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Süssmilch, Johann Peter: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflanzung desselben. Berlin, 1741.

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des Männl. und Weibl. Geschlechtes.
daß es seyn solte. Allein es ist hiebei nur dieses zu
erwägen, daß an dem Uberschuß der Töchter der Tod
nicht allein Ursach sey, weil bekandt ist, daß die
Mädgen länger in der Eltern Hause bleiben als die
Knaben, weil diese gar früh zu Handwerckern ge-
bracht werden, daher sie denn unter denen Lehrjun-
gens und Gesellen mit sind gezehlet worden. Eini-
ge Mädgen in Städten vermiethen sich zwar auch
als Mägden, aber das geschicht doch nicht so häu-
fig, in Absicht auf die Knaben, weil auch arme El-
tern ihre Töchter selbst als Mägde gebrauchen.

Doch ich wäre nicht ungeneigt dem Hn. Struyck
zu folgen, wenn mir nur nicht zweierlei im Wege
stünde. (1) Würde sich schwehrlich ein Grund anzei-
gen lassen, weshalb allezeit mehr Knaben gebohren wer-
den. Daß man sagen wolte, die Mädgen hätten ein
härter Leben als die Knaben, ist ein Satz, davon ich
abermahl den Grund nicht einsehe, und der fast der
allgemeinen Anmerckung zu wiedersprechen scheinet.
Wer wolte alsdann noch, wenn das wäre, sagen,
das weibliche Geschlecht sey ein schwächeres Werck-
zeug? wenigstens wäre es alsdann bei seiner
Schwäche, in andrer Absicht stärcker als das
männliche. Es würde also folgen, daß GOtt des-
halb mehr Jungens lasse gebohren werden, damit
nicht eine gar zu grosse Ungleichheit zwischen beiden
Geschlechtern entstehen solle, weil es schwehrer hielte,
daß ein Knabe die Jahre, da man sich verheyra-
thet, erreiche als ein Mädgen. Rasen und sprin-
gen vielleicht die Knaben mehr, und verschwen-
den also das Feuer und die Kräfte mehr als die
Mädgen, die ihnen zum Wachsthum nöthig sind?
doch ich bescheide mich, daß ich die Sache nicht kön-

ne
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des Maͤnnl. und Weibl. Geſchlechtes.
daß es ſeyn ſolte. Allein es iſt hiebei nur dieſes zu
erwaͤgen, daß an dem Uberſchuß der Toͤchter der Tod
nicht allein Urſach ſey, weil bekandt iſt, daß die
Maͤdgen laͤnger in der Eltern Hauſe bleiben als die
Knaben, weil dieſe gar fruͤh zu Handwerckern ge-
bracht werden, daher ſie denn unter denen Lehrjun-
gens und Geſellen mit ſind gezehlet worden. Eini-
ge Maͤdgen in Staͤdten vermiethen ſich zwar auch
als Maͤgden, aber das geſchicht doch nicht ſo haͤu-
fig, in Abſicht auf die Knaben, weil auch arme El-
tern ihre Toͤchter ſelbſt als Maͤgde gebrauchen.

Doch ich waͤre nicht ungeneigt dem Hn. Struyck
zu folgen, wenn mir nur nicht zweierlei im Wege
ſtuͤnde. (1) Wuͤrde ſich ſchwehrlich ein Grund anzei-
gen laſſen, weshalb allezeit mehr Knaben gebohren wer-
den. Daß man ſagen wolte, die Maͤdgen haͤtten ein
haͤrter Leben als die Knaben, iſt ein Satz, davon ich
abermahl den Grund nicht einſehe, und der faſt der
allgemeinen Anmerckung zu wiederſprechen ſcheinet.
Wer wolte alsdann noch, wenn das waͤre, ſagen,
das weibliche Geſchlecht ſey ein ſchwaͤcheres Werck-
zeug? wenigſtens waͤre es alsdann bei ſeiner
Schwaͤche, in andrer Abſicht ſtaͤrcker als das
maͤnnliche. Es wuͤrde alſo folgen, daß GOtt des-
halb mehr Jungens laſſe gebohren werden, damit
nicht eine gar zu groſſe Ungleichheit zwiſchen beiden
Geſchlechtern entſtehen ſolle, weil es ſchwehrer hielte,
daß ein Knabe die Jahre, da man ſich verheyra-
thet, erreiche als ein Maͤdgen. Raſen und ſprin-
gen vielleicht die Knaben mehr, und verſchwen-
den alſo das Feuer und die Kraͤfte mehr als die
Maͤdgen, die ihnen zum Wachsthum noͤthig ſind?
doch ich beſcheide mich, daß ich die Sache nicht koͤn-

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[165/0211] des Maͤnnl. und Weibl. Geſchlechtes. daß es ſeyn ſolte. Allein es iſt hiebei nur dieſes zu erwaͤgen, daß an dem Uberſchuß der Toͤchter der Tod nicht allein Urſach ſey, weil bekandt iſt, daß die Maͤdgen laͤnger in der Eltern Hauſe bleiben als die Knaben, weil dieſe gar fruͤh zu Handwerckern ge- bracht werden, daher ſie denn unter denen Lehrjun- gens und Geſellen mit ſind gezehlet worden. Eini- ge Maͤdgen in Staͤdten vermiethen ſich zwar auch als Maͤgden, aber das geſchicht doch nicht ſo haͤu- fig, in Abſicht auf die Knaben, weil auch arme El- tern ihre Toͤchter ſelbſt als Maͤgde gebrauchen. Doch ich waͤre nicht ungeneigt dem Hn. Struyck zu folgen, wenn mir nur nicht zweierlei im Wege ſtuͤnde. (1) Wuͤrde ſich ſchwehrlich ein Grund anzei- gen laſſen, weshalb allezeit mehr Knaben gebohren wer- den. Daß man ſagen wolte, die Maͤdgen haͤtten ein haͤrter Leben als die Knaben, iſt ein Satz, davon ich abermahl den Grund nicht einſehe, und der faſt der allgemeinen Anmerckung zu wiederſprechen ſcheinet. Wer wolte alsdann noch, wenn das waͤre, ſagen, das weibliche Geſchlecht ſey ein ſchwaͤcheres Werck- zeug? wenigſtens waͤre es alsdann bei ſeiner Schwaͤche, in andrer Abſicht ſtaͤrcker als das maͤnnliche. Es wuͤrde alſo folgen, daß GOtt des- halb mehr Jungens laſſe gebohren werden, damit nicht eine gar zu groſſe Ungleichheit zwiſchen beiden Geſchlechtern entſtehen ſolle, weil es ſchwehrer hielte, daß ein Knabe die Jahre, da man ſich verheyra- thet, erreiche als ein Maͤdgen. Raſen und ſprin- gen vielleicht die Knaben mehr, und verſchwen- den alſo das Feuer und die Kraͤfte mehr als die Maͤdgen, die ihnen zum Wachsthum noͤthig ſind? doch ich beſcheide mich, daß ich die Sache nicht koͤn- ne L 3

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Zitationshilfe: Süssmilch, Johann Peter: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflanzung desselben. Berlin, 1741, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/suessmilch_ordnung_1741/211>, abgerufen am 07.05.2024.