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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

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Tagebuch von der Rückreise
ne Plätze zu Viehweiden, welche die Leute Alpen nen-
nen. Es ist angenehm, vom Thale aus so hoch in
der Luft weit ausgebreitete Weiden zu sehen, auf den-
selben große Heerden Kühe, die das Auge kaum noch
erblickt, und wenn sie sich nicht bewegten, für Stei-
ne halten würde. Auf diesen Weiden stehen viel zer-
streute, wegen ihrer mehreren Größe etwas kennbare-
re Hütten, darin Milch aufbehalten und Käse ge-
macht wird. Man kommt noch durch einige Dörfer.
Jn diesen sieht man an den Häusern zwey ganz entge-
gengesetzte Bauarten: Häuser durchaus von wohl
übereinander gelegten und in einander verbundenen
Steinen, trocken, d. i. ohne Kalk aufgemauert; an-
dere ganz von Holz aus übereinander gelegten Balken.

Gegen Abend kam ich an ein angenehm gelegenes
und sehr wohl, auch weitläuftig gebautes Haus, das
ich erst für ein Landhaus eines Reichen ansah. Es
war aber ein Zollhaus. Fremde bezahlen hier einen
ziemlich starken Zoll, der für eingeborne Schweizer
nur sehr gering ist. Um diese Gegend wird der Wig
wieder steil und wild, und der Ticin stürzt sich mit
einem Brausen und einer Gewalt, welche den Begriff
der Wut erwecket, tief zwischen Felsen herunter. An
ein paar Orten wird der Paß neben diesem Strome
sehr enge. Von hier aus wird das immer mehr in
die Höhe steigende Livinerthal wieder angenehmer,
und endiget sich endlich bey dem Dorfe oder Flecken
Airol, Ariolo, Ariels, der unmittelbar am Fuß
des Gotthards liegt; denn hier bekommt dieses Ge-
bürge erst den eigentlichen Namen. Obgleich Airol
im Thal und am Fuß des Berges liegt, so ist der Ort
doch schon zwischen vier und fünftausend Fuß höher

als

Tagebuch von der Ruͤckreiſe
ne Plaͤtze zu Viehweiden, welche die Leute Alpen nen-
nen. Es iſt angenehm, vom Thale aus ſo hoch in
der Luft weit ausgebreitete Weiden zu ſehen, auf den-
ſelben große Heerden Kuͤhe, die das Auge kaum noch
erblickt, und wenn ſie ſich nicht bewegten, fuͤr Stei-
ne halten wuͤrde. Auf dieſen Weiden ſtehen viel zer-
ſtreute, wegen ihrer mehreren Groͤße etwas kennbare-
re Huͤtten, darin Milch aufbehalten und Kaͤſe ge-
macht wird. Man kommt noch durch einige Doͤrfer.
Jn dieſen ſieht man an den Haͤuſern zwey ganz entge-
gengeſetzte Bauarten: Haͤuſer durchaus von wohl
uͤbereinander gelegten und in einander verbundenen
Steinen, trocken, d. i. ohne Kalk aufgemauert; an-
dere ganz von Holz aus uͤbereinander gelegten Balken.

Gegen Abend kam ich an ein angenehm gelegenes
und ſehr wohl, auch weitlaͤuftig gebautes Haus, das
ich erſt fuͤr ein Landhaus eines Reichen anſah. Es
war aber ein Zollhaus. Fremde bezahlen hier einen
ziemlich ſtarken Zoll, der fuͤr eingeborne Schweizer
nur ſehr gering iſt. Um dieſe Gegend wird der Wig
wieder ſteil und wild, und der Ticin ſtuͤrzt ſich mit
einem Brauſen und einer Gewalt, welche den Begriff
der Wut erwecket, tief zwiſchen Felſen herunter. An
ein paar Orten wird der Paß neben dieſem Strome
ſehr enge. Von hier aus wird das immer mehr in
die Hoͤhe ſteigende Livinerthal wieder angenehmer,
und endiget ſich endlich bey dem Dorfe oder Flecken
Airol, Ariolo, Ariels, der unmittelbar am Fuß
des Gotthards liegt; denn hier bekommt dieſes Ge-
buͤrge erſt den eigentlichen Namen. Obgleich Airol
im Thal und am Fuß des Berges liegt, ſo iſt der Ort
doch ſchon zwiſchen vier und fuͤnftauſend Fuß hoͤher

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[360/0380] Tagebuch von der Ruͤckreiſe ne Plaͤtze zu Viehweiden, welche die Leute Alpen nen- nen. Es iſt angenehm, vom Thale aus ſo hoch in der Luft weit ausgebreitete Weiden zu ſehen, auf den- ſelben große Heerden Kuͤhe, die das Auge kaum noch erblickt, und wenn ſie ſich nicht bewegten, fuͤr Stei- ne halten wuͤrde. Auf dieſen Weiden ſtehen viel zer- ſtreute, wegen ihrer mehreren Groͤße etwas kennbare- re Huͤtten, darin Milch aufbehalten und Kaͤſe ge- macht wird. Man kommt noch durch einige Doͤrfer. Jn dieſen ſieht man an den Haͤuſern zwey ganz entge- gengeſetzte Bauarten: Haͤuſer durchaus von wohl uͤbereinander gelegten und in einander verbundenen Steinen, trocken, d. i. ohne Kalk aufgemauert; an- dere ganz von Holz aus uͤbereinander gelegten Balken. Gegen Abend kam ich an ein angenehm gelegenes und ſehr wohl, auch weitlaͤuftig gebautes Haus, das ich erſt fuͤr ein Landhaus eines Reichen anſah. Es war aber ein Zollhaus. Fremde bezahlen hier einen ziemlich ſtarken Zoll, der fuͤr eingeborne Schweizer nur ſehr gering iſt. Um dieſe Gegend wird der Wig wieder ſteil und wild, und der Ticin ſtuͤrzt ſich mit einem Brauſen und einer Gewalt, welche den Begriff der Wut erwecket, tief zwiſchen Felſen herunter. An ein paar Orten wird der Paß neben dieſem Strome ſehr enge. Von hier aus wird das immer mehr in die Hoͤhe ſteigende Livinerthal wieder angenehmer, und endiget ſich endlich bey dem Dorfe oder Flecken Airol, Ariolo, Ariels, der unmittelbar am Fuß des Gotthards liegt; denn hier bekommt dieſes Ge- buͤrge erſt den eigentlichen Namen. Obgleich Airol im Thal und am Fuß des Berges liegt, ſo iſt der Ort doch ſchon zwiſchen vier und fuͤnftauſend Fuß hoͤher als

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/380>, abgerufen am 25.11.2024.