Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite

gethanen Reise.
aus, deren Verfassung ich für merkwürdig genug hal-
te, hier angeführt zu werden.

Das ganze Volk ist in vier Classen getheilt, den
Adel, die Kaufleute, die Handwerksleute und die
Bauren. Aus diesen vier Classen wird auch der Mu-
nicipalmagistrat besetzt. Er besteht aus drey Consuln
und 24 Räthen. Der erste Consul wird aus dem
Adel gewählt, der zweyte aus der Kaufmannschaft,
und der dritte wechselsweise aus den Handwerkern und
dem Baurenstande. Ehedem waren alle Stellen der
Consuln und der Räthe nur auf ein Jahr, seit kurzem
aber hat der Hof sie lebenslang gemacht. Die Räthe
werden ebenfalls aus den vier Classen gewählt, sieben
von jeder Classe mit Jnbegriff des Consuls.

Die täglichen Geschäffte werden allein durch die
Consuln besorget, denen ein Advocat oder Rechtsge-
lehrter wegen vorfallender Rechtshändel zugegeben ist.
Nur in wichtigen, die ganze Stadt angehenden Ge-
schäfften werden die Räthe versammelt. Vom Hofe
ist ein Jntendant für die ganze Grafschaft gesetzt, und
dieser hat in der Rathsversammlung den Vorsitz, aber
ohne Stimme. Der jetzige adeliche Consul ist der
Graf von St. Andre, ein sehr braver und auch an-
genehmer Mann.

Diese Municipalregierung besorgt die Policeyan-
stalten, und verwaltet die Einkünfte der Stadt. Das
Collegium der Consuln aber, oder, wie es hier genennt
wird, das Consulat, schlichtet die Zwistigkeiten zwi-
schen den Einwohnern.

Jch habe zuverläßig erfahren, daß die jährlichen
Einkünfte der Stadt sich ohngefähr auf 150000 Lire
belaufen, worunter aber die Domaineneinkünfte nicht

mit

gethanen Reiſe.
aus, deren Verfaſſung ich fuͤr merkwuͤrdig genug hal-
te, hier angefuͤhrt zu werden.

Das ganze Volk iſt in vier Claſſen getheilt, den
Adel, die Kaufleute, die Handwerksleute und die
Bauren. Aus dieſen vier Claſſen wird auch der Mu-
nicipalmagiſtrat beſetzt. Er beſteht aus drey Conſuln
und 24 Raͤthen. Der erſte Conſul wird aus dem
Adel gewaͤhlt, der zweyte aus der Kaufmannſchaft,
und der dritte wechſelsweiſe aus den Handwerkern und
dem Baurenſtande. Ehedem waren alle Stellen der
Conſuln und der Raͤthe nur auf ein Jahr, ſeit kurzem
aber hat der Hof ſie lebenslang gemacht. Die Raͤthe
werden ebenfalls aus den vier Claſſen gewaͤhlt, ſieben
von jeder Claſſe mit Jnbegriff des Conſuls.

Die taͤglichen Geſchaͤffte werden allein durch die
Conſuln beſorget, denen ein Advocat oder Rechtsge-
lehrter wegen vorfallender Rechtshaͤndel zugegeben iſt.
Nur in wichtigen, die ganze Stadt angehenden Ge-
ſchaͤfften werden die Raͤthe verſammelt. Vom Hofe
iſt ein Jntendant fuͤr die ganze Grafſchaft geſetzt, und
dieſer hat in der Rathsverſammlung den Vorſitz, aber
ohne Stimme. Der jetzige adeliche Conſul iſt der
Graf von St. André, ein ſehr braver und auch an-
genehmer Mann.

Dieſe Municipalregierung beſorgt die Policeyan-
ſtalten, und verwaltet die Einkuͤnfte der Stadt. Das
Collegium der Conſuln aber, oder, wie es hier genennt
wird, das Conſulat, ſchlichtet die Zwiſtigkeiten zwi-
ſchen den Einwohnern.

Jch habe zuverlaͤßig erfahren, daß die jaͤhrlichen
Einkuͤnfte der Stadt ſich ohngefaͤhr auf 150000 Lire
belaufen, worunter aber die Domaineneinkuͤnfte nicht

