Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.Tagebuch von einer nach Nizza Pferde zu. Dabev mangelte es mir eben nicht anGesellschaft, da mir verschiedene Herren von der hie- sigen Akademie und andere die Ehre thaten, mich bis- weilen zu besuchen. Unter diesen muß ich besonders die Gütigkeit und Freundschaft des Herrn Polliers de Bottens, der Doyen oder Vorsteher der Geistlich- keit im Pais de Vaud ist, der Herren Professoren d'Apples und Traittorens, und des Hrn. de Mey- rolles, mit dankbarer Empfindung rühmen. Auch hatte ich das Vergnügen, den Hrn. de Luc aus Ge- neve hier kennen zu lernen, der jetzt Lecteur der Köni- ginn von England ist, und ehedem in den letzten Un- ruhen in Genf sich als den hauptsächlichsten Verfech- ter der bürgerlichen Freyheit, in der gelehrten Welt aber durch sein schönes Werk über die Barometer und Thermometer bekannt gemacht hat; ein liebenswür- diger und sehr verständiger Mann. Er hielt sich jetzt mit einem Frauenzimmer Namens Schwellenberg, einer Favoritinn der Königinn von England, hier auf, die ihrer Gesundheit halber auf Reisen gegangen war. Dieses Frauenzimmer hatte sich den verwichenen Win- ter mit Hrn. de Luc in Hieres aufgehalten, und bey- de machten mir von der Annehmlichkeit und dem schö- nen Klima dieses Orts eine so reizende Beschreibung, daß ich mich entschloß, einen Theil des Winters da- selbst zuzubringen. Hier lernte ich auch den Engländer Brydon, der Un-
Tagebuch von einer nach Nizza Pferde zu. Dabev mangelte es mir eben nicht anGeſellſchaft, da mir verſchiedene Herren von der hie- ſigen Akademie und andere die Ehre thaten, mich bis- weilen zu beſuchen. Unter dieſen muß ich beſonders die Guͤtigkeit und Freundſchaft des Herrn Polliers de Bottens, der Doyen oder Vorſteher der Geiſtlich- keit im Pais de Vaud iſt, der Herren Profeſſoren d'Apples und Traittorens, und des Hrn. de Mey- rolles, mit dankbarer Empfindung ruͤhmen. Auch hatte ich das Vergnuͤgen, den Hrn. de Luc aus Ge- neve hier kennen zu lernen, der jetzt Lecteur der Koͤni- ginn von England iſt, und ehedem in den letzten Un- ruhen in Genf ſich als den hauptſaͤchlichſten Verfech- ter der buͤrgerlichen Freyheit, in der gelehrten Welt aber durch ſein ſchoͤnes Werk uͤber die Barometer und Thermometer bekannt gemacht hat; ein liebenswuͤr- diger und ſehr verſtaͤndiger Mann. Er hielt ſich jetzt mit einem Frauenzimmer Namens Schwellenberg, einer Favoritinn der Koͤniginn von England, hier auf, die ihrer Geſundheit halber auf Reiſen gegangen war. Dieſes Frauenzimmer hatte ſich den verwichenen Win- ter mit Hrn. de Luc in Hieres aufgehalten, und bey- de machten mir von der Annehmlichkeit und dem ſchoͤ- nen Klima dieſes Orts eine ſo reizende Beſchreibung, daß ich mich entſchloß, einen Theil des Winters da- ſelbſt zuzubringen. Hier lernte ich auch den Englaͤnder Brydon, der Un-
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Tagebuch von einer nach Nizza
Pferde zu. Dabev mangelte es mir eben nicht an
Geſellſchaft, da mir verſchiedene Herren von der hie-
ſigen Akademie und andere die Ehre thaten, mich bis-
weilen zu beſuchen. Unter dieſen muß ich beſonders
die Guͤtigkeit und Freundſchaft des Herrn Polliers
de Bottens, der Doyen oder Vorſteher der Geiſtlich-
keit im Pais de Vaud iſt, der Herren Profeſſoren
d'Apples und Traittorens, und des Hrn. de Mey-
rolles, mit dankbarer Empfindung ruͤhmen. Auch
hatte ich das Vergnuͤgen, den Hrn. de Luc aus Ge-
neve hier kennen zu lernen, der jetzt Lecteur der Koͤni-
ginn von England iſt, und ehedem in den letzten Un-
ruhen in Genf ſich als den hauptſaͤchlichſten Verfech-
ter der buͤrgerlichen Freyheit, in der gelehrten Welt
aber durch ſein ſchoͤnes Werk uͤber die Barometer und
Thermometer bekannt gemacht hat; ein liebenswuͤr-
diger und ſehr verſtaͤndiger Mann. Er hielt ſich jetzt
mit einem Frauenzimmer Namens Schwellenberg,
einer Favoritinn der Koͤniginn von England, hier auf,
die ihrer Geſundheit halber auf Reiſen gegangen war.
Dieſes Frauenzimmer hatte ſich den verwichenen Win-
ter mit Hrn. de Luc in Hieres aufgehalten, und bey-
de machten mir von der Annehmlichkeit und dem ſchoͤ-
nen Klima dieſes Orts eine ſo reizende Beſchreibung,
daß ich mich entſchloß, einen Theil des Winters da-
ſelbſt zuzubringen.
Hier lernte ich auch den Englaͤnder Brydon, der
ſich durch ſeine ſchoͤne Beſchreibung von Sicilien und
dem Berge Aetna bekannt gemacht hat, kennen: ei-
nen jungen Mann voll Lebhaftigkeit, und von einem
freundſchaftlichen offenen Charakter.
Un-
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