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Sulzer, Johann Georg: Beschreibung einiger Merckwüdigkeiten, Welche er in einer Ao. 1742. gemachten Berg-Reise durch einige Oerter der Schweitz beobachtet hat. Zürich, 1742.

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Beschreibung einiger Merckwürdigkeiten
die Wolcken über die Rigi hinauf steigen, und so hoch stehen, als
die oberste Spitze des Pilatus-Bergs, so ist die Luft schwerer. (*)

Nachdem man von dem Herr Gotts-Wald eine gute Stunde
durch zimlich richtige Wege in die Höhe gestiegen, kommt man in
ein Berg-Thal, welches das Eigenthal genennt wird. Von der
Beschaffenheit der Oerter, durch welche man kommt, kan ich nicht
viel sagen, weil wir diesen Weg bey dicker Finsterniß der Nacht, in
Begleit eines sehr schwachen Lichts, gemacht haben. Dieses habe
ich empfunden, daß wir oft durch zimlich hohes Graß haben gehen
müssen. Jm Eigenthal blieben wir in einer Senn-Hütte übernacht.

An diesem Tage reißten wir von Küßnacht
auf Lucern über See 3. St.
von Lucern auf Kriens 1. St.
von Kriens in Herr Gotts-Wald 1. St.
in das Eigenthal 1. St.
Summa 6. Stund.
Eigenthal.

Das Eigenthal ist zimlich fruchtbar, hat neben den Weyden
auch noch Wiesen, da man das Graß abmähet, und auch einige Fel-
der, da Korn, Roggen und Gersten wächßt, welches sonst auf den
Bergen etwas rares ist. Daher die Sennen hier länger, als auf an-
dern Alpen bleiben können, indem sie vom May-Monat bis auf

St.
(*) Man könte hieraus eine etwelche Abmessung der respectiven Höhen der Berge
haben. Denn wo die Luft gleich schwer ist, da müssen die Wolcken, ausge-
nommen bey windigtem Wetter, ungefehr in gleicher Höhe stehen. Wenn
man also zu gleicher Zeit eine Wolcke an dem Gipfel des Berges siehet, und
eine andre Wolcke an einem andern Berg, so kan man ohne grossen Jrrthum
setzen, daß der Ort, wo sich die Wolcke in dem andern Berge setzt, so hoch sey,
als der Gipfel des Berges, auf welchem die Wolcke stehet. Wenn man durch
andre Versuche den Unterscheid der Höhen an zweyen auch weit voneinander
entlegnen Oertern wüßte, und die Schwere der Luft an beyden Orten respec-
tive gleich wäre, (welches man durch den Barometer erfahren kan) so könte
diese respective Abmessung der Berge auch geschehen. Auf diesen Grund
könte man schliessen, daß der Kiphauser-Berg, in dem Fürstenthum Schwarz-
burg, so hoch sey als die Rigi. Denn wenn sich die Wolcken an die Spitze
desselben herab lassen, so gibt es auch Regen; daher das Sprichwort:
Steht Kayser Friedrich ohne Hut
Jst das Wetter fein und gut;
Jst er mit dem Hut zu sehn/
Wird das Wetter nicht bestehn.

S. Alberti Ritter Lucubratiuncula II. de Alabastris Schvvarzburgi-
cis. pag.
13.

Beſchreibung einiger Merckwuͤrdigkeiten
die Wolcken uͤber die Rigi hinauf ſteigen, und ſo hoch ſtehen, als
die oberſte Spitze des Pilatus-Bergs, ſo iſt die Luft ſchwerer. (*)

Nachdem man von dem Herꝛ Gotts-Wald eine gute Stunde
durch zimlich richtige Wege in die Hoͤhe geſtiegen, kommt man in
ein Berg-Thal, welches das Eigenthal genennt wird. Von der
Beſchaffenheit der Oerter, durch welche man kommt, kan ich nicht
viel ſagen, weil wir dieſen Weg bey dicker Finſterniß der Nacht, in
Begleit eines ſehr ſchwachen Lichts, gemacht haben. Dieſes habe
ich empfunden, daß wir oft durch zimlich hohes Graß haben gehen
muͤſſen. Jm Eigenthal blieben wir in einer Senn-Huͤtte uͤbernacht.

An dieſem Tage reißten wir von Kuͤßnacht
auf Lucern uͤber See 3. St.
von Lucern auf Kriens 1. St.
von Kriens in Herꝛ Gotts-Wald 1. St.
in das Eigenthal 1. St.
Summa 6. Stund.
Eigenthal.

