beträchtliche Wärme, die man zum Trocknen des Ge- traides nöthig hat, werfen sich die Bretter, auf denen das Getraide liegt; sie ziehen sich auch zusammen, so daß man schwerlich den Bau so gut machen kann, daß nicht das auf den schief liegenden Dielen oder Bret- tern liegende Korn von selbst herunter sinke, ehe es ge- nug getrocknet worden, wodurch denn die ganze An- stalt verdorben wird. Auch geschiehet es gemeini- glich, daß das Getraide einen nicht angenehmen Ge- ruch annimmt, den das warme Holz von sich giebt.
Diesen schweren Mängeln der gewöhnlichen Korn- darre ist in Zürich dadurch völlig abgeholfen, daß man anstatt der Bretter, worauf das Korn liegt, große Tafeln von schwarzem Schiefer genommen hat, die durch die stärkste Wärme nicht die geringste Ver- änderung leiden. Diese fürtreffliche Verbesserung hat also einer sehr nützlichen Erfindung ihre Vollkommen- heit gegeben.
Den 10 Julius. Reise von Wülflingen über Schafhausen bis Geißlingen in Schwaben.
Es würde mir erstaunlich schmerzhaft gewesen seyn, meinem Vaterlande und meinen Freunden das letzte Lebewohl zu sagen, wenn ich nicht das Glück gehabt hätte, unter einem andern Himmel ein zwey- tes Vaterland, eine Familie und Freunde zu besitzen, die mir eben so nahe am Herzen liegen. Das Ver- langen, diese wieder zu sehen, und durch sie ein Vergnü- gen zu genießen, das mir das, was ich jetzt verlassen mußte, ersetzte, machte mir den Abschied erträglich. Dabey aber war ich mit innigster Dankbarkeit gegen die göttliche Fürsehung durchdrungen, die das Schick-
sal
Tagebuch von der Ruͤckreiſe
betraͤchtliche Waͤrme, die man zum Trocknen des Ge- traides noͤthig hat, werfen ſich die Bretter, auf denen das Getraide liegt; ſie ziehen ſich auch zuſammen, ſo daß man ſchwerlich den Bau ſo gut machen kann, daß nicht das auf den ſchief liegenden Dielen oder Bret- tern liegende Korn von ſelbſt herunter ſinke, ehe es ge- nug getrocknet worden, wodurch denn die ganze An- ſtalt verdorben wird. Auch geſchiehet es gemeini- glich, daß das Getraide einen nicht angenehmen Ge- ruch annimmt, den das warme Holz von ſich giebt.
Dieſen ſchweren Maͤngeln der gewoͤhnlichen Korn- darre iſt in Zuͤrich dadurch voͤllig abgeholfen, daß man anſtatt der Bretter, worauf das Korn liegt, große Tafeln von ſchwarzem Schiefer genommen hat, die durch die ſtaͤrkſte Waͤrme nicht die geringſte Ver- aͤnderung leiden. Dieſe fuͤrtreffliche Verbeſſerung hat alſo einer ſehr nuͤtzlichen Erfindung ihre Vollkommen- heit gegeben.
Den 10 Julius. Reiſe von Wuͤlflingen uͤber Schafhauſen bis Geißlingen in Schwaben.
Es wuͤrde mir erſtaunlich ſchmerzhaft geweſen ſeyn, meinem Vaterlande und meinen Freunden das letzte Lebewohl zu ſagen, wenn ich nicht das Gluͤck gehabt haͤtte, unter einem andern Himmel ein zwey- tes Vaterland, eine Familie und Freunde zu beſitzen, die mir eben ſo nahe am Herzen liegen. Das Ver- langen, dieſe wieder zu ſehen, und durch ſie ein Vergnuͤ- gen zu genießen, das mir das, was ich jetzt verlaſſen mußte, erſetzte, machte mir den Abſchied ertraͤglich. Dabey aber war ich mit innigſter Dankbarkeit gegen die goͤttliche Fuͤrſehung durchdrungen, die das Schick-
ſal
<TEI><text><body><divn="1"><divtype="diaryEntry"n="2"><p><pbfacs="#f0414"n="394"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Tagebuch von der Ruͤckreiſe</hi></fw><lb/>
betraͤchtliche Waͤrme, die man zum Trocknen des Ge-<lb/>
traides noͤthig hat, werfen ſich die Bretter, auf denen<lb/>
das Getraide liegt; ſie ziehen ſich auch zuſammen, ſo<lb/>
