Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Süssmilch, Johann Peter: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflanzung desselben. Berlin, 1741.

Bild:
<< vorherige Seite
viel Menschen auf dem Erdboden leben etc.

Nach denen Familien würde man nicht so viel Millio-
nen heraus bringen, eher aber nach der Anzahl der
Manns-Personen. Mich dünckt, daß man schwerlich
mehr als 200. Millionen könne heraus bringen, doch
scheinet mir diese Anzahl auch nicht unmöglich, und
dieses aus Betrachtung der Umstände und der
Grösse des Landes. Die Umstände sind so beschaf-
fen, daß es sehr volckreich seyn kan, 1.) wegen der
Güte des Climats, indem es von keiner Pest was
weiß, es müste denn einmahl eine Hunger-Pest ent-
stehen. 2.) wegen der guten Lebens-Art und ihrer
guten und starcken Natur. Ein Chineser lebt sehr
ordentlich und nüchtern. 3.) weil sie andere Völ-
cker gering achten und daher wenig reisen. 4.) am
meisten aber wegen des fast beständigen Friedens. [m]
Du Halde rechnet auch 5.) die Vielheit der Wei-
ber hieher, die in China erlaubt ist. Allein diese
halte ich eher für eine Hinderniß als für eine Ursach
der grossen Vermehrung, es müste denn erst bewie-
sen werden, daß dorten mehr und zwar vielmehr
Weiber als Männer wären. Vielleicht aber ist die
Vielweiberei nur unter denen Vornehmen üblich,
und verbiethet sich beym gemeinem Mann von selbst.
Seit der letzten Regierung der Ming ist es zwar
theils durch eine allgemeine Hungers-Noth, theils
durch den Krieg und sonderlich durch die Räuber
sehr mitgenommen worden, die sich aufwurffen und
den Thron behaupten wolten, die daher gantze
Städte niedermetzelten, und nur die junge Mann-
schaft heraus nahmen: allein es war doch fast nicht
zu mercken, so daß du Halde [n] schreibt, daß

kein
[m] Du Halde Descript. de la Chine. Tom 2. p. 7. ed. Par.
[n] l. c. Tom 1. P. 74.
viel Menſchen auf dem Erdboden leben ꝛc.

Nach denen Familien wuͤrde man nicht ſo viel Millio-
nen heraus bringen, eher aber nach der Anzahl der
Manns-Perſonen. Mich duͤnckt, daß man ſchwerlich
mehr als 200. Millionen koͤnne heraus bringen, doch
ſcheinet mir dieſe Anzahl auch nicht unmoͤglich, und
dieſes aus Betrachtung der Umſtaͤnde und der
Groͤſſe des Landes. Die Umſtaͤnde ſind ſo beſchaf-
fen, daß es ſehr volckreich ſeyn kan, 1.) wegen der
Guͤte des Climats, indem es von keiner Peſt was
weiß, es muͤſte denn einmahl eine Hunger-Peſt ent-
ſtehen. 2.) wegen der guten Lebens-Art und ihrer
guten und ſtarcken Natur. Ein Chineſer lebt ſehr
ordentlich und nuͤchtern. 3.) weil ſie andere Voͤl-
cker gering achten und daher wenig reiſen. 4.) am
meiſten aber wegen des faſt beſtaͤndigen Friedens. [m]
Du Halde rechnet auch 5.) die Vielheit der Wei-
ber hieher, die in China erlaubt iſt. Allein dieſe
halte ich eher fuͤr eine Hinderniß als fuͤr eine Urſach
der groſſen Vermehrung, es muͤſte denn erſt bewie-
ſen werden, daß dorten mehr und zwar vielmehr
Weiber als Maͤnner waͤren. Vielleicht aber iſt die
Vielweiberei nur unter denen Vornehmen uͤblich,
und verbiethet ſich beym gemeinem Mann von ſelbſt.
Seit der letzten Regierung der Ming iſt es zwar
theils durch eine allgemeine Hungers-Noth, theils
durch den Krieg und ſonderlich durch die Raͤuber
ſehr mitgenommen worden, die ſich aufwurffen und
den Thron behaupten wolten, die daher gantze
Staͤdte niedermetzelten, und nur die junge Mann-
ſchaft heraus nahmen: allein es war doch faſt nicht
zu mercken, ſo daß du Halde [n] ſchreibt, daß

