Sulzer, Johann Georg: Beschreibung einiger Merckwüdigkeiten, Welche er in einer Ao. 1742. gemachten Berg-Reise durch einige Oerter der Schweitz beobachtet hat. Zürich, 1742.des Schweitzerlandes. Jn Zeit von einer halben Stunde war alles hell, und wir hattendie schönste Aussicht von der Welt, und konten 10. grosse und kleine Seen zehlen, die wir übersehen konten. Diese schnelle Veränderung und Aufsteigung der Wolcken muß nothwendig von einer schnellen Verdichterung der Luft entstanden seyn, welche die Wolcken und Nebel, weil sie leichter waren, in die Höhe getrieben; denn von dem Winde kam dieses nicht, weil die Wolcken von allen Seiten her herauf flogen. Es wähete nun ein zimlich starcker Wind, (*) ob es gleich in dem Thale still war, (wie wir aus den unten liegenden Seen ab- genommen) und war dabey sehr kalt. Das Thermometrum fiel,Kälte. nachdem dasselbe etliche Minuten lang der Luft exponirt ward, auf 44. Gr. Jn dem kalten Bade aber, wo es 3. Minuten lang gestanden, fiel dasselbe auf 42. Gr. da doch dieses Wasser vor eines der kältesten gehalten wird. Weil es Abend war, so begaben wir uns allgemach durch zimlich An diesem Tage reißten wir vom Dächlein auf die Rigi zum Closter 1. St. vom Closter zum kalten Bade 2. St. von dannen auf Rigi-Stafel 1. St. - - Rigi-Culm 1. St. - - Küßnacht 21/2. St. Summa 71/2. Stund.Nachdem ich also alles merckwürdige angebracht habe, das uns gen (*) Es ist in dem Schweitzerlande nichts neues, daß die Winde in der Höhe starck wähen, da es in der Tieffe still, oder daß sie in der Tieffe wähen, und oft sehr wüten, da es auf der Höhe still ist. Dieses kommt von den Bergen her. Wenn der Wind aus einem andern Lande über die Berge herkommt, so kan er das Thal nicht wol durchstreichen. Entstehet er, wie oft geschiehet, in den Bergen selbst von den Cryptis aeoliis, so kan er in der Höhe nicht wähen, wenn die Crypta niedrig liegt. Liegt sie hoch, so kommt er nicht in die Tieffe. E 2
des Schweitzerlandes. Jn Zeit von einer halben Stunde war alles hell, und wir hattendie ſchoͤnſte Ausſicht von der Welt, und konten 10. groſſe und kleine Seen zehlen, die wir uͤberſehen konten. Dieſe ſchnelle Veraͤnderung und Aufſteigung der Wolcken muß nothwendig von einer ſchnellen Verdichterung der Luft entſtanden ſeyn, welche die Wolcken und Nebel, weil ſie leichter waren, in die Hoͤhe getrieben; denn von dem Winde kam dieſes nicht, weil die Wolcken von allen Seiten her herauf flogen. Es waͤhete nun ein zimlich ſtarcker Wind, (*) ob es gleich in dem Thale ſtill war, (wie wir aus den unten liegenden Seen ab- genommen) und war dabey ſehr kalt. Das Thermometrum fiel,Kaͤlte. nachdem daſſelbe etliche Minuten lang der Luft exponirt ward, auf 44. Gr. Jn dem kalten Bade aber, wo es 3. Minuten lang geſtanden, fiel daſſelbe auf 42. Gr. da doch dieſes Waſſer vor eines der kaͤlteſten gehalten wird. Weil es Abend war, ſo begaben wir uns allgemach durch zimlich An dieſem Tage reißten wir vom Daͤchlein auf die Rigi zum Cloſter 1. St. vom Cloſter zum kalten Bade 2. St. von dannen auf Rigi-Stafel 1. St. ‒ ‒ Rigi-Culm 1. St. ‒ ‒ Kuͤßnacht 2½. St. Sum̃a 7½. Stund.Nachdem ich alſo alles merckwuͤrdige angebracht habe, das uns gen (*) Es iſt in dem Schweitzerlande nichts neues, daß die Winde in der Hoͤhe ſtarck waͤhen, da es in der Tieffe ſtill, oder daß ſie in der Tieffe waͤhen, und oft ſehr wuͤten, da es auf der Hoͤhe ſtill iſt. Dieſes kommt von den Bergen her. Wenn der Wind aus einem andern Lande uͤber die Berge herkommt, ſo kan er das Thal nicht wol durchſtreichen. Entſtehet er, wie oft geſchiehet, in den Bergen ſelbſt von den Cryptis æoliis, ſo kan er in der Hoͤhe nicht waͤhen, wenn die Crypta niedrig liegt. Liegt ſie hoch, ſo kommt er nicht in die Tieffe. E 2
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des Schweitzerlandes.
