gütern etwa eine Allee von Pappeln, oder von dem Nesselbaum oder Alizier, wie er hier genennt wird. (Celtio fructu nigro, Tournef.) Die Häuser sind also das Vornehmste, und dienen den Eigenthümern insgemein vom Sonnabend Abend bis an den nächsten Montag zur Ergötzlichkeit. Mit einer Familie im Sommer da zu wohnen, würde wegen der großen Hi- tze und Mangel des Schattens nicht angehen.
Eine Meile von Marseille erweitert sich das enge Thal, wodurch man fährt, etwas; man siehet jetzt linker Hand am Wege einige angenehme Wiesen, ei- ne in diesem Lande seltene Sache; und das Land ist stark mit Bäumen besetzt. Bey jetziger Jahreszeit, da die Blätter der Bäume ihre Farbe verändern, ist hier die Aussicht sehr angenehm. Von beyden Sei- ten der Straße sieht man steile Berge, zwischen de- nen die Straße geht. Auf diesen wechselt die weißli- che und graue Farbe der Felsen mit dem hellen Grün der überall dazwischen wachsenden Pinaster, und dem dunkeln Grün der Steineiche ab. Jm Grunde ge- ben die Weinreben, die jetzt grüne, gelbe und rothe Blätter haben, das blasse Grün der Olivenbäume, die Maulbeerbäume, die Wiesen, Aecker, und die überall herum zerstreuten kleinen Gebäude eine große Mannichfaltigkeit von Formen und Farben zu sehen.
Ueber Aubagne hin wird das Thal wieder enger, und etwa eine Stunde weit hinter diesem Orte stoßen die Berge, die man bis dahin zur Seite gehabt hat, zusammen, und verschließen das Thal. Nun geht der Weg allmählig in die Höhe und über diese Berge weg. Sie sind hier etwas dichter mit Pinastern
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Tagebuch von einer nach Nizza
guͤtern etwa eine Allee von Pappeln, oder von dem Neſſelbaum oder Alizier, wie er hier genennt wird. (Celtio fructu nigro, Tournef.) Die Haͤuſer ſind alſo das Vornehmſte, und dienen den Eigenthuͤmern insgemein vom Sonnabend Abend bis an den naͤchſten Montag zur Ergoͤtzlichkeit. Mit einer Familie im Sommer da zu wohnen, wuͤrde wegen der großen Hi- tze und Mangel des Schattens nicht angehen.
Eine Meile von Marſeille erweitert ſich das enge Thal, wodurch man faͤhrt, etwas; man ſiehet jetzt linker Hand am Wege einige angenehme Wieſen, ei- ne in dieſem Lande ſeltene Sache; und das Land iſt ſtark mit Baͤumen beſetzt. Bey jetziger Jahreszeit, da die Blaͤtter der Baͤume ihre Farbe veraͤndern, iſt hier die Ausſicht ſehr angenehm. Von beyden Sei- ten der Straße ſieht man ſteile Berge, zwiſchen de- nen die Straße geht. Auf dieſen wechſelt die weißli- che und graue Farbe der Felſen mit dem hellen Gruͤn der uͤberall dazwiſchen wachſenden Pinaſter, und dem dunkeln Gruͤn der Steineiche ab. Jm Grunde ge- ben die Weinreben, die jetzt gruͤne, gelbe und rothe Blaͤtter haben, das blaſſe Gruͤn der Olivenbaͤume, die Maulbeerbaͤume, die Wieſen, Aecker, und die uͤberall herum zerſtreuten kleinen Gebaͤude eine große Mannichfaltigkeit von Formen und Farben zu ſehen.
Ueber Aubagne hin wird das Thal wieder enger, und etwa eine Stunde weit hinter dieſem Orte ſtoßen die Berge, die man bis dahin zur Seite gehabt hat, zuſammen, und verſchließen das Thal. Nun geht der Weg allmaͤhlig in die Hoͤhe und uͤber dieſe Berge weg. Sie ſind hier etwas dichter mit Pinaſtern
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Tagebuch von einer nach Nizza
guͤtern etwa eine Allee von Pappeln, oder von dem
Neſſelbaum oder Alizier, wie er hier genennt wird.
(Celtio fructu nigro, Tournef.) Die Haͤuſer ſind
alſo das Vornehmſte, und dienen den Eigenthuͤmern
insgemein vom Sonnabend Abend bis an den naͤchſten
Montag zur Ergoͤtzlichkeit. Mit einer Familie im
Sommer da zu wohnen, wuͤrde wegen der großen Hi-
tze und Mangel des Schattens nicht angehen.
Eine Meile von Marſeille erweitert ſich das enge
Thal, wodurch man faͤhrt, etwas; man ſiehet jetzt
linker Hand am Wege einige angenehme Wieſen, ei-
ne in dieſem Lande ſeltene Sache; und das Land iſt
ſtark mit Baͤumen beſetzt. Bey jetziger Jahreszeit,
da die Blaͤtter der Baͤume ihre Farbe veraͤndern, iſt
hier die Ausſicht ſehr angenehm. Von beyden Sei-
ten der Straße ſieht man ſteile Berge, zwiſchen de-
nen die Straße geht. Auf dieſen wechſelt die weißli-
che und graue Farbe der Felſen mit dem hellen Gruͤn
der uͤberall dazwiſchen wachſenden Pinaſter, und dem
dunkeln Gruͤn der Steineiche ab. Jm Grunde ge-
ben die Weinreben, die jetzt gruͤne, gelbe und rothe
Blaͤtter haben, das blaſſe Gruͤn der Olivenbaͤume,
die Maulbeerbaͤume, die Wieſen, Aecker, und die
uͤberall herum zerſtreuten kleinen Gebaͤude eine große
Mannichfaltigkeit von Formen und Farben zu ſehen.
Ueber Aubagne hin wird das Thal wieder enger,
und etwa eine Stunde weit hinter dieſem Orte ſtoßen
die Berge, die man bis dahin zur Seite gehabt hat,
zuſammen, und verſchließen das Thal. Nun geht
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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/144>, abgerufen am 22.07.2024.
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