kein
[m] Du Halde Deſcript. de la Chine. Tom 2. p. 7. ed. Par.
[n] l. c. Tom 1. P. 74.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0139" n="93"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">viel Men&#x017F;chen auf dem Erdboden leben &#xA75B;c.</hi> </fw><lb/>
          <p>Nach denen Familien wu&#x0364;rde man nicht &#x017F;o viel Millio-<lb/>
nen heraus bringen, eher aber nach der Anzahl der<lb/>
Manns-Per&#x017F;onen. Mich du&#x0364;nckt, daß man &#x017F;chwerlich<lb/>
mehr als 200. Millionen ko&#x0364;nne heraus bringen, doch<lb/>
&#x017F;cheinet mir die&#x017F;e Anzahl auch nicht unmo&#x0364;glich, und<lb/>
die&#x017F;es aus Betrachtung der Um&#x017F;ta&#x0364;nde und der<lb/>
Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e des Landes. Die Um&#x017F;ta&#x0364;nde &#x017F;ind &#x017F;o be&#x017F;chaf-<lb/>
fen, daß es &#x017F;ehr volckreich &#x017F;eyn kan, 1.) wegen der<lb/>
Gu&#x0364;te des Climats, indem es von keiner Pe&#x017F;t was<lb/>
weiß, es mu&#x0364;&#x017F;te denn einmahl eine Hunger-Pe&#x017F;t ent-<lb/>
&#x017F;tehen. 2.) wegen der guten Lebens-Art und ihrer<lb/>
guten und &#x017F;tarcken Natur. Ein Chine&#x017F;er lebt &#x017F;ehr<lb/>
ordentlich und nu&#x0364;chtern. 3.) weil &#x017F;ie andere Vo&#x0364;l-<lb/>
cker gering achten und daher wenig rei&#x017F;en. 4.) am<lb/>
mei&#x017F;ten aber wegen des fa&#x017F;t be&#x017F;ta&#x0364;ndigen Friedens. <note place="foot" n="[m]"><hi rendition="#aq">Du Halde De&#x017F;cript. de la Chine. Tom 2. p. 7. ed. Par.</hi></note><lb/>
Du Halde rechnet auch 5.) die Vielheit der Wei-<lb/>
ber hieher, die in China erlaubt i&#x017F;t. Allein die&#x017F;e<lb/>
halte ich eher fu&#x0364;r eine Hinderniß als fu&#x0364;r eine Ur&#x017F;ach<lb/>
der gro&#x017F;&#x017F;en Vermehrung, es mu&#x0364;&#x017F;te denn er&#x017F;t bewie-<lb/>
&#x017F;en werden, daß dorten mehr und zwar vielmehr<lb/>
Weiber als Ma&#x0364;nner wa&#x0364;ren. Vielleicht aber i&#x017F;t die<lb/>
Vielweiberei nur unter denen Vornehmen u&#x0364;blich,<lb/>
und verbiethet &#x017F;ich beym gemeinem Mann von &#x017F;elb&#x017F;t.<lb/>
Seit der letzten Regierung der Ming i&#x017F;t es zwar<lb/>
theils durch eine allgemeine Hungers-Noth, theils<lb/>
durch den Krieg und &#x017F;onderlich durch die Ra&#x0364;uber<lb/>
&#x017F;ehr mitgenommen worden, die &#x017F;ich aufwurffen und<lb/>
den Thron behaupten wolten, die daher gantze<lb/>
Sta&#x0364;dte niedermetzelten, und nur die junge Mann-<lb/>
&#x017F;chaft heraus nahmen: allein es war doch fa&#x017F;t nicht<lb/>
zu mercken, &#x017F;o daß du Halde <note place="foot" n="[n]"><hi rendition="#aq">l. c. Tom 1. P.</hi> 74.</note> &#x017F;chreibt, daß<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">kein</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[93/0139] viel Menſchen auf dem Erdboden leben ꝛc. Nach denen Familien wuͤrde man nicht ſo viel Millio- nen heraus bringen, eher aber nach der Anzahl der Manns-Perſonen. Mich duͤnckt, daß man ſchwerlich mehr als 200. Millionen koͤnne heraus bringen, doch ſcheinet mir dieſe Anzahl auch nicht unmoͤglich, und dieſes aus Betrachtung der Umſtaͤnde und der Groͤſſe des Landes. Die Umſtaͤnde ſind ſo beſchaf- fen, daß es ſehr volckreich ſeyn kan, 1.) wegen der Guͤte des Climats, indem es von keiner Peſt was weiß, es muͤſte denn einmahl eine Hunger-Peſt ent- ſtehen. 2.) wegen der guten Lebens-Art und ihrer guten und ſtarcken Natur. Ein Chineſer lebt ſehr ordentlich und nuͤchtern. 3.) weil ſie andere Voͤl- cker gering achten und daher wenig reiſen. 4.) am meiſten aber wegen des faſt beſtaͤndigen Friedens. [m] Du Halde rechnet auch 5.) die Vielheit der Wei- ber hieher, die in China erlaubt iſt. Allein dieſe halte ich eher fuͤr eine Hinderniß als fuͤr eine Urſach der groſſen Vermehrung, es muͤſte denn erſt bewie- ſen werden, daß dorten mehr und zwar vielmehr Weiber als Maͤnner waͤren. Vielleicht aber iſt die Vielweiberei nur unter denen Vornehmen uͤblich, und verbiethet ſich beym gemeinem Mann von ſelbſt. Seit der letzten Regierung der Ming iſt es zwar theils durch eine allgemeine Hungers-Noth, theils durch den Krieg und ſonderlich durch die Raͤuber ſehr mitgenommen worden, die ſich aufwurffen und den Thron behaupten wolten, die daher gantze Staͤdte niedermetzelten, und nur die junge Mann- ſchaft heraus nahmen: allein es war doch faſt nicht zu mercken, ſo daß du Halde [n] ſchreibt, daß kein [m] Du Halde Deſcript. de la Chine. Tom 2. p. 7. ed. Par. [n] l. c. Tom 1. P. 74.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/suessmilch_ordnung_1741
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/suessmilch_ordnung_1741/139
Zitationshilfe: Süssmilch, Johann Peter: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflanzung desselben. Berlin, 1741, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/suessmilch_ordnung_1741/139>, abgerufen am 02.05.2024.