wohnen, und um sich her alles in guter Ordnung, und, ich will nicht sagen zierlichem, sondern nur reinli- chem Stande zu sehen, keine Empfindung zu haben. Besonders befremdete es mich, hier in guten Häusern zum täglichen Gebrauch der Chocolate und des Caffee so wenig Porcellain anzutreffen. Man trinkt aus Tassen von Fayence. Der gemeinere Bürger wohnt durchgehends höchst elend, und erstickt beynahe in Staub und Schmuz.
Jn Ansehung der Kleidung der vornehmen und gemeinern Einwohner der Stadt, findet man hier nichts, als was man überall in Frankreich und Deutsch- land sieht. Eine einzige Sache habe ich hier an Mannspersonen gesehen, die mir nicht übel gefallen hat. Bey etwas kaltem Wetter sieht man sie mit Müffen von Tuch, worin sie die Hände wärmen. Jst es etwas warm, wie in den Mittagsstunden, so tragen sie diese Müffe unter dem Arm; wird es kälter, so wickeln sie dieselben auseinander, und dann sind es Mäntel, die sie sich umhängen.
Ueberhaupt sieht man an den Manieren der hiesi- gen Einwohner noch wenig von dem, was die Jtaliä- ner sonst besonders an sich haben. Darin gleichen sie mehr den Franzosen, als den Jtaliänern. Auch ist die französische Sprache hier ziemlich gemein. Sonst kommt die hiesige Landessprache ziemlich mit der pro- venzalischen überein; obgleich in öffentlichen Geschäff- ten, vor den Gerichten und im Predigen die italiäni- sche Sprache eingeführt ist. Am Ende dieser Be- schreibung werde ich eine Probe der nizzardischen Sprache geben.
Un-
N 4
gethanen Reiſe.
wohnen, und um ſich her alles in guter Ordnung, und, ich will nicht ſagen zierlichem, ſondern nur reinli- chem Stande zu ſehen, keine Empfindung zu haben. Beſonders befremdete es mich, hier in guten Haͤuſern zum taͤglichen Gebrauch der Chocolate und des Caffee ſo wenig Porcellain anzutreffen. Man trinkt aus Taſſen von Fayence. Der gemeinere Buͤrger wohnt durchgehends hoͤchſt elend, und erſtickt beynahe in Staub und Schmuz.
Jn Anſehung der Kleidung der vornehmen und gemeinern Einwohner der Stadt, findet man hier nichts, als was man uͤberall in Frankreich und Deutſch- land ſieht. Eine einzige Sache habe ich hier an Mannsperſonen geſehen, die mir nicht uͤbel gefallen hat. Bey etwas kaltem Wetter ſieht man ſie mit Muͤffen von Tuch, worin ſie die Haͤnde waͤrmen. Jſt es etwas warm, wie in den Mittagsſtunden, ſo tragen ſie dieſe Muͤffe unter dem Arm; wird es kaͤlter, ſo wickeln ſie dieſelben auseinander, und dann ſind es Maͤntel, die ſie ſich umhaͤngen.
Ueberhaupt ſieht man an den Manieren der hieſi- gen Einwohner noch wenig von dem, was die Jtaliaͤ- ner ſonſt beſonders an ſich haben. Darin gleichen ſie mehr den Franzoſen, als den Jtaliaͤnern. Auch iſt die franzoͤſiſche Sprache hier ziemlich gemein. Sonſt kommt die hieſige Landesſprache ziemlich mit der pro- venzaliſchen uͤberein; obgleich in oͤffentlichen Geſchaͤff- ten, vor den Gerichten und im Predigen die italiaͤni- ſche Sprache eingefuͤhrt iſt. Am Ende dieſer Be- ſchreibung werde ich eine Probe der nizzardiſchen Sprache geben.
