Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Süssmilch, Johann Peter: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflanzung desselben. Berlin, 1741.

Bild:
<< vorherige Seite
zur Bestimmung der Lebendigen.
§. 106.

Auf dem Lande und unter dem Bauers-Mann
fallen viele Ursachen des Todes weg, die sich in
Städten finden. Es ist die reine Land-Lufft überhaupt
gesunder als die, so mit vielen stinckenden und unge-
sunden Dünsten angefüllet. Die epidemischen Seu-
chen breiten sich so leicht nicht aus als überhaupt in
allen Städten. Der Bauer hat nicht Zeit und Ge-
legenheit seinen Lüsten so nachzugehen als die Ein-
wohner der Städte. Er übernimmt sich nicht so
oft im Trunck, geschicht es ja die Woche einmahl,
so hält er es eher aus und verarbeitet es wieder.
Seine Diät ist ordentlicher und er verdirbt seine
Natur nicht so leicht durch hitzige Gewürtze. Die
Kinder, die unter allen sterbenden die meisten aus-
machen, werden durch Ammen nicht so verderbt als
in Städten, und es sterben daher ihrer weni-
ger. Sie werden, wenn sie heran wachsen,
durch Thee, Caffee, durch weibische und weichliche
Erziehung nicht so verzärtelt. In Pocken will man
wahrgenommen haben, daß Bauer-Kinder leichter
durchkommen, weil sie wenigere Artzeney bekom-
men, und nicht durch ängstliche Hitze so sehr gequä-
let werden. Aus diesen und andern Gründen läßt
sich sehr wohl muthmaassen, daß auf dem Lande in
Proportion nicht so viel sterben als in Städten.
Einige Kranckheiten möchten vielleicht auf dem Lan-
de, wenigstens unter dem arbeitsamen Landmann,
wenn man Edelleute und Prediger ausnimmt, gar
nicht gefunden werden, als Podagra, Stein-Schmer-
tzen, güldene Ader und Fisteln, venerische Seuchen
und dergleichen ähnliche.

Da
zur Beſtimmung der Lebendigen.
§. 106.

Auf dem Lande und unter dem Bauers-Mann
fallen viele Urſachen des Todes weg, die ſich in
Staͤdten finden. Es iſt die reine Land-Lufft uͤberhaupt
geſunder als die, ſo mit vielen ſtinckenden und unge-
ſunden Duͤnſten angefuͤllet. Die epidemiſchen Seu-
chen breiten ſich ſo leicht nicht aus als uͤberhaupt in
allen Staͤdten. Der Bauer hat nicht Zeit und Ge-
legenheit ſeinen Luͤſten ſo nachzugehen als die Ein-
wohner der Staͤdte. Er uͤbernimmt ſich nicht ſo
oft im Trunck, geſchicht es ja die Woche einmahl,
ſo haͤlt er es eher aus und verarbeitet es wieder.
Seine Diaͤt iſt ordentlicher und er verdirbt ſeine
Natur nicht ſo leicht durch hitzige Gewuͤrtze. Die
Kinder, die unter allen ſterbenden die meiſten aus-
machen, werden durch Ammen nicht ſo verderbt als
in Staͤdten, und es ſterben daher ihrer weni-
ger. Sie werden, wenn ſie heran wachſen,
durch Thee, Caffee, durch weibiſche und weichliche
Erziehung nicht ſo verzaͤrtelt. In Pocken will man
wahrgenommen haben, daß Bauer-Kinder leichter
durchkommen, weil ſie wenigere Artzeney bekom-
men, und nicht durch aͤngſtliche Hitze ſo ſehr gequaͤ-
let werden. Aus dieſen und andern Gruͤnden laͤßt
ſich ſehr wohl muthmaaſſen, daß auf dem Lande in
Proportion nicht ſo viel ſterben als in Staͤdten.
Einige Kranckheiten moͤchten vielleicht auf dem Lan-
de, wenigſtens unter dem arbeitſamen Landmann,
wenn man Edelleute und Prediger ausnimmt, gar
nicht gefunden werden, als Podagra, Stein-Schmer-
tzen, guͤldene Ader und Fiſteln, veneriſche Seuchen
und dergleichen aͤhnliche.

