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Süssmilch, Johann Peter: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflanzung desselben. Berlin, 1741.

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Herrn Christian Wolffens
Vorrede.

Es ist dem Menschen nichts angenehmers,
als die Gewißheit der Erkenntniß, und
wer einmal dieselbe geschmeckt, der be-
kommet einen Eckel für allem, wo er
nichts, als Ungewißheit, siehet. Aus dieser Ursache ist
es kommen, daß die Mathematici, welche beständig mit
gewisser Erkenntniß umgegangen, einen Eckel vor
der Philosophie und andern Dingen bekommen, und
nichts angenehmers gefunden, als daß sie ihre gantze
Zeit mit Linien und Buchstaben zubringen können.
Ja, nachdem ich darauf bedacht gewesen, wie ich die
Philosophie gleichfalls zu mehrerer Deutlichkeit und
Gewißheit brächte; so ist dieses die Ursache, daß die-
jenigen, welche in meinen Schrifften bewandert sind,
keinen Geschmack mehr an demjenigen finden, was
nicht verständlich genug erkläret, noch zulänglich er-
wiesen worden. Und man hat allerdings sich auch
dahin zu bestreben, daß man gewisse Erkenntniß der
Wahrheit erlanget, weil dieses einen gar grossen Ein-
fluß in alle Handlungen der Menschen hat. Ja der
Mensch ist auch verbunden, alle seine Kräffte dazu
anzuwenden, daß er Gewißheit in so vielen Dingen

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a 5
Herrn Chriſtian Wolffens
Vorrede.

Es iſt dem Menſchen nichts angenehmers,
als die Gewißheit der Erkenntniß, und
wer einmal dieſelbe geſchmeckt, der be-
kommet einen Eckel fuͤr allem, wo er
nichts, als Ungewißheit, ſiehet. Aus dieſer Urſache iſt
es kom̃en, daß die Mathematici, welche beſtaͤndig mit
gewiſſer Erkenntniß umgegangen, einen Eckel vor
der Philoſophie und andern Dingen bekommen, und
nichts angenehmers gefunden, als daß ſie ihre gantze
Zeit mit Linien und Buchſtaben zubringen koͤnnen.
Ja, nachdem ich darauf bedacht geweſen, wie ich die
Philoſophie gleichfalls zu mehrerer Deutlichkeit und
Gewißheit braͤchte; ſo iſt dieſes die Urſache, daß die-
jenigen, welche in meinen Schrifften bewandert ſind,
keinen Geſchmack mehr an demjenigen finden, was
nicht verſtaͤndlich genug erklaͤret, noch zulaͤnglich er-
wieſen worden. Und man hat allerdings ſich auch
dahin zu beſtreben, daß man gewiſſe Erkenntniß der
Wahrheit erlanget, weil dieſes einen gar groſſen Ein-
fluß in alle Handlungen der Menſchen hat. Ja der
Menſch iſt auch verbunden, alle ſeine Kraͤffte dazu
anzuwenden, daß er Gewißheit in ſo vielen Dingen

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[9/0015] Herrn Chriſtian Wolffens Vorrede. Es iſt dem Menſchen nichts angenehmers, als die Gewißheit der Erkenntniß, und wer einmal dieſelbe geſchmeckt, der be- kommet einen Eckel fuͤr allem, wo er nichts, als Ungewißheit, ſiehet. Aus dieſer Urſache iſt es kom̃en, daß die Mathematici, welche beſtaͤndig mit gewiſſer Erkenntniß umgegangen, einen Eckel vor der Philoſophie und andern Dingen bekommen, und nichts angenehmers gefunden, als daß ſie ihre gantze Zeit mit Linien und Buchſtaben zubringen koͤnnen. Ja, nachdem ich darauf bedacht geweſen, wie ich die Philoſophie gleichfalls zu mehrerer Deutlichkeit und Gewißheit braͤchte; ſo iſt dieſes die Urſache, daß die- jenigen, welche in meinen Schrifften bewandert ſind, keinen Geſchmack mehr an demjenigen finden, was nicht verſtaͤndlich genug erklaͤret, noch zulaͤnglich er- wieſen worden. Und man hat allerdings ſich auch dahin zu beſtreben, daß man gewiſſe Erkenntniß der Wahrheit erlanget, weil dieſes einen gar groſſen Ein- fluß in alle Handlungen der Menſchen hat. Ja der Menſch iſt auch verbunden, alle ſeine Kraͤffte dazu anzuwenden, daß er Gewißheit in ſo vielen Dingen errei- a 5

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Zitationshilfe: Süssmilch, Johann Peter: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflanzung desselben. Berlin, 1741, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/suessmilch_ordnung_1741/15>, abgerufen am 20.04.2024.