Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite

von Nizza nach Deutschland.
Sorgfalt, da die Majorate hier nicht statt haben.
Dem ältesten Sohn können nur die außer dem Herzog-
thum liegenden Familiengüter zum voraus vermacht
werden: das übrige Vermögen muß unter die Erben
gleich vertheilt werden.

Dieser der Erhaltung großer Familien nachthei-
ligen Veranstaltung wird die Bemühung der ganzen
Familie entgegengesetzt, die jüngern Brüder, die
sich seltener verheirathen, in der Kirche oder in Kriegs-
diensten empor zu heben, damit sie Gelegenheit haben
sich zu bereichern, und hernach ihr erworbenes Ver-
mögen nach ihrem Tode dem Haupterben der Familie
zu überlassen. Man kann es nicht undeutlich merken,
daß vielen Vornehmern der Pabst, als Hirte der Kir-
che betrachtet, Nichts, und als Austheiler hoher
Würden und reicher Pfründen Alles ist.

Meiland hat von dem Souverain das Vorrecht
erhalten, daß die Einwohner in Kriegszeiten sich da-
durch vor einer Belagerung sicher stellen können, daß
sie einem auf die Stadt anrückenden Feinde die Schlüs-
sel der Stadt entgegen bringen. Die feste Citadelle
aber bleibet denn doch einer Belagerung ausgesetzt;
und eine hartnäckige Vertheidigung derselben würde
doch allemal auch in der Stadt große Verwüstung an-
richten.

Das Herzogthum Meiland wird von dem Sou-
verain, in Ansehung der Abgaben, ziemlich hart an-
gegriffen, und hat Ursache sich darüber zu beschweren,
daß die Landanlagen zur Unterhaltung des Kriegsstaa-
tes auf 16000 Mann gemacht sind, da gemeiniglich
nur etwa der vierte Theil dieser Zahl im Lande liegt.
Mithin gehen drey Viertheil von der bewilligten

Sum-
Y 3

von Nizza nach Deutſchland.
Sorgfalt, da die Majorate hier nicht ſtatt haben.
Dem aͤlteſten Sohn koͤnnen nur die außer dem Herzog-
thum liegenden Familienguͤter zum voraus vermacht
werden: das uͤbrige Vermoͤgen muß unter die Erben
gleich vertheilt werden.

Dieſer der Erhaltung großer Familien nachthei-
ligen Veranſtaltung wird die Bemuͤhung der ganzen
Familie entgegengeſetzt, die juͤngern Bruͤder, die
ſich ſeltener verheirathen, in der Kirche oder in Kriegs-
dienſten empor zu heben, damit ſie Gelegenheit haben
ſich zu bereichern, und hernach ihr erworbenes Ver-
moͤgen nach ihrem Tode dem Haupterben der Familie
zu uͤberlaſſen. Man kann es nicht undeutlich merken,
daß vielen Vornehmern der Pabſt, als Hirte der Kir-
che betrachtet, Nichts, und als Austheiler hoher
Wuͤrden und reicher Pfruͤnden Alles iſt.

Meiland hat von dem Souverain das Vorrecht
erhalten, daß die Einwohner in Kriegszeiten ſich da-
durch vor einer Belagerung ſicher ſtellen koͤnnen, daß
ſie einem auf die Stadt anruͤckenden Feinde die Schluͤſ-
ſel der Stadt entgegen bringen. Die feſte Citadelle
aber bleibet denn doch einer Belagerung ausgeſetzt;
und eine hartnaͤckige Vertheidigung derſelben wuͤrde
doch allemal auch in der Stadt große Verwuͤſtung an-
richten.

Das Herzogthum Meiland wird von dem Sou-
verain, in Anſehung der Abgaben, ziemlich hart an-
gegriffen, und hat Urſache ſich daruͤber zu beſchweren,
daß die Landanlagen zur Unterhaltung des Kriegsſtaa-
tes auf 16000 Mann gemacht ſind, da gemeiniglich
nur etwa der vierte Theil dieſer Zahl im Lande liegt.
Mithin gehen drey Viertheil von der bewilligten

