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Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905

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So ging die Zeit hin.

Zitternd hielt Frau von Ellissen einen Brief in ihrer Hand ...

"Nun also, meine liebe Mira, liebe Mama, höre zu: Alles ist zerstört. Wenn du diese Zeilen erhältst, habe ich unsere gemeinsame Wohnung verlassen, und wohne allein. Die Adresse wird sich aber noch ändern, ebenso wie der Name, den ich trage. Endlich bin ich frei!

Es würde mir leid tun, wenn du dadurch Unannehmlichkeiten hättest, aber ich kann nichts dafür. Jeder lenkt sein Leben so, wie es ihm paßt, das ist sein Recht. Ich mache ganz einfach von diesem Recht Gebrauch. Unter uns gesagt, Fred ist ein Dummkopf.

Ich hätte ihn lieben können, wenn er mich besser verstanden hätte. Und ich gestehe es ... einen Augenblick habe ich es gehofft. Ich habe mich geirrt. Das war eine Dummheit. Sprechen wir nicht mehr davon. Also, arme Mira, ein wenig Mut, alles wird sich früher oder später ausgleichen.

Wir waren nicht für einander geschaffen. Solche Entdeckungen kommen täglich vor. Nur wenn man vernünftig ist, schweigt man und fügt sich. Fred hat

So ging die Zeit hin.

Zitternd hielt Frau von Ellissen einen Brief in ihrer Hand …

„Nun also, meine liebe Mira, liebe Mama, höre zu: Alles ist zerstört. Wenn du diese Zeilen erhältst, habe ich unsere gemeinsame Wohnung verlassen, und wohne allein. Die Adresse wird sich aber noch ändern, ebenso wie der Name, den ich trage. Endlich bin ich frei!

Es würde mir leid tun, wenn du dadurch Unannehmlichkeiten hättest, aber ich kann nichts dafür. Jeder lenkt sein Leben so, wie es ihm paßt, das ist sein Recht. Ich mache ganz einfach von diesem Recht Gebrauch. Unter uns gesagt, Fred ist ein Dummkopf.

Ich hätte ihn lieben können, wenn er mich besser verstanden hätte. Und ich gestehe es … einen Augenblick habe ich es gehofft. Ich habe mich geirrt. Das war eine Dummheit. Sprechen wir nicht mehr davon. Also, arme Mira, ein wenig Mut, alles wird sich früher oder später ausgleichen.

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[275/0276] So ging die Zeit hin. Zitternd hielt Frau von Ellissen einen Brief in ihrer Hand … „Nun also, meine liebe Mira, liebe Mama, höre zu: Alles ist zerstört. Wenn du diese Zeilen erhältst, habe ich unsere gemeinsame Wohnung verlassen, und wohne allein. Die Adresse wird sich aber noch ändern, ebenso wie der Name, den ich trage. Endlich bin ich frei! Es würde mir leid tun, wenn du dadurch Unannehmlichkeiten hättest, aber ich kann nichts dafür. Jeder lenkt sein Leben so, wie es ihm paßt, das ist sein Recht. Ich mache ganz einfach von diesem Recht Gebrauch. Unter uns gesagt, Fred ist ein Dummkopf. Ich hätte ihn lieben können, wenn er mich besser verstanden hätte. Und ich gestehe es … einen Augenblick habe ich es gehofft. Ich habe mich geirrt. Das war eine Dummheit. Sprechen wir nicht mehr davon. Also, arme Mira, ein wenig Mut, alles wird sich früher oder später ausgleichen. Wir waren nicht für einander geschaffen. Solche Entdeckungen kommen täglich vor. Nur wenn man vernünftig ist, schweigt man und fügt sich. Fred hat

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Zitationshilfe: Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905/276>, abgerufen am 12.12.2024.