mit
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0241" n="221"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">gethanen Rei&#x017F;e.</hi></fw><lb/>
aus, deren Verfa&#x017F;&#x017F;ung ich fu&#x0364;r merkwu&#x0364;rdig genug hal-<lb/>
te, hier angefu&#x0364;hrt zu werden.</p><lb/>
        <p>Das ganze Volk i&#x017F;t in vier Cla&#x017F;&#x017F;en getheilt, den<lb/>
Adel, die Kaufleute, die Handwerksleute und die<lb/>
Bauren. Aus die&#x017F;en vier Cla&#x017F;&#x017F;en wird auch der Mu-<lb/>
nicipalmagi&#x017F;trat be&#x017F;etzt. Er be&#x017F;teht aus drey Con&#x017F;uln<lb/>
und 24 Ra&#x0364;then. Der er&#x017F;te Con&#x017F;ul wird aus dem<lb/>
Adel gewa&#x0364;hlt, der zweyte aus der Kaufmann&#x017F;chaft,<lb/>
und der dritte wech&#x017F;elswei&#x017F;e aus den Handwerkern und<lb/>
dem Bauren&#x017F;tande. Ehedem waren alle Stellen der<lb/>
Con&#x017F;uln und der Ra&#x0364;the nur auf ein Jahr, &#x017F;eit kurzem<lb/>
aber hat der Hof &#x017F;ie lebenslang gemacht. Die Ra&#x0364;the<lb/>
werden ebenfalls aus den vier Cla&#x017F;&#x017F;en gewa&#x0364;hlt, &#x017F;ieben<lb/>
von jeder Cla&#x017F;&#x017F;e mit Jnbegriff des Con&#x017F;uls.</p><lb/>
        <p>Die ta&#x0364;glichen Ge&#x017F;cha&#x0364;ffte werden allein durch die<lb/>
Con&#x017F;uln be&#x017F;orget, denen ein Advocat oder Rechtsge-<lb/>
lehrter wegen vorfallender Rechtsha&#x0364;ndel zugegeben i&#x017F;t.<lb/>
Nur in wichtigen, die ganze Stadt angehenden Ge-<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;fften werden die Ra&#x0364;the ver&#x017F;ammelt. Vom Hofe<lb/>
i&#x017F;t ein Jntendant fu&#x0364;r die ganze Graf&#x017F;chaft ge&#x017F;etzt, und<lb/>
die&#x017F;er hat in der Rathsver&#x017F;ammlung den Vor&#x017F;itz, aber<lb/>
ohne Stimme. Der jetzige adeliche Con&#x017F;ul i&#x017F;t der<lb/>
Graf von <hi rendition="#fr">St. <choice><sic>Andre&#x2019;</sic><corr>André</corr></choice>,</hi> ein &#x017F;ehr braver und auch an-<lb/>
genehmer Mann.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;e Municipalregierung be&#x017F;orgt die Policeyan-<lb/>
&#x017F;talten, und verwaltet die Einku&#x0364;nfte der Stadt. Das<lb/>
Collegium der Con&#x017F;uln aber, oder, wie es hier genennt<lb/>
wird, das Con&#x017F;ulat, &#x017F;chlichtet die Zwi&#x017F;tigkeiten zwi-<lb/>
&#x017F;chen den Einwohnern.</p><lb/>
        <p>Jch habe zuverla&#x0364;ßig erfahren, daß die ja&#x0364;hrlichen<lb/>
Einku&#x0364;nfte der Stadt &#x017F;ich ohngefa&#x0364;hr auf 150000 Lire<lb/>
belaufen, worunter aber die Domaineneinku&#x0364;nfte nicht<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">mit</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[221/0241] gethanen Reiſe. aus, deren Verfaſſung ich fuͤr merkwuͤrdig genug hal- te, hier angefuͤhrt zu werden. Das ganze Volk iſt in vier Claſſen getheilt, den Adel, die Kaufleute, die Handwerksleute und die Bauren. Aus dieſen vier Claſſen wird auch der Mu- nicipalmagiſtrat beſetzt. Er beſteht aus drey Conſuln und 24 Raͤthen. Der erſte Conſul wird aus dem Adel gewaͤhlt, der zweyte aus der Kaufmannſchaft, und der dritte wechſelsweiſe aus den Handwerkern und dem Baurenſtande. Ehedem waren alle Stellen der Conſuln und der Raͤthe nur auf ein Jahr, ſeit kurzem aber hat der Hof ſie lebenslang gemacht. Die Raͤthe werden ebenfalls aus den vier Claſſen gewaͤhlt, ſieben von jeder Claſſe mit Jnbegriff des Conſuls. Die taͤglichen Geſchaͤffte werden allein durch die Conſuln beſorget, denen ein Advocat oder Rechtsge- lehrter wegen vorfallender Rechtshaͤndel zugegeben iſt. Nur in wichtigen, die ganze Stadt angehenden Ge- ſchaͤfften werden die Raͤthe verſammelt. Vom Hofe iſt ein Jntendant fuͤr die ganze Grafſchaft geſetzt, und dieſer hat in der Rathsverſammlung den Vorſitz, aber ohne Stimme. Der jetzige adeliche Conſul iſt der Graf von St. André, ein ſehr braver und auch an- genehmer Mann. Dieſe Municipalregierung beſorgt die Policeyan- ſtalten, und verwaltet die Einkuͤnfte der Stadt. Das Collegium der Conſuln aber, oder, wie es hier genennt wird, das Conſulat, ſchlichtet die Zwiſtigkeiten zwi- ſchen den Einwohnern. Jch habe zuverlaͤßig erfahren, daß die jaͤhrlichen Einkuͤnfte der Stadt ſich ohngefaͤhr auf 150000 Lire belaufen, worunter aber die Domaineneinkuͤnfte nicht mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/241
Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/241>, abgerufen am 28.11.2024.