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Sulzer, Johann Georg: Beschreibung einiger Merckwüdigkeiten, Welche er in einer Ao. 1742. gemachten Berg-Reise durch einige Oerter der Schweitz beobachtet hat. Zürich, 1742.

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Vorbericht.
tallen/ 4) in Bildung der Pflanzen/ und 5) der Thiere. Ein
Naturforscher muß die Natur in einem jeden dieser Felder kennen.
Laßt uns nun sehen/ was die Reisen insonderheit durch bergichte
Länder hiezu beytragen.

Was die Gestaltung und den Bau der Erde überhaupt be-
trifft/ so kan man auf Reisen beobachten a. das Verhältniß des
truckenen Landes gegen das Wasser/ von welchem die Witterung
und Beschaffenheit der Luft/ Gesundheit/ Wachsthum und der-
gleichen fürnemlich abhängt. b. Die Lage einer jeden Gegend/ in
Ansehung des Clima so wol/ als in Ansehung der Höhe oder Tieffe/
und der Gränzen. c. Die gewöhnlichsten Witterungen. d. Die
Fruchtbarkeit. e. Die Art der Dinge/ welche in demselbigen wach-
sen/ es sey in den Stein-Pflanzen oder Thier-Reich. Aus diesen
fünferley Sachen läßt sich hernach die ganze Natur einer Gegend
deutlich vorstellen/ und wenn man von verschiednen Gegenden sol-
che Beschreibungen hat/ so ist man im Stande daraus zu schlies-
sen/ wie viel die Gestaltung und Lage einer Gegend zu der übri-
gen Beschaffenheit derselben beyträgt/ und kurz/ man kommt in
eine deutliche Erkänntniß des Zusammenhanges in den Würckun-
gen der Natur. Das erste und zweyte von bemeldten Stücken kan
ein jeder selbst erforschen/ die drey übrigen Stücke aber muß er
von den Einwohnern erfahren/ es sey denn/ daß er einiges selbst
mit ansehen kan. Mit diesen muß er sich also in Gespräche ein-
lassen/ um alles von ihnen zu erfahren/ was ihm zu wissen nöthig
ist. Er muß sich aber nicht an die Bürger der Städte/ sondern
zu dem klugen Landmann halten/ der ein beständiger Beobachter
der Natur ist. Dieser wird ihm die gewöhnlichsten Witterungen
sagen können/ und die Würckungen derselben auf den Feld Bau/
von ihm wird er die Art des Feld-Baues und den Grund dessel-
ben/ die Art der Düngung/ die Art der Früchte und den Grund
erfahren/ warum diese oder jene Früchte den Vorzug haben/ und
dergleichen. Warum z. Ex. hier der Wäitzen/ dort der Rocken
besser fortkommt. Warum hier das Gräß hoch/ dort niedrig
wächßt u. s. f. Er kan ihm auch vieles von dem Zustand der Men-
schen und Thiere von ihrem Temperament/ Fortpflanzung/ Genie

und
B 2

Vorbericht.
tallen/ 4) in Bildung der Pflanzen/ und 5) der Thiere. Ein
Naturforſcher muß die Natur in einem jeden dieſer Felder kennen.
Laßt uns nun ſehen/ was die Reiſen inſonderheit durch bergichte
Laͤnder hiezu beytragen.

Was die Geſtaltung und den Bau der Erde uͤberhaupt be-
trifft/ ſo kan man auf Reiſen beobachten a. das Verhaͤltniß des
truckenen Landes gegen das Waſſer/ von welchem die Witterung
und Beſchaffenheit der Luft/ Geſundheit/ Wachsthum und der-
gleichen fuͤrnemlich abhaͤngt. b. Die Lage einer jeden Gegend/ in
Anſehung des Clima ſo wol/ als in Anſehung der Hoͤhe oder Tieffe/
und der Graͤnzen. c. Die gewoͤhnlichſten Witterungen. d. Die
Fruchtbarkeit. e. Die Art der Dinge/ welche in demſelbigen wach-
ſen/ es ſey in den Stein-Pflanzen oder Thier-Reich. Aus dieſen
fuͤnferley Sachen laͤßt ſich hernach die ganze Natur einer Gegend
deutlich vorſtellen/ und wenn man von verſchiednen Gegenden ſol-
che Beſchreibungen hat/ ſo iſt man im Stande daraus zu ſchlieſ-
ſen/ wie viel die Geſtaltung und Lage einer Gegend zu der uͤbri-
gen Beſchaffenheit derſelben beytraͤgt/ und kurz/ man kommt in
eine deutliche Erkaͤnntniß des Zuſammenhanges in den Wuͤrckun-
gen der Natur. Das erſte und zweyte von bemeldten Stuͤcken kan
ein jeder ſelbſt erforſchen/ die drey uͤbrigen Stuͤcke aber muß er
von den Einwohnern erfahren/ es ſey denn/ daß er einiges ſelbſt
mit anſehen kan. Mit dieſen muß er ſich alſo in Geſpraͤche ein-
laſſen/ um alles von ihnen zu erfahren/ was ihm zu wiſſen noͤthig
iſt. Er muß ſich aber nicht an die Buͤrger der Staͤdte/ ſondern
zu dem klugen Landmann halten/ der ein beſtaͤndiger Beobachter
der Natur iſt. Dieſer wird ihm die gewoͤhnlichſten Witterungen
ſagen koͤnnen/ und die Wuͤrckungen derſelben auf den Feld Bau/
von ihm wird er die Art des Feld-Baues und den Grund deſſel-
ben/ die Art der Duͤngung/ die Art der Fruͤchte und den Grund
erfahren/ warum dieſe oder jene Fruͤchte den Vorzug haben/ und
dergleichen. Warum z. Ex. hier der Waͤitzen/ dort der Rocken
beſſer fortkommt. Warum hier das Graͤß hoch/ dort niedrig
waͤchßt u. ſ. f. Er kan ihm auch vieles von dem Zuſtand der Men-
ſchen und Thiere von ihrem Temperament/ Fortpflanzung/ Genie

