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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

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von Nizza nach Deutschland.
diesem Orte sprang der brave Tell von dem Schiffe,
darin er gefangen sollte weggeführt werden, ans Land,
und erstieg den unwegsamen Berg, wodurch er sich,
und hernach durch die Folgen seiner Thoten das
ganze Land in Freyheit setzte. An diesem Or-
te ist dem Helden der Freyheit zu Ehren ein kleiner of-
fener Tempel, des Tellen Capelle genannt, erbaut
worden. Jch stieg hier aus, um darin die Empfin-
dung der Ehrfurcht für diesen Helden desto lebhafter
zu fühlen. Die Capelle ist gegen den See nur mit
einem hölzernen Geländer, das jeder aufmachen kann,
verschlossen. Jnwendig sind an den Mauren Tells
Thaten, und einige andere dadurch nachher verursachte
Scenen gemalt. Es sind aber nur noch ein paar
ganz alte Gemälde, von denen eines die Schlacht bey
Sempach vorstellt, übrig; die andern sind neuer,
weil vermuthlich der Kalk, auf den die ältern gemalt
gewesen, herunter gefallen war. Es machte doch ei-
nen sonderbaren Eindruck auf mich, Gemälde von be-
rühmten alten Thaten zu betrachten, und mich zugleich
an dem Orte, wo sie vorgefallen sind, zu befinden,
und das Locale der gemalten Scene mit dem in der
Natur selbst vergleichen zu können.

Für einen Forscher nach den uralten Veränderun-
gen in der Natur, wodurch die Oberfläche der Erde
ihre gegenwärtige Gestalt erhalten hat, ist die Reise
über diesen See höchst merkwürdig. Die Küste rech-
ter Hand zeiget sehr hohe, meist ganz kahle, steile
und an mehr Orten senkrecht aufsteigende Berge, an
denen fürtreffliche Beobachtungen über die Bergschich-
ten zu machen sind. Es ist hier der Ort nicht, mich
weitläuftig über das, was ich selbst davon beobachtet

habe,

von Nizza nach Deutſchland.
dieſem Orte ſprang der brave Tell von dem Schiffe,
darin er gefangen ſollte weggefuͤhrt werden, ans Land,
und erſtieg den unwegſamen Berg, wodurch er ſich,
und hernach durch die Folgen ſeiner Thoten das
ganze Land in Freyheit ſetzte. An dieſem Or-
te iſt dem Helden der Freyheit zu Ehren ein kleiner of-
fener Tempel, des Tellen Capelle genannt, erbaut
worden. Jch ſtieg hier aus, um darin die Empfin-
dung der Ehrfurcht fuͤr dieſen Helden deſto lebhafter
zu fuͤhlen. Die Capelle iſt gegen den See nur mit
einem hoͤlzernen Gelaͤnder, das jeder aufmachen kann,
verſchloſſen. Jnwendig ſind an den Mauren Tells
Thaten, und einige andere dadurch nachher verurſachte
Scenen gemalt. Es ſind aber nur noch ein paar
ganz alte Gemaͤlde, von denen eines die Schlacht bey
Sempach vorſtellt, uͤbrig; die andern ſind neuer,
weil vermuthlich der Kalk, auf den die aͤltern gemalt
geweſen, herunter gefallen war. Es machte doch ei-
nen ſonderbaren Eindruck auf mich, Gemaͤlde von be-
ruͤhmten alten Thaten zu betrachten, und mich zugleich
an dem Orte, wo ſie vorgefallen ſind, zu befinden,
und das Locale der gemalten Scene mit dem in der
Natur ſelbſt vergleichen zu koͤnnen.

Fuͤr einen Forſcher nach den uralten Veraͤnderun-
gen in der Natur, wodurch die Oberflaͤche der Erde
ihre gegenwaͤrtige Geſtalt erhalten hat, iſt die Reiſe
uͤber dieſen See hoͤchſt merkwuͤrdig. Die Kuͤſte rech-
ter Hand zeiget ſehr hohe, meiſt ganz kahle, ſteile
und an mehr Orten ſenkrecht aufſteigende Berge, an
denen fuͤrtreffliche Beobachtungen uͤber die Bergſchich-
ten zu machen ſind. Es iſt hier der Ort nicht, mich
weitlaͤuftig uͤber das, was ich ſelbſt davon beobachtet

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[383/0403] von Nizza nach Deutſchland. dieſem Orte ſprang der brave Tell von dem Schiffe, darin er gefangen ſollte weggefuͤhrt werden, ans Land, und erſtieg den unwegſamen Berg, wodurch er ſich, und hernach durch die Folgen ſeiner Thoten das ganze Land in Freyheit ſetzte. An dieſem Or- te iſt dem Helden der Freyheit zu Ehren ein kleiner of- fener Tempel, des Tellen Capelle genannt, erbaut worden. Jch ſtieg hier aus, um darin die Empfin- dung der Ehrfurcht fuͤr dieſen Helden deſto lebhafter zu fuͤhlen. Die Capelle iſt gegen den See nur mit einem hoͤlzernen Gelaͤnder, das jeder aufmachen kann, verſchloſſen. Jnwendig ſind an den Mauren Tells Thaten, und einige andere dadurch nachher verurſachte Scenen gemalt. Es ſind aber nur noch ein paar ganz alte Gemaͤlde, von denen eines die Schlacht bey Sempach vorſtellt, uͤbrig; die andern ſind neuer, weil vermuthlich der Kalk, auf den die aͤltern gemalt geweſen, herunter gefallen war. Es machte doch ei- nen ſonderbaren Eindruck auf mich, Gemaͤlde von be- ruͤhmten alten Thaten zu betrachten, und mich zugleich an dem Orte, wo ſie vorgefallen ſind, zu befinden, und das Locale der gemalten Scene mit dem in der Natur ſelbſt vergleichen zu koͤnnen. Fuͤr einen Forſcher nach den uralten Veraͤnderun- gen in der Natur, wodurch die Oberflaͤche der Erde ihre gegenwaͤrtige Geſtalt erhalten hat, iſt die Reiſe uͤber dieſen See hoͤchſt merkwuͤrdig. Die Kuͤſte rech- ter Hand zeiget ſehr hohe, meiſt ganz kahle, ſteile und an mehr Orten ſenkrecht aufſteigende Berge, an denen fuͤrtreffliche Beobachtungen uͤber die Bergſchich- ten zu machen ſind. Es iſt hier der Ort nicht, mich weitlaͤuftig uͤber das, was ich ſelbſt davon beobachtet habe,

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/403>, abgerufen am 22.11.2024.