Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sulzer, Johann Georg: Beschreibung einiger Merckwüdigkeiten, Welche er in einer Ao. 1742. gemachten Berg-Reise durch einige Oerter der Schweitz beobachtet hat. Zürich, 1742.

Bild:
<< vorherige Seite

Beschreibung einiger Merckwürdigkeiten
Würckungen an verschiednen Orten; sie bringt an keinem Orte
alles herfür. Man muß also derselben nachgehen, die Oerter, wo sie
etwas von ihren Würckungen zeiget, besuchen, und alles genau aus-
forschen.

Nothwen-
digkeit der
Reisen.

Hieraus siehet man, wie nothwendig zur Vervollkommnung
der Natur-Wissenschaft, die zu diesem Ende hin angestellte Reisen
seyen; sie legen nemlich den ersten Grund zu einer philosophischen
Erkänntniß der Natur. Das ist auch der Grund, der mir Lust ge-
macht hat die kleine Reise zu unternehmen, die ich hier beschreiben
wil. Die Umstände, in welchen ich gewesen, haben mir nicht er-
laubt, weder eine weitläuftigere, noch eine langwierigere Reise zu
machen, und der schlechte Zustand meiner Gesundheit, welche gerade
im Anfange ist unterbrochen worden, hat mich gehindert, mehrere
Merckwürdigkeiten zu beobachten, als geschehen seyn würde, wenn
ich völlig gesund gewesen wäre. Darum habe ich dißmal mit we-
nigem müssen vorlieb nehmen, und das müssen auch die thun, welche
etwa diese Beschreibung lesen werden.

Vornehmste
Absicht bey
dieser Reise.

Weil ich mir vorgenommen hatte, nur den natürlichen Bege-
benheiten nachzugehen, ohne mich viel um politische und andre Sa-
chen zu bekümmern, so erwählete ich zu meiner Reise solche Orte,
die dazu die allerbequemsten schienen; nemlich der Marsch gienge
durch die Cantons Zug, Schweitz, Lucern, Unterwalden, Uri und
einen Theil des Pündtner-Landes.

Abreise.

Jch verreißte also in Begleit Hrn. Joh. Caspar Hirzels, Med.
Stud.
den 11. August von Zürich, und nahm Anfangs den gewohn-
ten Weg nach Zug über das Albis. Unten an diesem Berge (an der
Seite gegen Zürich) fangt das sogenannte Freye Amt, oder die
Herrschaft Knonau an, von deren natürlichen Beschaffenheit ich auch
etwas melden muß. (*) Diese Herrschaft erstreckt sich der Länge

nach
(*) Es muß sich niemand wundern, daß ich mich bemühe eine speciale Beschreibung
dieser Herrschaft zu geben. Jch hätte eine gleiche Beschreibung der andern
Landschaften, dadurch ich auf dieser Reise gekommen bin, gemacht, wenn ich
genugsame Nachrichten gehabt hätte. Denn ich stehe in der Meynung, diese
allgemeine Nachrichten von den Ländern haben zur Erkänntniß der Natur eben
so grossen Nutzen, ja in gewisser Absicht noch einen grössern, als die Beschrei-
bung der Pflanzen, Thiere und andrer besondrer Dinge. Es wäre zu wün-
schen, daß alle Reisende diese Regel genau würden in Acht nehmen.

Beſchreibung einiger Merckwuͤrdigkeiten
Wuͤrckungen an verſchiednen Orten; ſie bringt an keinem Orte
alles herfuͤr. Man muß alſo derſelben nachgehen, die Oerter, wo ſie
etwas von ihren Wuͤrckungen zeiget, beſuchen, und alles genau aus-
forſchen.

Nothwen-
digkeit der
Reiſen.

