz, und gab
die Zeichnung zu der praͤchtigen Kirche de Sancta
Maria de fiore. Dieſer ſtarb im Jahre 1200.
Die kleinen Reſte des guten Geſchmaks breite-
ten ſich doch in dieſen Zeiten nicht außerhalb Jta-
lien aus. An allen den erſtaunlichen Gebaͤuden
dieſer Zeit, die noch itzt von dem ehemaligen Reich-
thum der Niederlande zeugen, iſt bey der unbegreif-
lichen Verſchwendung der Arbeit wenig geſundes.
Dieſes muß man auch von dem Muͤnſter in Straß-
burg ſagen, welches im 13. Jahrhundert aufge-
fuͤhrt worden, und unter die erſtaunlichſten Gebaͤu-
de der Welt gehoͤrt. Der Baumeiſter deſſelben
war ein gewiſſer Erwin von Steinbach.
Aber in dem 15. Jahrhundert fieng die Bau-
kunſt an, ſich aus den alten Truͤmmern wieder
empor zu heben; die Staͤdte erholten ſich von den
barbariſchen Zerruͤttungen, welche durch die Staats-
verwirrungen angerichtet worden waren. Bey
dem haͤufigen Bauen, das nach der wieder herge-
ſtellten Ruhe unternommen wurde, fieng man wie-
der an, auf die Schoͤnheit zu ſehen; man ſah nun
die alten Ueberbleibſel mit Nachdenken an, und
maaß die Verhaͤltniſſe an denſelben. Ein gewiſſer
Ser Bruneleſchi, der zu Anfange des 15. Jahr-
hunderts gelebt hat, war einer der erſten, die ſich
die Muͤhe gegeben, in Rom, mit dem Maaßſtab in
der Hand, auf den Truͤmmern der alten Gebaͤude
herum zu gehen. Von dieſer Zeit an wurd die
Aufmerkſamkeit auf dieſe Muſter immer groͤßer, bis
am Ende dieſes und am Anfange des 16. Jahrhun-
derts Alberti, Serlio, Palladio, Mich. Angelo,
Vignola und andre Maͤnner erſchienen, die ſich
außerordentliche Muͤhe gegeben, jede Regel zu ent-
deken, durch welche die Gebaͤude der Alten ihre
Schoͤnheit bekommen haben. Und ſo wurde die
Baukunſt wieder hergeſtellt.
Doch erſchien ſie nicht in ihrer ehemaligen Rei-
nigkeit. Auch die ſpaͤthern Gebaͤude des alten
Roms, die ſchon viel Fehler hatten, beſonders die
diokletianiſchen Baͤder, wurden zu Muſtern ge-
nommen. Selbſt die groͤßten Baumeiſter, Pal-
ladio und Mich. Angelo, nahmen die Fehler
des unter den Kayſern ſchon ſinkenden Geſchmaks
unter ihre Regeln auf, und das Anſehen dieſer
großen Maͤnner gab ihnen ein Gewicht, das ſich bey
vielen bis auf dieſen Tag erhalten hat. Jnzwiſchen
breitete ſich der gute Geſchmak aus Jtalien nach
und nach auch in die uͤbrigen Laͤnder von Europa
aus. Gegenwaͤrtig findet man von Rußland bis
nach Portugall, und von Stokholm bis nach Rom,
aber nur hier und da, Gebaͤude, die zwar nicht ganz
untadelhaft, aber doch groͤßtentheils in dem wahren
Geſchmak aufgefuͤhrt ſind. Doch ſind ſie ſo ein-
zeln, daß man nicht ſagen kann, die wahre Bau-
kunſt ſey durch Europa gemein worden. Noch ſind
genug anſehnliche Staͤdte, wo man die Spuren
guter Baumeiſter faſt gaͤnzlich vermißt. Jndeſſen,
da faſt alle Ueberbleibſel der griechiſchen und |roͤmi-
ſchen Baukunſt abgezeichnet, und uͤberall ausge-
breitet ſind, fehlet es den neuern Baumeiſtern an
nichts mehr, ſich in den wahren Geſchmak des Al-
terthums zu ſetzen, als an uͤberlegter Betrachtung
derſelben. Wir wollen dieſen Artikel mit einigen
Betrachtungen uͤber die Theorie der Baukunſt be-
ſchließen.
Der Gebrauch, wozu jedes Gebaͤude beſtimmt
iſt, giebt dem Baumeiſter faſt allemal die Groͤße
deſſelben und die Menge der Zimmer, oder inwen-
digen Haupttheile an, wenn er nur, von einem ge-
ſunden Urtheil geleitet, fuͤhlt, was ſich in jedem
Fall fuͤr die Perſonen, Zeiten und Umſtaͤnde ſchiket.
Sein Werk iſt es, die erfundenen Theile wol zu-
ſammen zu ſetzen, ihre beſten Verhaͤltniſſe zu be-
ſtimmen, dem ganzen Gebaͤude eine bequeme und
ſchoͤne Form zu geben, deſſen aͤußerliches Anſehen
ſo wol, als alles inwendige, nach der beſondern Art
des Gebaͤudes, angenehm und ſchoͤn zu machen.
Bey dieſer Arbeit muß er durch gewiſſe Grundſaͤtze
geleitet werden, die ſein Urtheil uͤber das ſchoͤne
und angenehme ſicher machen; er muß gewiſſe Er-
fahrungen haben, die ihm da, wo ſeine Grundſaͤtze
nicht beſtimmt genug ſind, das Schoͤne hinlaͤnglich
zu er-
R 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/143>, abgerufen am 02.08.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.