Un-
N 4
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0219"n="199"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">gethanen Reiſe.</hi></fw><lb/>
wohnen, und um ſich her alles in guter Ordnung,<lb/>
und, ich will nicht ſagen zierlichem, ſondern nur reinli-<lb/>
chem Stande zu ſehen, keine Empfindung zu haben.<lb/>
Beſonders befremdete es mich, hier in guten Haͤuſern<lb/>
zum taͤglichen Gebrauch der Chocolate und des Caffee<lb/>ſo wenig Porcellain anzutreffen. Man trinkt aus<lb/>
Taſſen von <hirendition="#fr">Fayence.</hi> Der gemeinere Buͤrger wohnt<lb/>
durchgehends hoͤchſt elend, und erſtickt beynahe in<lb/>
Staub und Schmuz.</p><lb/><p>Jn Anſehung der Kleidung der vornehmen und<lb/>
gemeinern Einwohner der Stadt, findet man hier<lb/>
nichts, als was man uͤberall in Frankreich und Deutſch-<lb/>
land ſieht. Eine einzige Sache habe ich hier an<lb/>
Mannsperſonen geſehen, die mir nicht uͤbel gefallen<lb/>
hat. Bey etwas kaltem Wetter ſieht man ſie mit<lb/>
Muͤffen von Tuch, worin ſie die Haͤnde waͤrmen. Jſt<lb/>
es etwas warm, wie in den Mittagsſtunden, ſo tragen<lb/>ſie dieſe Muͤffe unter dem Arm; wird es kaͤlter, ſo<lb/>
wickeln ſie dieſelben auseinander, und dann ſind es<lb/>
Maͤntel, die ſie ſich umhaͤngen.</p><lb/><p>Ueberhaupt ſieht man an den Manieren der hieſi-<lb/>
gen Einwohner noch wenig von dem, was die Jtaliaͤ-<lb/>
ner ſonſt beſonders an ſich haben. Darin gleichen ſie<lb/>
mehr den Franzoſen, als den Jtaliaͤnern. Auch iſt<lb/>
die franzoͤſiſche Sprache hier ziemlich gemein. Sonſt<lb/>
kommt die hieſige Landesſprache ziemlich mit der pro-<lb/>
venzaliſchen uͤberein; obgleich in oͤffentlichen Geſchaͤff-<lb/>
ten, vor den Gerichten und im Predigen die italiaͤni-<lb/>ſche Sprache eingefuͤhrt iſt. Am Ende dieſer Be-<lb/>ſchreibung werde ich eine Probe der nizzardiſchen<lb/>
Sprache geben.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">N 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">Un-</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[199/0219]
gethanen Reiſe.
wohnen, und um ſich her alles in guter Ordnung,
und, ich will nicht ſagen zierlichem, ſondern nur reinli-
chem Stande zu ſehen, keine Empfindung zu haben.
Beſonders befremdete es mich, hier in guten Haͤuſern
zum taͤglichen Gebrauch der Chocolate und des Caffee
ſo wenig Porcellain anzutreffen. Man trinkt aus
Taſſen von Fayence. Der gemeinere Buͤrger wohnt
durchgehends hoͤchſt elend, und erſtickt beynahe in
Staub und Schmuz.
Jn Anſehung der Kleidung der vornehmen und
gemeinern Einwohner der Stadt, findet man hier
nichts, als was man uͤberall in Frankreich und Deutſch-
land ſieht. Eine einzige Sache habe ich hier an
Mannsperſonen geſehen, die mir nicht uͤbel gefallen
hat. Bey etwas kaltem Wetter ſieht man ſie mit
Muͤffen von Tuch, worin ſie die Haͤnde waͤrmen. Jſt
es etwas warm, wie in den Mittagsſtunden, ſo tragen
ſie dieſe Muͤffe unter dem Arm; wird es kaͤlter, ſo
wickeln ſie dieſelben auseinander, und dann ſind es
Maͤntel, die ſie ſich umhaͤngen.
Ueberhaupt ſieht man an den Manieren der hieſi-
gen Einwohner noch wenig von dem, was die Jtaliaͤ-
ner ſonſt beſonders an ſich haben. Darin gleichen ſie
mehr den Franzoſen, als den Jtaliaͤnern. Auch iſt
die franzoͤſiſche Sprache hier ziemlich gemein. Sonſt
kommt die hieſige Landesſprache ziemlich mit der pro-
venzaliſchen uͤberein; obgleich in oͤffentlichen Geſchaͤff-
ten, vor den Gerichten und im Predigen die italiaͤni-
ſche Sprache eingefuͤhrt iſt. Am Ende dieſer Be-
ſchreibung werde ich eine Probe der nizzardiſchen
Sprache geben.
Un-
N 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/219>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.