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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

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Tagebuch von einer nach Nizza
zusammenstoßen. Dicht an der Abendseite fließt der
bey trockenem Wetter sehr seichte, zu andern Zeiten
sehr stark anlaufende, und alsdenn sehr breite Fluß
Paglion, der sich hier ins Meer ergießt *). An der
Morgenseite der Stadt aber liegt ein hoher, vom Meer
an einige hundert Schritte ins Land hinein laufender
und ganz einzeln stehender Felsenberg. Auf der be-
trächtlichen, etliche hundert Fuß betragenden Höhe
dieses Felsens lag das ehedem für unüberwindlich ge-
haltene, aber 1704 von dem Marschall de Catinat
eingenommene und jetzt gänzlich zerstörte Schloß
Nizza.

Die ganze Stadt mit diesem Berge, dessen
Grund ohngefähr eben so viel Raum einnimmt, als
die Stadt selbst, kann man gemächlich in weniger als
einer Stunde umgehen.

Zwischen gedachtem Felsenberge und dem wenige
hundert Schritte ostwärts gegenüber liegenden, sich
von der See nordwärts ins Land hineinziehenden Berge
Montalban, liegt der Hafen von Nizza. Seit kur-
zem ist von der Stadt aus an der Seeküste ein sehr
schöner und breiter Weg, 30 bis 60 Fuß hoch über

die
*) Plinius sagt in seiner Geschichte der Natur (III B.
5. C.): Igitur ab Amne Varro Nicaea oppidum a
Massiliensibus conditum; fluvius Padus
u. s. w. Hier
muß offenbar, wie auch in einigen Handschriften
steht, fluvius Palo gelesen werden; denn er meint
den Paglion. Auch die gleich darauf folgenden Wor-
te: Alpes, populi alpini multis nominibus, sed ma-
xime capillati; oppidum Vadiantiorum; civitas
Cemenelion; portus Herculis Monoeci,
gehen alle,
wie aus der Beschreibung des Plinius zu sehen ist,
auf die nahe um Nizza liegenden Oerter.

Tagebuch von einer nach Nizza
zuſammenſtoßen. Dicht an der Abendſeite fließt der
bey trockenem Wetter ſehr ſeichte, zu andern Zeiten
ſehr ſtark anlaufende, und alsdenn ſehr breite Fluß
Paglion, der ſich hier ins Meer ergießt *). An der
Morgenſeite der Stadt aber liegt ein hoher, vom Meer
an einige hundert Schritte ins Land hinein laufender
und ganz einzeln ſtehender Felſenberg. Auf der be-
traͤchtlichen, etliche hundert Fuß betragenden Hoͤhe
dieſes Felſens lag das ehedem fuͤr unuͤberwindlich ge-
haltene, aber 1704 von dem Marſchall de Catinat
eingenommene und jetzt gaͤnzlich zerſtoͤrte Schloß
Nizza.

Die ganze Stadt mit dieſem Berge, deſſen
Grund ohngefaͤhr eben ſo viel Raum einnimmt, als
die Stadt ſelbſt, kann man gemaͤchlich in weniger als
einer Stunde umgehen.

Zwiſchen gedachtem Felſenberge und dem wenige
hundert Schritte oſtwaͤrts gegenuͤber liegenden, ſich
von der See nordwaͤrts ins Land hineinziehenden Berge
Montalban, liegt der Hafen von Nizza. Seit kur-
zem iſt von der Stadt aus an der Seekuͤſte ein ſehr
ſchoͤner und breiter Weg, 30 bis 60 Fuß hoch uͤber

die
*) Plinius ſagt in ſeiner Geſchichte der Natur (III B.
5. C.): Igitur ab Amne Varro Nicaea oppidum a
Maſſilienſibus conditum; fluvius Padus
u. ſ. w. Hier
muß offenbar, wie auch in einigen Handſchriften
ſteht, fluvius Palo geleſen werden; denn er meint
den Paglion. Auch die gleich darauf folgenden Wor-
te: Alpes, populi alpini multis nominibus, ſed ma-
xime capillati; oppidum Vadiantiorum; civitas
Cemenelion; portus Herculis Monoeci,
gehen alle,
wie aus der Beſchreibung des Plinius zu ſehen iſt,
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[178/0198] Tagebuch von einer nach Nizza zuſammenſtoßen. Dicht an der Abendſeite fließt der bey trockenem Wetter ſehr ſeichte, zu andern Zeiten ſehr ſtark anlaufende, und alsdenn ſehr breite Fluß Paglion, der ſich hier ins Meer ergießt *). An der Morgenſeite der Stadt aber liegt ein hoher, vom Meer an einige hundert Schritte ins Land hinein laufender und ganz einzeln ſtehender Felſenberg. Auf der be- traͤchtlichen, etliche hundert Fuß betragenden Hoͤhe dieſes Felſens lag das ehedem fuͤr unuͤberwindlich ge- haltene, aber 1704 von dem Marſchall de Catinat eingenommene und jetzt gaͤnzlich zerſtoͤrte Schloß Nizza. Die ganze Stadt mit dieſem Berge, deſſen Grund ohngefaͤhr eben ſo viel Raum einnimmt, als die Stadt ſelbſt, kann man gemaͤchlich in weniger als einer Stunde umgehen. Zwiſchen gedachtem Felſenberge und dem wenige hundert Schritte oſtwaͤrts gegenuͤber liegenden, ſich von der See nordwaͤrts ins Land hineinziehenden Berge Montalban, liegt der Hafen von Nizza. Seit kur- zem iſt von der Stadt aus an der Seekuͤſte ein ſehr ſchoͤner und breiter Weg, 30 bis 60 Fuß hoch uͤber die *) Plinius ſagt in ſeiner Geſchichte der Natur (III B. 5. C.): Igitur ab Amne Varro Nicaea oppidum a Maſſilienſibus conditum; fluvius Padus u. ſ. w. Hier muß offenbar, wie auch in einigen Handſchriften ſteht, fluvius Palo geleſen werden; denn er meint den Paglion. Auch die gleich darauf folgenden Wor- te: Alpes, populi alpini multis nominibus, ſed ma- xime capillati; oppidum Vadiantiorum; civitas Cemenelion; portus Herculis Monoeci, gehen alle, wie aus der Beſchreibung des Plinius zu ſehen iſt, auf die nahe um Nizza liegenden Oerter.

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/198>, abgerufen am 23.11.2024.