Hieraus ſiehet man, wie nothwendig zur Vervollkommnung
der Natur-Wiſſenſchaft, die zu dieſem Ende hin angeſtellte Reiſen
ſeyen; ſie legen nemlich den erſten Grund zu einer philoſophiſchen
Erkaͤnntniß der Natur. Das iſt auch der Grund, der mir Luſt ge-
macht hat die kleine Reiſe zu unternehmen, die ich hier beſchreiben
wil. Die Umſtaͤnde, in welchen ich geweſen, haben mir nicht er-
laubt, weder eine weitlaͤuftigere, noch eine langwierigere Reiſe zu
machen, und der ſchlechte Zuſtand meiner Geſundheit, welche gerade
im Anfange iſt unterbrochen worden, hat mich gehindert, mehrere
Merckwuͤrdigkeiten zu beobachten, als geſchehen ſeyn wuͤrde, wenn
ich voͤllig geſund geweſen waͤre. Darum habe ich dißmal mit we-
nigem muͤſſen vorlieb nehmen, und das muͤſſen auch die thun, welche
etwa dieſe Beſchreibung leſen werden.

Vornehmſte
Abſicht bey
dieſer Reiſe.

Weil ich mir vorgenommen hatte, nur den natuͤrlichen Bege-
benheiten nachzugehen, ohne mich viel um politiſche und andre Sa-
chen zu bekuͤmmern, ſo erwaͤhlete ich zu meiner Reiſe ſolche Orte,
die dazu die allerbequemſten ſchienen; nemlich der Marſch gienge
durch die Cantons Zug, Schweitz, Lucern, Unterwalden, Uri und
einen Theil des Puͤndtner-Landes.

Abreiſe.

Jch verreißte alſo in Begleit Hrn. Joh. Caſpar Hirzels, Med.
Stud.
den 11. Auguſt von Zuͤrich, und nahm Anfangs den gewohn-
ten Weg nach Zug uͤber das Albis. Unten an dieſem Berge (an der
Seite gegen Zuͤrich) fangt das ſogenannte Freye Amt, oder die
Herꝛſchaft Knonau an, von deren natuͤrlichen Beſchaffenheit ich auch
etwas melden muß. (*) Dieſe Herꝛſchaft erſtreckt ſich der Laͤnge