Da
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0363" n="315"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">zur Be&#x017F;timmung der Lebendigen.</hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 106.</head><lb/>
          <p>Auf dem Lande und unter dem Bauers-Mann<lb/>
fallen viele Ur&#x017F;achen des Todes weg, die &#x017F;ich in<lb/>
Sta&#x0364;dten finden. Es i&#x017F;t die reine Land-Lufft u&#x0364;berhaupt<lb/>
ge&#x017F;under als die, &#x017F;o mit vielen &#x017F;tinckenden und unge-<lb/>
&#x017F;unden Du&#x0364;n&#x017F;ten angefu&#x0364;llet. Die epidemi&#x017F;chen Seu-<lb/>
chen breiten &#x017F;ich &#x017F;o leicht nicht aus als u&#x0364;berhaupt in<lb/>
allen Sta&#x0364;dten. Der Bauer hat nicht Zeit und Ge-<lb/>
legenheit &#x017F;einen Lu&#x0364;&#x017F;ten &#x017F;o nachzugehen als die Ein-<lb/>
wohner der Sta&#x0364;dte. Er u&#x0364;bernimmt &#x017F;ich nicht &#x017F;o<lb/>
oft im Trunck, ge&#x017F;chicht es ja die Woche einmahl,<lb/>
&#x017F;o ha&#x0364;lt er es eher aus und verarbeitet es wieder.<lb/>
Seine Dia&#x0364;t i&#x017F;t ordentlicher und er verdirbt &#x017F;eine<lb/>
Natur nicht &#x017F;o leicht durch hitzige Gewu&#x0364;rtze. Die<lb/>
Kinder, die unter allen &#x017F;terbenden die mei&#x017F;ten aus-<lb/>
machen, werden durch Ammen nicht &#x017F;o verderbt als<lb/>
in Sta&#x0364;dten, und es &#x017F;terben daher ihrer weni-<lb/>
ger. Sie werden, wenn &#x017F;ie heran wach&#x017F;en,<lb/>
durch Thee, Caffee, durch weibi&#x017F;che und weichliche<lb/>
Erziehung nicht &#x017F;o verza&#x0364;rtelt. In Pocken will man<lb/>
wahrgenommen haben, daß Bauer-Kinder leichter<lb/>
durchkommen, weil &#x017F;ie wenigere Artzeney bekom-<lb/>
men, und nicht durch a&#x0364;ng&#x017F;tliche Hitze &#x017F;o &#x017F;ehr gequa&#x0364;-<lb/>
let werden. Aus die&#x017F;en und andern Gru&#x0364;nden la&#x0364;ßt<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;ehr wohl muthmaa&#x017F;&#x017F;en, daß auf dem Lande in<lb/>
Proportion nicht &#x017F;o viel &#x017F;terben als in Sta&#x0364;dten.<lb/>
Einige Kranckheiten mo&#x0364;chten vielleicht auf dem Lan-<lb/>
de, wenig&#x017F;tens unter dem arbeit&#x017F;amen Landmann,<lb/>
wenn man Edelleute und Prediger ausnimmt, gar<lb/>
nicht gefunden werden, als Podagra, Stein-Schmer-<lb/>
tzen, gu&#x0364;ldene Ader und Fi&#x017F;teln, veneri&#x017F;che Seuchen<lb/>
und dergleichen a&#x0364;hnliche.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Da</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[315/0363] zur Beſtimmung der Lebendigen. §. 106. Auf dem Lande und unter dem Bauers-Mann fallen viele Urſachen des Todes weg, die ſich in Staͤdten finden. Es iſt die reine Land-Lufft uͤberhaupt geſunder als die, ſo mit vielen ſtinckenden und unge- ſunden Duͤnſten angefuͤllet. Die epidemiſchen Seu- chen breiten ſich ſo leicht nicht aus als uͤberhaupt in allen Staͤdten. Der Bauer hat nicht Zeit und Ge- legenheit ſeinen Luͤſten ſo nachzugehen als die Ein- wohner der Staͤdte. Er uͤbernimmt ſich nicht ſo oft im Trunck, geſchicht es ja die Woche einmahl, ſo haͤlt er es eher aus und verarbeitet es wieder. Seine Diaͤt iſt ordentlicher und er verdirbt ſeine Natur nicht ſo leicht durch hitzige Gewuͤrtze. Die Kinder, die unter allen ſterbenden die meiſten aus- machen, werden durch Ammen nicht ſo verderbt als in Staͤdten, und es ſterben daher ihrer weni- ger. Sie werden, wenn ſie heran wachſen, durch Thee, Caffee, durch weibiſche und weichliche Erziehung nicht ſo verzaͤrtelt. In Pocken will man wahrgenommen haben, daß Bauer-Kinder leichter durchkommen, weil ſie wenigere Artzeney bekom- men, und nicht durch aͤngſtliche Hitze ſo ſehr gequaͤ- let werden. Aus dieſen und andern Gruͤnden laͤßt ſich ſehr wohl muthmaaſſen, daß auf dem Lande in Proportion nicht ſo viel ſterben als in Staͤdten. Einige Kranckheiten moͤchten vielleicht auf dem Lan- de, wenigſtens unter dem arbeitſamen Landmann, wenn man Edelleute und Prediger ausnimmt, gar nicht gefunden werden, als Podagra, Stein-Schmer- tzen, guͤldene Ader und Fiſteln, veneriſche Seuchen und dergleichen aͤhnliche. Da

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/suessmilch_ordnung_1741
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/suessmilch_ordnung_1741/363
Zitationshilfe: Süssmilch, Johann Peter: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflanzung desselben. Berlin, 1741, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/suessmilch_ordnung_1741/363>, abgerufen am 18.05.2024.