daß man ſchwerlich den Bau ſo gut machen kann,<lb/>
daß nicht das auf den ſchief liegenden Dielen oder Bret-<lb/>
tern liegende Korn von ſelbſt herunter ſinke, ehe es ge-<lb/>
nug getrocknet worden, wodurch denn die ganze An-<lb/>ſtalt verdorben wird. Auch geſchiehet es gemeini-<lb/>
glich, daß das Getraide einen nicht angenehmen Ge-<lb/>
ruch annimmt, den das warme Holz von ſich giebt.</p><lb/><p>Dieſen ſchweren Maͤngeln der gewoͤhnlichen Korn-<lb/>
darre iſt in <hirendition="#fr">Zuͤrich</hi> dadurch voͤllig abgeholfen, daß<lb/>
man anſtatt der Bretter, worauf das Korn liegt,<lb/>
große Tafeln von ſchwarzem Schiefer genommen hat,<lb/>
die durch die ſtaͤrkſte Waͤrme nicht die geringſte Ver-<lb/>
aͤnderung leiden. Dieſe fuͤrtreffliche Verbeſſerung hat<lb/>
alſo einer ſehr nuͤtzlichen Erfindung ihre Vollkommen-<lb/>
heit gegeben.</p></div><lb/><divtype="diaryEntry"n="2"><head>Den 10 Julius. Reiſe von <hirendition="#fr">Wuͤlflingen</hi> uͤber<lb/><hirendition="#fr">Schafhauſen</hi> bis <hirendition="#fr">Geißlingen</hi> in Schwaben.</head><lb/><p>Es wuͤrde mir erſtaunlich ſchmerzhaft geweſen<lb/>ſeyn, meinem Vaterlande und meinen Freunden das<lb/>
letzte Lebewohl zu ſagen, wenn ich nicht das Gluͤck<lb/>
gehabt haͤtte, unter einem andern Himmel ein zwey-<lb/>
tes Vaterland, eine Familie und Freunde zu beſitzen,<lb/>
die mir eben ſo nahe am Herzen liegen. Das Ver-<lb/>
langen, dieſe wieder zu ſehen, und durch ſie ein Vergnuͤ-<lb/>
gen zu genießen, das mir das, was ich jetzt verlaſſen<lb/>
mußte, erſetzte, machte mir den Abſchied ertraͤglich.<lb/>
Dabey aber war ich mit innigſter Dankbarkeit gegen<lb/>
die goͤttliche Fuͤrſehung durchdrungen, die das Schick-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſal</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[394/0414]
Tagebuch von der Ruͤckreiſe
betraͤchtliche Waͤrme, die man zum Trocknen des Ge-
traides noͤthig hat, werfen ſich die Bretter, auf denen
das Getraide liegt; ſie ziehen ſich auch zuſammen, ſo
daß man ſchwerlich den Bau ſo gut machen kann,
daß nicht das auf den ſchief liegenden Dielen oder Bret-
tern liegende Korn von ſelbſt herunter ſinke, ehe es ge-
nug getrocknet worden, wodurch denn die ganze An-
ſtalt verdorben wird. Auch geſchiehet es gemeini-
glich, daß das Getraide einen nicht angenehmen Ge-
ruch annimmt, den das warme Holz von ſich giebt.
Dieſen ſchweren Maͤngeln der gewoͤhnlichen Korn-
darre iſt in Zuͤrich dadurch voͤllig abgeholfen, daß
man anſtatt der Bretter, worauf das Korn liegt,
große Tafeln von ſchwarzem Schiefer genommen hat,
die durch die ſtaͤrkſte Waͤrme nicht die geringſte Ver-
aͤnderung leiden. Dieſe fuͤrtreffliche Verbeſſerung hat
alſo einer ſehr nuͤtzlichen Erfindung ihre Vollkommen-
heit gegeben.
Den 10 Julius. Reiſe von Wuͤlflingen uͤber
Schafhauſen bis Geißlingen in Schwaben.
Es wuͤrde mir erſtaunlich ſchmerzhaft geweſen
ſeyn, meinem Vaterlande und meinen Freunden das
letzte Lebewohl zu ſagen, wenn ich nicht das Gluͤck
gehabt haͤtte, unter einem andern Himmel ein zwey-
tes Vaterland, eine Familie und Freunde zu beſitzen,
die mir eben ſo nahe am Herzen liegen. Das Ver-
langen, dieſe wieder zu ſehen, und durch ſie ein Vergnuͤ-
gen zu genießen, das mir das, was ich jetzt verlaſſen
mußte, erſetzte, machte mir den Abſchied ertraͤglich.
Dabey aber war ich mit innigſter Dankbarkeit gegen
die goͤttliche Fuͤrſehung durchdrungen, die das Schick-
ſal
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/414>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.