Jn Zeit von einer halben Stunde war alles hell, und wir hatten
die ſchoͤnſte Ausſicht von der Welt, und konten 10. groſſe und kleine
Seen zehlen, die wir uͤberſehen konten. Dieſe ſchnelle Veraͤnderung
und Aufſteigung der Wolcken muß nothwendig von einer ſchnellen
Verdichterung der Luft entſtanden ſeyn, welche die Wolcken und
Nebel, weil ſie leichter waren, in die Hoͤhe getrieben; denn von dem
Winde kam dieſes nicht, weil die Wolcken von allen Seiten her herauf
flogen. Es waͤhete nun ein zimlich ſtarcker Wind, (*) ob es gleich
in dem Thale ſtill war, (wie wir aus den unten liegenden Seen ab-
genommen) und war dabey ſehr kalt. Das Thermometrum fiel,
nachdem daſſelbe etliche Minuten lang der Luft exponirt ward,
auf 44. Gr. Jn dem kalten Bade aber, wo es 3. Minuten lang
geſtanden, fiel daſſelbe auf 42. Gr. da doch dieſes Waſſer vor eines
der kaͤlteſten gehalten wird.
Kaͤlte.
Weil es Abend war, ſo begaben wir uns allgemach durch zimlich
rauhe Wege wieder den Berg hinunter nach Kuͤßnacht, woſelbſt wir
mit einbrechender Nacht angelanget ſind.
An dieſem Tage reißten wir vom Daͤchlein
auf die Rigi zum Cloſter 1. St.
vom Cloſter zum kalten Bade 2. St.
von dannen auf Rigi-Stafel 1. St.
‒ ‒ Rigi-Culm 1. St.
‒ ‒ Kuͤßnacht 2½. St.
Sum̃a 7½. Stund.
Nachdem ich alſo alles merckwuͤrdige angebracht habe, das uns
auf der Reiſe auf dieſem Berge vorgekommen, ſo wird es nicht auſſer
dem Weg ſeyn, eine allgemeine Beſchreibung von dieſem Berg zu
machen. Derſelbe iſt von der Morgen-Nord- und Abend-Seite
faſt gantz mit Waſſer umgeben, indem nur ein halbſtuͤndiger Strich
Landes (welches zwiſchen dem Lucerner- und Zuger-See liegt) an der
Nord-Seite liegt. Gegen Mittag aber und ein wenig gegen Mor-
gen
Allgemeine
Beſchrei-
bung des
Rigi-Bergs.
(*) Es iſt in dem Schweitzerlande nichts neues, daß die Winde in der Hoͤhe
ſtarck waͤhen, da es in der Tieffe ſtill, oder daß ſie in der Tieffe waͤhen,
und oft ſehr wuͤten, da es auf der Hoͤhe ſtill iſt. Dieſes kommt von den
Bergen her. Wenn der Wind aus einem andern Lande uͤber die Berge
herkommt, ſo kan er das Thal nicht wol durchſtreichen. Entſtehet er, wie
oft geſchiehet, in den Bergen ſelbſt von den Cryptis æoliis, ſo kan er in
der Hoͤhe nicht waͤhen, wenn die Crypta niedrig liegt. Liegt ſie hoch, ſo
kommt er nicht in die Tieffe.
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