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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

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Tagebuch von einer nach Nizza
fen durch eine zwischen zwey hohen Felsen durchgehen-
de enge Einfahrt abgesondert, so daß man aus der of-
fenen Bucht von der Abendseite her in den Hafen
kommt. An der östlichen Seite des Hafens läuft al-
so die vorher erwähnte aus ziemlich hohen Bergen be-
stende Küste von Norden nach Süden hin. An die-
sen Bergen und der schmalen Ebene unten an densel-
ben ist die Stadt gebaut: die ältere Stadt in der
Höhe gegen den Berg an, die neuere in der Tiefe an
dem Hafen, um welche sie sich so herum zieht, daß
sie ihn beynahe ganz einfasset.

Eine sehr lange, ganz gerade und schöne Straße,
die von Norden nach Süden läuft, scheidet die alte
oder obere Stadt von der neuern oder untern. Die
nördliche Hälfte dieser Straße ist sehr breit, und nur
an beyden Seiten gepflastert; in der Mitte aber ist
ein breiter, auf beyden Seiten mit hohen Bäumen
besetzter Platz zum Spazierengehen ungepflastert ge-
lassen. Eine solche Straße wird von den Franzosen
Cours genannt, von dem italiänischen Namen Cor-
so,
eine Rennbahn, vermuthlich, weil in den ältern
Zeiten, da man noch mehr als jetzt auf starke Leibes-
übungen hielt, in solchen Straßen Rennspiele gehal-
ten worden. Die andre südliche Hälfte dieser Straße
ist etwas weniger breit, ohne Cours und ohne Bäu-
me, folglich ganz gepflastert, hat aber an beyden Sei-
ten hohe schöne und nach sehr guter, wiewohl einfacher
Art gebaute Häuser. Die ganze Straße schien mir
beynahe eine Stunde Weges lang.

Mitten aus dieser Straße läuft eine andre sehr
breite Straße gerade gegen Abend hin nach dem Ha-
fen. Sie ist ebenfalls in der Mitte ungepflastert,

und

Tagebuch von einer nach Nizza
fen durch eine zwiſchen zwey hohen Felſen durchgehen-
de enge Einfahrt abgeſondert, ſo daß man aus der of-
fenen Bucht von der Abendſeite her in den Hafen
kommt. An der oͤſtlichen Seite des Hafens laͤuft al-
ſo die vorher erwaͤhnte aus ziemlich hohen Bergen be-
ſtende Kuͤſte von Norden nach Suͤden hin. An die-
ſen Bergen und der ſchmalen Ebene unten an denſel-
ben iſt die Stadt gebaut: die aͤltere Stadt in der
Hoͤhe gegen den Berg an, die neuere in der Tiefe an
dem Hafen, um welche ſie ſich ſo herum zieht, daß
ſie ihn beynahe ganz einfaſſet.

Eine ſehr lange, ganz gerade und ſchoͤne Straße,
die von Norden nach Suͤden laͤuft, ſcheidet die alte
oder obere Stadt von der neuern oder untern. Die
noͤrdliche Haͤlfte dieſer Straße iſt ſehr breit, und nur
an beyden Seiten gepflaſtert; in der Mitte aber iſt
ein breiter, auf beyden Seiten mit hohen Baͤumen
beſetzter Platz zum Spazierengehen ungepflaſtert ge-
laſſen. Eine ſolche Straße wird von den Franzoſen
Cours genannt, von dem italiaͤniſchen Namen Cor-
ſo,
eine Rennbahn, vermuthlich, weil in den aͤltern
Zeiten, da man noch mehr als jetzt auf ſtarke Leibes-
uͤbungen hielt, in ſolchen Straßen Rennſpiele gehal-
ten worden. Die andre ſuͤdliche Haͤlfte dieſer Straße
iſt etwas weniger breit, ohne Cours und ohne Baͤu-
me, folglich ganz gepflaſtert, hat aber an beyden Sei-
ten hohe ſchoͤne und nach ſehr guter, wiewohl einfacher
Art gebaute Haͤuſer. Die ganze Straße ſchien mir
beynahe eine Stunde Weges lang.

Mitten aus dieſer Straße laͤuft eine andre ſehr
breite Straße gerade gegen Abend hin nach dem Ha-
fen. Sie iſt ebenfalls in der Mitte ungepflaſtert,

und
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[118/0138] Tagebuch von einer nach Nizza fen durch eine zwiſchen zwey hohen Felſen durchgehen- de enge Einfahrt abgeſondert, ſo daß man aus der of- fenen Bucht von der Abendſeite her in den Hafen kommt. An der oͤſtlichen Seite des Hafens laͤuft al- ſo die vorher erwaͤhnte aus ziemlich hohen Bergen be- ſtende Kuͤſte von Norden nach Suͤden hin. An die- ſen Bergen und der ſchmalen Ebene unten an denſel- ben iſt die Stadt gebaut: die aͤltere Stadt in der Hoͤhe gegen den Berg an, die neuere in der Tiefe an dem Hafen, um welche ſie ſich ſo herum zieht, daß ſie ihn beynahe ganz einfaſſet. Eine ſehr lange, ganz gerade und ſchoͤne Straße, die von Norden nach Suͤden laͤuft, ſcheidet die alte oder obere Stadt von der neuern oder untern. Die noͤrdliche Haͤlfte dieſer Straße iſt ſehr breit, und nur an beyden Seiten gepflaſtert; in der Mitte aber iſt ein breiter, auf beyden Seiten mit hohen Baͤumen beſetzter Platz zum Spazierengehen ungepflaſtert ge- laſſen. Eine ſolche Straße wird von den Franzoſen Cours genannt, von dem italiaͤniſchen Namen Cor- ſo, eine Rennbahn, vermuthlich, weil in den aͤltern Zeiten, da man noch mehr als jetzt auf ſtarke Leibes- uͤbungen hielt, in ſolchen Straßen Rennſpiele gehal- ten worden. Die andre ſuͤdliche Haͤlfte dieſer Straße iſt etwas weniger breit, ohne Cours und ohne Baͤu- me, folglich ganz gepflaſtert, hat aber an beyden Sei- ten hohe ſchoͤne und nach ſehr guter, wiewohl einfacher Art gebaute Haͤuſer. Die ganze Straße ſchien mir beynahe eine Stunde Weges lang. Mitten aus dieſer Straße laͤuft eine andre ſehr breite Straße gerade gegen Abend hin nach dem Ha- fen. Sie iſt ebenfalls in der Mitte ungepflaſtert, und

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/138>, abgerufen am 02.05.2024.