Gärten, deren jeder ein Citronenwald ist, nach Men- ton, wo wir gegen 6 Uhr des Abends anlangten.
Diese kleine sehr angenehme Stadt liegt auf derMenton. Gränze des Fürstenthums Monaco, nahe bey Ven- timiglia, und dicht an der See. Sie hat aber kei- nen Hafen; die Schiffe müssen in einer kleinen Ent- fernung auf der Rhede vor Anker liegen bleiben. Ge- gen Nordost und Norden ist sie von den wilden und kahlen Bergen umgeben, womit diese Küste besetzt ist. An der Abendseite der Stadt ziehet sich ein sehr enges Thal oder Tobel tief zwischen den Bergen nord- wärts hinein; und es ist nicht schwer abzunehmen, daß das niedrige Gelände an der Abendseite von Men- ton ehedem eine Bucht des Meeres gewesen, die all- mählig mit Steinen und Erde, die der aus bemelde- ter Kluft herauskommende, bey Regenwetter hoch an- schwellende Bach mit sich geführt hat, ausgefüllt und erhöht worden.
Diese kleine Stadt scheinet einige reiche Einwoh- ner zu haben; man sieht etliche große Reichthum an- kündigende Häuser. Nach dem Verhältniß ihrer Größe schien sie mir sehr volkreich; wenigstens wim- melten alle Gassen von Volk, (es war aber den Tag nach unsrer Ankunft eben Sonntag,) das sehr mun- ter und vergnügt aussah. Es kam mir hier beson- ders vor, daß an diesem Tage schon des Morgens al- le Kramladen offen stunden, und es in den Hauptstras- sen aussah, als wenn an diesem Tage ein Jahrmarkt gehalten würde. Man sah zu gleicher Zeit eine Men- ge Menschen auf den Straßen und an den Kramladen, und andre truppweise in die Kirchen gehen, und aus denselben herauskommen.
Die
Q
gethanen Reiſe.
Gaͤrten, deren jeder ein Citronenwald iſt, nach Men- ton, wo wir gegen 6 Uhr des Abends anlangten.
Dieſe kleine ſehr angenehme Stadt liegt auf derMenton. Graͤnze des Fuͤrſtenthums Monaco, nahe bey Ven- timiglia, und dicht an der See. Sie hat aber kei- nen Hafen; die Schiffe muͤſſen in einer kleinen Ent- fernung auf der Rhede vor Anker liegen bleiben. Ge- gen Nordoſt und Norden iſt ſie von den wilden und kahlen Bergen umgeben, womit dieſe Kuͤſte beſetzt iſt. An der Abendſeite der Stadt ziehet ſich ein ſehr enges Thal oder Tobel tief zwiſchen den Bergen nord- waͤrts hinein; und es iſt nicht ſchwer abzunehmen, daß das niedrige Gelaͤnde an der Abendſeite von Men- ton ehedem eine Bucht des Meeres geweſen, die all- maͤhlig mit Steinen und Erde, die der aus bemelde- ter Kluft herauskommende, bey Regenwetter hoch an- ſchwellende Bach mit ſich gefuͤhrt hat, ausgefuͤllt und erhoͤht worden.
Dieſe kleine Stadt ſcheinet einige reiche Einwoh- ner zu haben; man ſieht etliche große Reichthum an- kuͤndigende Haͤuſer. Nach dem Verhaͤltniß ihrer Groͤße ſchien ſie mir ſehr volkreich; wenigſtens wim- melten alle Gaſſen von Volk, (es war aber den Tag nach unſrer Ankunft eben Sonntag,) das ſehr mun- ter und vergnuͤgt ausſah. Es kam mir hier beſon- ders vor, daß an dieſem Tage ſchon des Morgens al- le Kramladen offen ſtunden, und es in den Hauptſtraſ- ſen ausſah, als wenn an dieſem Tage ein Jahrmarkt gehalten wuͤrde. Man ſah zu gleicher Zeit eine Men- ge Menſchen auf den Straßen und an den Kramladen, und andre truppweiſe in die Kirchen gehen, und aus denſelben herauskommen.
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gethanen Reiſe.
Gaͤrten, deren jeder ein Citronenwald iſt, nach Men-
ton, wo wir gegen 6 Uhr des Abends anlangten.
Dieſe kleine ſehr angenehme Stadt liegt auf der
Graͤnze des Fuͤrſtenthums Monaco, nahe bey Ven-
timiglia, und dicht an der See. Sie hat aber kei-
nen Hafen; die Schiffe muͤſſen in einer kleinen Ent-
fernung auf der Rhede vor Anker liegen bleiben. Ge-
gen Nordoſt und Norden iſt ſie von den wilden und
kahlen Bergen umgeben, womit dieſe Kuͤſte beſetzt
iſt. An der Abendſeite der Stadt ziehet ſich ein ſehr
enges Thal oder Tobel tief zwiſchen den Bergen nord-
waͤrts hinein; und es iſt nicht ſchwer abzunehmen,
daß das niedrige Gelaͤnde an der Abendſeite von Men-
ton ehedem eine Bucht des Meeres geweſen, die all-
maͤhlig mit Steinen und Erde, die der aus bemelde-
ter Kluft herauskommende, bey Regenwetter hoch an-
ſchwellende Bach mit ſich gefuͤhrt hat, ausgefuͤllt und
erhoͤht worden.
Menton.
Dieſe kleine Stadt ſcheinet einige reiche Einwoh-
ner zu haben; man ſieht etliche große Reichthum an-
kuͤndigende Haͤuſer. Nach dem Verhaͤltniß ihrer
Groͤße ſchien ſie mir ſehr volkreich; wenigſtens wim-
melten alle Gaſſen von Volk, (es war aber den Tag
nach unſrer Ankunft eben Sonntag,) das ſehr mun-
ter und vergnuͤgt ausſah. Es kam mir hier beſon-
ders vor, daß an dieſem Tage ſchon des Morgens al-
le Kramladen offen ſtunden, und es in den Hauptſtraſ-
ſen ausſah, als wenn an dieſem Tage ein Jahrmarkt
gehalten wuͤrde. Man ſah zu gleicher Zeit eine Men-
ge Menſchen auf den Straßen und an den Kramladen,
und andre truppweiſe in die Kirchen gehen, und aus
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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/261>, abgerufen am 25.11.2024.
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