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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

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Tagebuch von einer nach Nizza
hoch. Oben aus diesen Stubben läßt man das trag-
bare Holz treiben, das jährlich bis auf zwey Augen
herunter geschnitten wird. Die neu austreibenden
Schosse werden denn weiter nicht angebunden; und so
erspart man durch das ganze mittägliche Frankreich
die kostbaren Rebstöcke, die an andern Orten den Ge-
winn des Weinbaues stark vermindern. Diese Art,
die Weinreben zu ziehen, ist schon in alten Zeiten ge-
wöhnlich gewesen; denn Cato oder Columella be-
schreibt sie deutlich.

Weiter hin fährt man über große Felder, die
ziemlich dicht mit Maulbeer-Mandel-Castanien- und
Nußbäumen besetzt sind, und dabey doch noch Getraide
tragen. Diese Menge und Mannichfaltigkeit der
Bäume macht das Land angenehm.

Eine halbe Stunde vor Lauriole kommt man
über die Drome, einen seichten, aber bey Regen-
und Frühlingsthauwetter sehr reissenden und gefährli-
chen Strom, der aus den gegen Morgen liegenden
Bergen herkommt, und sich hier ein sehr breites Bett
ausgegraben hat. Es gieng sonst eine hölzerne Brü-
cke darüber, die aber zu wiederholtenmalen vom
Strom weggeführt worden ist. Jetzt wird eine ganz
prächtige steinerne Brücke von großen Quaderstücken,
mit Marmor bekleidet, gebaut, und wird bald fertig
seyn; ein wahrhaftig königliches Werk. Sie hat
drey Bogen, davon der mittlere 14 Toisen oder 84
Fuß, von den beyden andern jeder 12 Toisen weit ist.
Eine solche Brücke würde selbst der schönsten Stadt
zur Zierde gereichen.

Um

Tagebuch von einer nach Nizza
hoch. Oben aus dieſen Stubben laͤßt man das trag-
bare Holz treiben, das jaͤhrlich bis auf zwey Augen
herunter geſchnitten wird. Die neu austreibenden
Schoſſe werden denn weiter nicht angebunden; und ſo
erſpart man durch das ganze mittaͤgliche Frankreich
die koſtbaren Rebſtoͤcke, die an andern Orten den Ge-
winn des Weinbaues ſtark vermindern. Dieſe Art,
die Weinreben zu ziehen, iſt ſchon in alten Zeiten ge-
woͤhnlich geweſen; denn Cato oder Columella be-
ſchreibt ſie deutlich.

Weiter hin faͤhrt man uͤber große Felder, die
ziemlich dicht mit Maulbeer-Mandel-Caſtanien- und
Nußbaͤumen beſetzt ſind, und dabey doch noch Getraide
tragen. Dieſe Menge und Mannichfaltigkeit der
Baͤume macht das Land angenehm.

Eine halbe Stunde vor Lauriole kommt man
uͤber die Drome, einen ſeichten, aber bey Regen-
und Fruͤhlingsthauwetter ſehr reiſſenden und gefaͤhrli-
chen Strom, der aus den gegen Morgen liegenden
Bergen herkommt, und ſich hier ein ſehr breites Bett
ausgegraben hat. Es gieng ſonſt eine hoͤlzerne Bruͤ-
cke daruͤber, die aber zu wiederholtenmalen vom
Strom weggefuͤhrt worden iſt. Jetzt wird eine ganz
praͤchtige ſteinerne Bruͤcke von großen Quaderſtuͤcken,
mit Marmor bekleidet, gebaut, und wird bald fertig
ſeyn; ein wahrhaftig koͤnigliches Werk. Sie hat
drey Bogen, davon der mittlere 14 Toiſen oder 84
Fuß, von den beyden andern jeder 12 Toiſen weit iſt.
Eine ſolche Bruͤcke wuͤrde ſelbſt der ſchoͤnſten Stadt
zur Zierde gereichen.

Um
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[96/0116] Tagebuch von einer nach Nizza hoch. Oben aus dieſen Stubben laͤßt man das trag- bare Holz treiben, das jaͤhrlich bis auf zwey Augen herunter geſchnitten wird. Die neu austreibenden Schoſſe werden denn weiter nicht angebunden; und ſo erſpart man durch das ganze mittaͤgliche Frankreich die koſtbaren Rebſtoͤcke, die an andern Orten den Ge- winn des Weinbaues ſtark vermindern. Dieſe Art, die Weinreben zu ziehen, iſt ſchon in alten Zeiten ge- woͤhnlich geweſen; denn Cato oder Columella be- ſchreibt ſie deutlich. Weiter hin faͤhrt man uͤber große Felder, die ziemlich dicht mit Maulbeer-Mandel-Caſtanien- und Nußbaͤumen beſetzt ſind, und dabey doch noch Getraide tragen. Dieſe Menge und Mannichfaltigkeit der Baͤume macht das Land angenehm. Eine halbe Stunde vor Lauriole kommt man uͤber die Drome, einen ſeichten, aber bey Regen- und Fruͤhlingsthauwetter ſehr reiſſenden und gefaͤhrli- chen Strom, der aus den gegen Morgen liegenden Bergen herkommt, und ſich hier ein ſehr breites Bett ausgegraben hat. Es gieng ſonſt eine hoͤlzerne Bruͤ- cke daruͤber, die aber zu wiederholtenmalen vom Strom weggefuͤhrt worden iſt. Jetzt wird eine ganz praͤchtige ſteinerne Bruͤcke von großen Quaderſtuͤcken, mit Marmor bekleidet, gebaut, und wird bald fertig ſeyn; ein wahrhaftig koͤnigliches Werk. Sie hat drey Bogen, davon der mittlere 14 Toiſen oder 84 Fuß, von den beyden andern jeder 12 Toiſen weit iſt. Eine ſolche Bruͤcke wuͤrde ſelbſt der ſchoͤnſten Stadt zur Zierde gereichen. Um

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/116>, abgerufen am 22.11.2024.