Das Eigenthal iſt zimlich fruchtbar, hat neben den Weyden
auch noch Wieſen, da man das Graß abmaͤhet, und auch einige Fel-
der, da Korn, Roggen und Gerſten waͤchßt, welches ſonſt auf den
Bergen etwas rares iſt. Daher die Sennen hier laͤnger, als auf an-
dern Alpen bleiben koͤnnen, indem ſie vom May-Monat bis auf

St.
(*) Man koͤnte hieraus eine etwelche Abmeſſung der reſpectiven Hoͤhen der Berge
haben. Denn wo die Luft gleich ſchwer iſt, da muͤſſen die Wolcken, ausge-
nommen bey windigtem Wetter, ungefehr in gleicher Hoͤhe ſtehen. Wenn
man alſo zu gleicher Zeit eine Wolcke an dem Gipfel des Berges ſiehet, und
eine andre Wolcke an einem andern Berg, ſo kan man ohne groſſen Jrꝛthum
ſetzen, daß der Ort, wo ſich die Wolcke in dem andern Berge ſetzt, ſo hoch ſey,
als der Gipfel des Berges, auf welchem die Wolcke ſtehet. Wenn man durch
andre Verſuche den Unterſcheid der Hoͤhen an zweyen auch weit voneinander
entlegnen Oertern wuͤßte, und die Schwere der Luft an beyden Orten reſpec-
tive gleich waͤre, (welches man durch den Barometer erfahren kan) ſo koͤnte
dieſe reſpective Abmeſſung der Berge auch geſchehen. Auf dieſen Grund
koͤnte man ſchlieſſen, daß der Kiphauſer-Berg, in dem Fuͤrſtenthum Schwarz-
burg, ſo hoch ſey als die Rigi. Denn wenn ſich die Wolcken an die Spitze
deſſelben herab laſſen, ſo gibt es auch Regen; daher das Sprichwort:
Steht Kayſer Friedrich ohne Hut
Jſt das Wetter fein und gut;
Jſt er mit dem Hut zu ſehn/
Wird das Wetter nicht beſtehn.

S. Alberti Ritter Lucubratiuncula II. de Alabaſtris Schvvarzburgi-
cis. pag.
13.
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[40/0045] Beſchreibung einiger Merckwuͤrdigkeiten die Wolcken uͤber die Rigi hinauf ſteigen, und ſo hoch ſtehen, als die oberſte Spitze des Pilatus-Bergs, ſo iſt die Luft ſchwerer. (*) Nachdem man von dem Herꝛ Gotts-Wald eine gute Stunde durch zimlich richtige Wege in die Hoͤhe geſtiegen, kommt man in ein Berg-Thal, welches das Eigenthal genennt wird. Von der Beſchaffenheit der Oerter, durch welche man kommt, kan ich nicht viel ſagen, weil wir dieſen Weg bey dicker Finſterniß der Nacht, in Begleit eines ſehr ſchwachen Lichts, gemacht haben. Dieſes habe ich empfunden, daß wir oft durch zimlich hohes Graß haben gehen muͤſſen. Jm Eigenthal blieben wir in einer Senn-Huͤtte uͤbernacht. An dieſem Tage reißten wir von Kuͤßnacht auf Lucern uͤber See 3. St. von Lucern auf Kriens 1. St. von Kriens in Herꝛ Gotts-Wald 1. St. in das Eigenthal 1. St. Summa 6. Stund. Das Eigenthal iſt zimlich fruchtbar, hat neben den Weyden auch noch Wieſen, da man das Graß abmaͤhet, und auch einige Fel- der, da Korn, Roggen und Gerſten waͤchßt, welches ſonſt auf den Bergen etwas rares iſt. Daher die Sennen hier laͤnger, als auf an- dern Alpen bleiben koͤnnen, indem ſie vom May-Monat bis auf St. (*) Man koͤnte hieraus eine etwelche Abmeſſung der reſpectiven Hoͤhen der Berge haben. Denn wo die Luft gleich ſchwer iſt, da muͤſſen die Wolcken, ausge- nommen bey windigtem Wetter, ungefehr in gleicher Hoͤhe ſtehen. Wenn man alſo zu gleicher Zeit eine Wolcke an dem Gipfel des Berges ſiehet, und eine andre Wolcke an einem andern Berg, ſo kan man ohne groſſen Jrꝛthum ſetzen, daß der Ort, wo ſich die Wolcke in dem andern Berge ſetzt, ſo hoch ſey, als der Gipfel des Berges, auf welchem die Wolcke ſtehet. Wenn man durch andre Verſuche den Unterſcheid der Hoͤhen an zweyen auch weit voneinander entlegnen Oertern wuͤßte, und die Schwere der Luft an beyden Orten reſpec- tive gleich waͤre, (welches man durch den Barometer erfahren kan) ſo koͤnte dieſe reſpective Abmeſſung der Berge auch geſchehen. Auf dieſen Grund koͤnte man ſchlieſſen, daß der Kiphauſer-Berg, in dem Fuͤrſtenthum Schwarz- burg, ſo hoch ſey als die Rigi. Denn wenn ſich die Wolcken an die Spitze deſſelben herab laſſen, ſo gibt es auch Regen; daher das Sprichwort: Steht Kayſer Friedrich ohne Hut Jſt das Wetter fein und gut; Jſt er mit dem Hut zu ſehn/ Wird das Wetter nicht beſtehn. S. Alberti Ritter Lucubratiuncula II. de Alabaſtris Schvvarzburgi- cis. pag. 13.

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Beschreibung einiger Merckwüdigkeiten, Welche er in einer Ao. 1742. gemachten Berg-Reise durch einige Oerter der Schweitz beobachtet hat. Zürich, 1742, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1742/45>, abgerufen am 18.04.2024.