Den 24 Octob. Von La Palud über Orange nach Avignon; wird acht starke provencische Meilen gerechnet.
Die erste Meile geht längst hoher felsiger Hügel, die linker Hand an der Straße stehen. Wegen der hier und da vorkommenden seltenen Gestalten dieser Hügel und einiger sonderbaren Ansichten derselben ist der Weg nicht unangenehm, besonders nahe bey Mont Dragon. Gleich hinter diesem Ort bekommt man die ersten Olivenbäume zu sehen. Zwischen Mont Dragon und Orange ist das Land noch ziem- lich fruchtbar, und wird immer schöner, je näher man gegen diesen letzten Ort hinkommt, wo man gute Aecker und schöne Wiesen in einer ziemlich weiten Ebe- ne findet.
Diese kleine nicht angenehme Stadt liegt an derOrange. Nordostseite eines rauhen, meist aus kahlen Felsen be- stehenden, aber nicht hohen Berges. Vor ihr liegt eine fruchtbare angenehme Ebene, durch welche ver- schiedene kleine Bäche fließen. Gegen Mittag ist die- se schöne Gegend von kahlen, wie aus dürren Knochen bestehenden Höhen umgeben.
Wenn man etwa noch tausend Schritt von der Stadt entfernt ist, bekommt man den schönen, nahe an der Stadt stehenden Triumphbogen des Marius ins Gesicht, an dem die Straße vorbey geht. Die- ses schöne und sehr wohl erhaltene Monument hat ein feines Ansehen, und muß, im Ganzen genommen, jedem Auge wegen der guten Verhältnisse der Theile wohl gefallen. Jch mußte mich begnügen, dieses schöne Werk nur aus dem Wagen zu sehen, weil die-
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gethanen Reiſe.
Den 24 Octob. Von La Palud uͤber Orange nach Avignon; wird acht ſtarke provenciſche Meilen gerechnet.
Die erſte Meile geht laͤngſt hoher felſiger Huͤgel, die linker Hand an der Straße ſtehen. Wegen der hier und da vorkommenden ſeltenen Geſtalten dieſer Huͤgel und einiger ſonderbaren Anſichten derſelben iſt der Weg nicht unangenehm, beſonders nahe bey Mont Dragon. Gleich hinter dieſem Ort bekommt man die erſten Olivenbaͤume zu ſehen. Zwiſchen Mont Dragon und Orange iſt das Land noch ziem- lich fruchtbar, und wird immer ſchoͤner, je naͤher man gegen dieſen letzten Ort hinkommt, wo man gute Aecker und ſchoͤne Wieſen in einer ziemlich weiten Ebe- ne findet.
Dieſe kleine nicht angenehme Stadt liegt an derOrange. Nordoſtſeite eines rauhen, meiſt aus kahlen Felſen be- ſtehenden, aber nicht hohen Berges. Vor ihr liegt eine fruchtbare angenehme Ebene, durch welche ver- ſchiedene kleine Baͤche fließen. Gegen Mittag iſt die- ſe ſchoͤne Gegend von kahlen, wie aus duͤrren Knochen beſtehenden Hoͤhen umgeben.
Wenn man etwa noch tauſend Schritt von der Stadt entfernt iſt, bekommt man den ſchoͤnen, nahe an der Stadt ſtehenden Triumphbogen des Marius ins Geſicht, an dem die Straße vorbey geht. Die- ſes ſchoͤne und ſehr wohl erhaltene Monument hat ein feines Anſehen, und muß, im Ganzen genommen, jedem Auge wegen der guten Verhaͤltniſſe der Theile wohl gefallen. Jch mußte mich begnuͤgen, dieſes ſchoͤne Werk nur aus dem Wagen zu ſehen, weil die-
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gethanen Reiſe.
Den 24 Octob. Von La Palud uͤber Orange
nach Avignon; wird acht ſtarke provenciſche
Meilen gerechnet.
Die erſte Meile geht laͤngſt hoher felſiger Huͤgel,
die linker Hand an der Straße ſtehen. Wegen der
hier und da vorkommenden ſeltenen Geſtalten dieſer
Huͤgel und einiger ſonderbaren Anſichten derſelben iſt
der Weg nicht unangenehm, beſonders nahe bey
Mont Dragon. Gleich hinter dieſem Ort bekommt
man die erſten Olivenbaͤume zu ſehen. Zwiſchen
Mont Dragon und Orange iſt das Land noch ziem-
lich fruchtbar, und wird immer ſchoͤner, je naͤher
man gegen dieſen letzten Ort hinkommt, wo man gute
Aecker und ſchoͤne Wieſen in einer ziemlich weiten Ebe-
ne findet.
Dieſe kleine nicht angenehme Stadt liegt an der
Nordoſtſeite eines rauhen, meiſt aus kahlen Felſen be-
ſtehenden, aber nicht hohen Berges. Vor ihr liegt
eine fruchtbare angenehme Ebene, durch welche ver-
ſchiedene kleine Baͤche fließen. Gegen Mittag iſt die-
ſe ſchoͤne Gegend von kahlen, wie aus duͤrren Knochen
beſtehenden Hoͤhen umgeben.
Orange.
Wenn man etwa noch tauſend Schritt von der
Stadt entfernt iſt, bekommt man den ſchoͤnen, nahe
an der Stadt ſtehenden Triumphbogen des Marius
ins Geſicht, an dem die Straße vorbey geht. Die-
ſes ſchoͤne und ſehr wohl erhaltene Monument hat ein
feines Anſehen, und muß, im Ganzen genommen,
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wohl gefallen. Jch mußte mich begnuͤgen, dieſes
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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/119>, abgerufen am 23.11.2024.
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