tern, aus ihren Waarengewölbern zu urtheilen, gut zu stehen. Fabrikanten giebt es in Nizza gar nicht.
Das geringe- re Volk.
Der große Haufe, oder das geringere Volk, schei- net hier durchgehends sehr arm zu seyn. Ansehnliche Handwerksleute giebt es hier gar nicht. Man kann auch darum hier in keinem Stücke recht gute Arbeit be- kommen. Die Reichern lassen sich, wenn sie etwas Vorzügliches haben wollen, es aus Frankreich oder aus Genua, oder gar aus England kommen. Die- ses geschieht mit Hüten, Strümpfen, Schuhen u. dgl. gemeinen Sachen. Weil sie alle insgemein im untersten Theil des Hauses ihre offenen Werkstellen haben, so kann man ohne großes Nachforschen sehen, in was für schlechter Verfassung sie sind.
Tagelöhner, außer denen, die sich mit Hin- und Herschleppen der Waaren nach dem Hafen, und von da nach der Stadt abgeben, giebt es hier dem Anse- hen nach sehr wenige. Jch schloß dieses daher, daß zu dem Bau am Hafen, sogar im Steinbruch und bey andern öffentlichen Arbeiten, Weiber, junge Mäd- chen, und sogar Kinder in großer Zahl, und immer 10 gegen eine Mannsperson, zum Stein-Kalk- und Sandherbeyschaffen gebraucht werden. Desto mehr Bettler aber giebt es, die durchgehends mit so gar elenden Lappen behangen sind, daß ein Fremder sie oh- ne Entsetzen nicht ansehen kann.
Die Fischer.
Eine Classe des niedrigen Volks verdienet einer besondern Erwähnung, nämlich die Fischer. Sie machen einen besondern Stamm aus, aus dem ihre Kinder nicht heraus heirathen. Jch hörte, als eine gemeine Sage, daß diese Leute sich von allen an- dern durch einen guten Lebenswandel und bessere Sit-
ten
Tagebuch von einer nach Nizza
tern, aus ihren Waarengewoͤlbern zu urtheilen, gut zu ſtehen. Fabrikanten giebt es in Nizza gar nicht.
Das geringe- re Volk.
Der große Haufe, oder das geringere Volk, ſchei- net hier durchgehends ſehr arm zu ſeyn. Anſehnliche Handwerksleute giebt es hier gar nicht. Man kann auch darum hier in keinem Stuͤcke recht gute Arbeit be- kommen. Die Reichern laſſen ſich, wenn ſie etwas Vorzuͤgliches haben wollen, es aus Frankreich oder aus Genua, oder gar aus England kommen. Die- ſes geſchieht mit Huͤten, Struͤmpfen, Schuhen u. dgl. gemeinen Sachen. Weil ſie alle insgemein im unterſten Theil des Hauſes ihre offenen Werkſtellen haben, ſo kann man ohne großes Nachforſchen ſehen, in was fuͤr ſchlechter Verfaſſung ſie ſind.
Tageloͤhner, außer denen, die ſich mit Hin- und Herſchleppen der Waaren nach dem Hafen, und von da nach der Stadt abgeben, giebt es hier dem Anſe- hen nach ſehr wenige. Jch ſchloß dieſes daher, daß zu dem Bau am Hafen, ſogar im Steinbruch und bey andern oͤffentlichen Arbeiten, Weiber, junge Maͤd- chen, und ſogar Kinder in großer Zahl, und immer 10 gegen eine Mannsperſon, zum Stein-Kalk- und Sandherbeyſchaffen gebraucht werden. Deſto mehr Bettler aber giebt es, die durchgehends mit ſo gar elenden Lappen behangen ſind, daß ein Fremder ſie oh- ne Entſetzen nicht anſehen kann.
Die Fiſcher.
Eine Claſſe des niedrigen Volks verdienet einer beſondern Erwaͤhnung, naͤmlich die Fiſcher. Sie machen einen beſondern Stamm aus, aus dem ihre Kinder nicht heraus heirathen. Jch hoͤrte, als eine gemeine Sage, daß dieſe Leute ſich von allen an- dern durch einen guten Lebenswandel und beſſere Sit-
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Tagebuch von einer nach Nizza
tern, aus ihren Waarengewoͤlbern zu urtheilen, gut
zu ſtehen. Fabrikanten giebt es in Nizza gar nicht.
Der große Haufe, oder das geringere Volk, ſchei-
net hier durchgehends ſehr arm zu ſeyn. Anſehnliche
Handwerksleute giebt es hier gar nicht. Man kann
auch darum hier in keinem Stuͤcke recht gute Arbeit be-
kommen. Die Reichern laſſen ſich, wenn ſie etwas
Vorzuͤgliches haben wollen, es aus Frankreich oder
aus Genua, oder gar aus England kommen. Die-
ſes geſchieht mit Huͤten, Struͤmpfen, Schuhen u.
dgl. gemeinen Sachen. Weil ſie alle insgemein im
unterſten Theil des Hauſes ihre offenen Werkſtellen
haben, ſo kann man ohne großes Nachforſchen ſehen,
in was fuͤr ſchlechter Verfaſſung ſie ſind.
Tageloͤhner, außer denen, die ſich mit Hin- und
Herſchleppen der Waaren nach dem Hafen, und von
da nach der Stadt abgeben, giebt es hier dem Anſe-
hen nach ſehr wenige. Jch ſchloß dieſes daher, daß
zu dem Bau am Hafen, ſogar im Steinbruch und bey
andern oͤffentlichen Arbeiten, Weiber, junge Maͤd-
chen, und ſogar Kinder in großer Zahl, und immer
10 gegen eine Mannsperſon, zum Stein-Kalk- und
Sandherbeyſchaffen gebraucht werden. Deſto mehr
Bettler aber giebt es, die durchgehends mit ſo gar
elenden Lappen behangen ſind, daß ein Fremder ſie oh-
ne Entſetzen nicht anſehen kann.
Eine Claſſe des niedrigen Volks verdienet einer
beſondern Erwaͤhnung, naͤmlich die Fiſcher. Sie
machen einen beſondern Stamm aus, aus dem ihre
Kinder nicht heraus heirathen. Jch hoͤrte, als eine
gemeine Sage, daß dieſe Leute ſich von allen an-
dern durch einen guten Lebenswandel und beſſere Sit-
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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/214>, abgerufen am 23.11.2024.
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