und
B 2
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[11/0015] Vorbericht. tallen/ 4) in Bildung der Pflanzen/ und 5) der Thiere. Ein Naturforſcher muß die Natur in einem jeden dieſer Felder kennen. Laßt uns nun ſehen/ was die Reiſen inſonderheit durch bergichte Laͤnder hiezu beytragen. Was die Geſtaltung und den Bau der Erde uͤberhaupt be- trifft/ ſo kan man auf Reiſen beobachten a. das Verhaͤltniß des truckenen Landes gegen das Waſſer/ von welchem die Witterung und Beſchaffenheit der Luft/ Geſundheit/ Wachsthum und der- gleichen fuͤrnemlich abhaͤngt. b. Die Lage einer jeden Gegend/ in Anſehung des Clima ſo wol/ als in Anſehung der Hoͤhe oder Tieffe/ und der Graͤnzen. c. Die gewoͤhnlichſten Witterungen. d. Die Fruchtbarkeit. e. Die Art der Dinge/ welche in demſelbigen wach- ſen/ es ſey in den Stein-Pflanzen oder Thier-Reich. Aus dieſen fuͤnferley Sachen laͤßt ſich hernach die ganze Natur einer Gegend deutlich vorſtellen/ und wenn man von verſchiednen Gegenden ſol- che Beſchreibungen hat/ ſo iſt man im Stande daraus zu ſchlieſ- ſen/ wie viel die Geſtaltung und Lage einer Gegend zu der uͤbri- gen Beſchaffenheit derſelben beytraͤgt/ und kurz/ man kommt in eine deutliche Erkaͤnntniß des Zuſammenhanges in den Wuͤrckun- gen der Natur. Das erſte und zweyte von bemeldten Stuͤcken kan ein jeder ſelbſt erforſchen/ die drey uͤbrigen Stuͤcke aber muß er von den Einwohnern erfahren/ es ſey denn/ daß er einiges ſelbſt mit anſehen kan. Mit dieſen muß er ſich alſo in Geſpraͤche ein- laſſen/ um alles von ihnen zu erfahren/ was ihm zu wiſſen noͤthig iſt. Er muß ſich aber nicht an die Buͤrger der Staͤdte/ ſondern zu dem klugen Landmann halten/ der ein beſtaͤndiger Beobachter der Natur iſt. Dieſer wird ihm die gewoͤhnlichſten Witterungen ſagen koͤnnen/ und die Wuͤrckungen derſelben auf den Feld Bau/ von ihm wird er die Art des Feld-Baues und den Grund deſſel- ben/ die Art der Duͤngung/ die Art der Fruͤchte und den Grund erfahren/ warum dieſe oder jene Fruͤchte den Vorzug haben/ und dergleichen. Warum z. Ex. hier der Waͤitzen/ dort der Rocken beſſer fortkommt. Warum hier das Graͤß hoch/ dort niedrig waͤchßt u. ſ. f. Er kan ihm auch vieles von dem Zuſtand der Men- ſchen und Thiere von ihrem Temperament/ Fortpflanzung/ Genie und B 2

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Beschreibung einiger Merckwüdigkeiten, Welche er in einer Ao. 1742. gemachten Berg-Reise durch einige Oerter der Schweitz beobachtet hat. Zürich, 1742, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1742/15>, abgerufen am 20.04.2024.