nach
(*) Es muß ſich niemand wundern, daß ich mich bemuͤhe eine ſpeciale Beſchreibung
dieſer Herꝛſchaft zu geben. Jch haͤtte eine gleiche Beſchreibung der andern
Landſchaften, dadurch ich auf dieſer Reiſe gekommen bin, gemacht, wenn ich
genugſame Nachrichten gehabt haͤtte. Denn ich ſtehe in der Meynung, dieſe
allgemeine Nachrichten von den Laͤndern haben zur Erkaͤnntniß der Natur eben
ſo groſſen Nutzen, ja in gewiſſer Abſicht noch einen groͤſſern, als die Beſchrei-
bung der Pflanzen, Thiere und andrer beſondrer Dinge. Es waͤre zu wuͤn-
ſchen, daß alle Reiſende dieſe Regel genau wuͤrden in Acht nehmen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0026" n="22"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Be&#x017F;chreibung einiger Merckwu&#x0364;rdigkeiten</hi></fw><lb/>
Wu&#x0364;rckungen an ver&#x017F;chiednen Orten; &#x017F;ie bringt an keinem Orte<lb/>
alles herfu&#x0364;r. Man muß al&#x017F;o der&#x017F;elben nachgehen, die Oerter, wo &#x017F;ie<lb/>
etwas von ihren Wu&#x0364;rckungen zeiget, be&#x017F;uchen, und alles genau aus-<lb/>
for&#x017F;chen.</p><lb/>
        <note place="left">Nothwen-<lb/>
digkeit der<lb/>
Rei&#x017F;en.</note>
        <p>Hieraus &#x017F;iehet man, wie nothwendig zur Vervollkommnung<lb/>
der Natur-Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft, die zu die&#x017F;em Ende hin ange&#x017F;tellte Rei&#x017F;en<lb/>
&#x017F;eyen; &#x017F;ie legen nemlich den er&#x017F;ten Grund zu einer philo&#x017F;ophi&#x017F;chen<lb/>
Erka&#x0364;nntniß der Natur. Das i&#x017F;t auch der Grund, der mir Lu&#x017F;t ge-<lb/>
macht hat die kleine Rei&#x017F;e zu unternehmen, die ich hier be&#x017F;chreiben<lb/>
wil. Die Um&#x017F;ta&#x0364;nde, in welchen ich gewe&#x017F;en, haben mir nicht er-<lb/>
laubt, weder eine weitla&#x0364;uftigere, noch eine langwierigere Rei&#x017F;e zu<lb/>
machen, und der &#x017F;chlechte Zu&#x017F;tand meiner Ge&#x017F;undheit, welche gerade<lb/>
im Anfange i&#x017F;t unterbrochen worden, hat mich gehindert, mehrere<lb/>
Merckwu&#x0364;rdigkeiten zu beobachten, als ge&#x017F;chehen &#x017F;eyn wu&#x0364;rde, wenn<lb/>
ich vo&#x0364;llig ge&#x017F;und gewe&#x017F;en wa&#x0364;re. Darum habe ich dißmal mit we-<lb/>
nigem mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en vorlieb nehmen, und das mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en auch die thun, welche<lb/>
etwa die&#x017F;e Be&#x017F;chreibung le&#x017F;en werden.</p><lb/>
        <note place="left">Vornehm&#x017F;te<lb/>
Ab&#x017F;icht bey<lb/>
die&#x017F;er Rei&#x017F;e.</note>
        <p>Weil ich mir vorgenommen hatte, nur den natu&#x0364;rlichen Bege-<lb/>
benheiten nachzugehen, ohne mich viel um politi&#x017F;che und andre Sa-<lb/>
chen zu beku&#x0364;mmern, &#x017F;o erwa&#x0364;hlete ich zu meiner Rei&#x017F;e &#x017F;olche Orte,<lb/>
die dazu die allerbequem&#x017F;ten &#x017F;chienen; nemlich der Mar&#x017F;ch gienge<lb/>
durch die Cantons Zug, Schweitz, Lucern, Unterwalden, Uri und<lb/>
einen Theil des Pu&#x0364;ndtner-Landes.</p><lb/>
        <note place="left">Abrei&#x017F;e.</note>
        <p>Jch verreißte al&#x017F;o in Begleit Hrn. <hi rendition="#fr">Joh. Ca&#x017F;par Hirzels,</hi> <hi rendition="#aq">Med.<lb/>
Stud.</hi> den 11. Augu&#x017F;t von Zu&#x0364;rich, und nahm Anfangs den gewohn-<lb/>
ten Weg nach Zug u&#x0364;ber das Albis. Unten an die&#x017F;em Berge (an der<lb/>
Seite gegen Zu&#x0364;rich) fangt das &#x017F;ogenannte <hi rendition="#fr">Freye Amt,</hi> oder die<lb/>
Her&#xA75B;&#x017F;chaft Knonau an, von deren natu&#x0364;rlichen Be&#x017F;chaffenheit ich auch<lb/>
etwas melden muß. <note place="foot" n="(*)">Es muß &#x017F;ich niemand wundern, daß ich mich bemu&#x0364;he eine &#x017F;peciale Be&#x017F;chreibung<lb/>