Sum-
Y 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="diaryEntry" n="2">
          <p><pb facs="#f0361" n="341"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">von Nizza nach Deut&#x017F;chland.</hi></fw><lb/>
Sorgfalt, da die Majorate hier nicht &#x017F;tatt haben.<lb/>
Dem a&#x0364;lte&#x017F;ten Sohn ko&#x0364;nnen nur die außer dem Herzog-<lb/>
thum liegenden Familiengu&#x0364;ter zum voraus vermacht<lb/>
werden: das u&#x0364;brige Vermo&#x0364;gen muß unter die Erben<lb/>
gleich vertheilt werden.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;er der Erhaltung großer Familien nachthei-<lb/>
ligen Veran&#x017F;taltung wird die Bemu&#x0364;hung der ganzen<lb/>
Familie entgegenge&#x017F;etzt, die ju&#x0364;ngern Bru&#x0364;der, die<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;eltener verheirathen, in der Kirche oder in Kriegs-<lb/>
dien&#x017F;ten empor zu heben, damit &#x017F;ie Gelegenheit haben<lb/>
&#x017F;ich zu bereichern, und hernach ihr erworbenes Ver-<lb/>
mo&#x0364;gen nach ihrem Tode dem Haupterben der Familie<lb/>
zu u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en. Man kann es nicht undeutlich merken,<lb/>
daß vielen Vornehmern der Pab&#x017F;t, als Hirte der Kir-<lb/>
che betrachtet, <hi rendition="#fr">Nichts,</hi> und als Austheiler hoher<lb/>
Wu&#x0364;rden und reicher Pfru&#x0364;nden <hi rendition="#fr">Alles</hi> i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Meiland</hi> hat von dem Souverain das Vorrecht<lb/>
erhalten, daß die Einwohner in Kriegszeiten &#x017F;ich da-<lb/>
durch vor einer Belagerung &#x017F;icher &#x017F;tellen ko&#x0364;nnen, daß<lb/>
&#x017F;ie einem auf die Stadt anru&#x0364;ckenden Feinde die Schlu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;el der Stadt entgegen bringen. Die fe&#x017F;te Citadelle<lb/>
aber bleibet denn doch einer Belagerung ausge&#x017F;etzt;<lb/>
und eine hartna&#x0364;ckige Vertheidigung der&#x017F;elben wu&#x0364;rde<lb/>
doch allemal auch in der Stadt große Verwu&#x0364;&#x017F;tung an-<lb/>
richten.</p><lb/>
          <p>Das Herzogthum <hi rendition="#fr">Meiland</hi> wird von dem Sou-<lb/>
verain, in An&#x017F;ehung der Abgaben, ziemlich hart an-<lb/>
gegriffen, und hat Ur&#x017F;ache &#x017F;ich daru&#x0364;ber zu be&#x017F;chweren,<lb/>
daß die Landanlagen zur Unterhaltung des Kriegs&#x017F;taa-<lb/>
tes auf 16000 Mann gemacht &#x017F;ind, da gemeiniglich<lb/>
nur etwa der vierte Theil die&#x017F;er Zahl im Lande liegt.<lb/>
Mithin gehen drey Viertheil von der bewilligten<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Y 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Sum-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[341/0361] von Nizza nach Deutſchland. Sorgfalt, da die Majorate hier nicht ſtatt haben. Dem aͤlteſten Sohn koͤnnen nur die außer dem Herzog- thum liegenden Familienguͤter zum voraus vermacht werden: das uͤbrige Vermoͤgen muß unter die Erben gleich vertheilt werden. Dieſer der Erhaltung großer Familien nachthei- ligen Veranſtaltung wird die Bemuͤhung der ganzen Familie entgegengeſetzt, die juͤngern Bruͤder, die ſich ſeltener verheirathen, in der Kirche oder in Kriegs- dienſten empor zu heben, damit ſie Gelegenheit haben ſich zu bereichern, und hernach ihr erworbenes Ver- moͤgen nach ihrem Tode dem Haupterben der Familie zu uͤberlaſſen. Man kann es nicht undeutlich merken, daß vielen Vornehmern der Pabſt, als Hirte der Kir- che betrachtet, Nichts, und als Austheiler hoher Wuͤrden und reicher Pfruͤnden Alles iſt. Meiland hat von dem Souverain das Vorrecht erhalten, daß die Einwohner in Kriegszeiten ſich da- durch vor einer Belagerung ſicher ſtellen koͤnnen, daß ſie einem auf die Stadt anruͤckenden Feinde die Schluͤſ- ſel der Stadt entgegen bringen. Die feſte Citadelle aber bleibet denn doch einer Belagerung ausgeſetzt; und eine hartnaͤckige Vertheidigung derſelben wuͤrde doch allemal auch in der Stadt große Verwuͤſtung an- richten. Das Herzogthum Meiland wird von dem Sou- verain, in Anſehung der Abgaben, ziemlich hart an- gegriffen, und hat Urſache ſich daruͤber zu beſchweren, daß die Landanlagen zur Unterhaltung des Kriegsſtaa- tes auf 16000 Mann gemacht ſind, da gemeiniglich nur etwa der vierte Theil dieſer Zahl im Lande liegt. Mithin gehen drey Viertheil von der bewilligten Sum- Y 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/361
Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/361>, abgerufen am 25.11.2024.