die&#x017F;er Her&#xA75B;&#x017F;chaft zu geben. Jch ha&#x0364;tte eine gleiche Be&#x017F;chreibung der andern<lb/>
Land&#x017F;chaften, dadurch ich auf die&#x017F;er Rei&#x017F;e gekommen bin, gemacht, wenn ich<lb/>
genug&#x017F;ame Nachrichten gehabt ha&#x0364;tte. Denn ich &#x017F;tehe in der Meynung, die&#x017F;e<lb/>
allgemeine Nachrichten von den La&#x0364;ndern haben zur Erka&#x0364;nntniß der Natur eben<lb/>
&#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;en Nutzen, ja in gewi&#x017F;&#x017F;er Ab&#x017F;icht noch einen gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern, als die Be&#x017F;chrei-<lb/>
bung der Pflanzen, Thiere und andrer be&#x017F;ondrer Dinge. Es wa&#x0364;re zu wu&#x0364;n-<lb/>
&#x017F;chen, daß alle Rei&#x017F;ende die&#x017F;e Regel genau wu&#x0364;rden in Acht nehmen.</note> Die&#x017F;e Her&#xA75B;&#x017F;chaft er&#x017F;treckt &#x017F;ich der La&#x0364;nge<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nach</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[22/0026] Beſchreibung einiger Merckwuͤrdigkeiten Wuͤrckungen an verſchiednen Orten; ſie bringt an keinem Orte alles herfuͤr. Man muß alſo derſelben nachgehen, die Oerter, wo ſie etwas von ihren Wuͤrckungen zeiget, beſuchen, und alles genau aus- forſchen. Hieraus ſiehet man, wie nothwendig zur Vervollkommnung der Natur-Wiſſenſchaft, die zu dieſem Ende hin angeſtellte Reiſen ſeyen; ſie legen nemlich den erſten Grund zu einer philoſophiſchen Erkaͤnntniß der Natur. Das iſt auch der Grund, der mir Luſt ge- macht hat die kleine Reiſe zu unternehmen, die ich hier beſchreiben wil. Die Umſtaͤnde, in welchen ich geweſen, haben mir nicht er- laubt, weder eine weitlaͤuftigere, noch eine langwierigere Reiſe zu machen, und der ſchlechte Zuſtand meiner Geſundheit, welche gerade im Anfange iſt unterbrochen worden, hat mich gehindert, mehrere Merckwuͤrdigkeiten zu beobachten, als geſchehen ſeyn wuͤrde, wenn ich voͤllig geſund geweſen waͤre. Darum habe ich dißmal mit we- nigem muͤſſen vorlieb nehmen, und das muͤſſen auch die thun, welche etwa dieſe Beſchreibung leſen werden. Weil ich mir vorgenommen hatte, nur den natuͤrlichen Bege- benheiten nachzugehen, ohne mich viel um politiſche und andre Sa- chen zu bekuͤmmern, ſo erwaͤhlete ich zu meiner Reiſe ſolche Orte, die dazu die allerbequemſten ſchienen; nemlich der Marſch gienge durch die Cantons Zug, Schweitz, Lucern, Unterwalden, Uri und einen Theil des Puͤndtner-Landes. Jch verreißte alſo in Begleit Hrn. Joh. Caſpar Hirzels, Med. Stud. den 11. Auguſt von Zuͤrich, und nahm Anfangs den gewohn- ten Weg nach Zug uͤber das Albis. Unten an dieſem Berge (an der Seite gegen Zuͤrich) fangt das ſogenannte Freye Amt, oder die Herꝛſchaft Knonau an, von deren natuͤrlichen Beſchaffenheit ich auch etwas melden muß. (*) Dieſe Herꝛſchaft erſtreckt ſich der Laͤnge nach (*) Es muß ſich niemand wundern, daß ich mich bemuͤhe eine ſpeciale Beſchreibung dieſer Herꝛſchaft zu geben. Jch haͤtte eine gleiche Beſchreibung der andern Landſchaften, dadurch ich auf dieſer Reiſe gekommen bin, gemacht, wenn ich genugſame Nachrichten gehabt haͤtte. Denn ich ſtehe in der Meynung, dieſe allgemeine Nachrichten von den Laͤndern haben zur Erkaͤnntniß der Natur eben ſo groſſen Nutzen, ja in gewiſſer Abſicht noch einen groͤſſern, als die Beſchrei- bung der Pflanzen, Thiere und andrer beſondrer Dinge. Es waͤre zu wuͤn- ſchen, daß alle Reiſende dieſe Regel genau wuͤrden in Acht nehmen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1742
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1742/26
Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Beschreibung einiger Merckwüdigkeiten, Welche er in einer Ao. 1742. gemachten Berg-Reise durch einige Oerter der Schweitz beobachtet hat. Zürich, 1742, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1742/26>, abgerufen am 16.04.2024.