Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905"Gewiß, und trunken voll Glück." "Also, wenn ich einwilligte, würden Sie einer Frau Ihren Namen geben, die sechs Jahre älter ist, als Sie? - unterbrechen Sie mich nicht - einer Frau, die Sie bald um einer naturgemäßeren Liebe willen vernachlässigen würden, die darunter leiden würde - was nichts bedeutet - Ihnen aber solch quälende Schmerzen bereiten, die das Gehirn martern und die schöpferischen Kräfte vernichten. Und mein Zweck wäre verfehlt, und Ihr Genie würde unter dem Druck materieller Kämpfe zugrunde gehen. Das Leben, mein Kind, ist den unbesiegbaren Forderungen des Instinkts unterworfen. Um an Geist und Körper gesund zu bleiben, muß man sich einfach und natürlich den unausweichlichen Gesetzen der Gattung unterwerfen und die Irrwege fliehen, welche die Folge anormaler Handlungen sind. Ist man aber frei, dann entfaltet sich der Gedanke mit aller ihm innewohnenden Kraft." "Wenn ich aber fühle, ich wiederhole es Ihnen, wie ich zur Verwirklichung idealer Gedanken ganz unfähig werde, weil mir das einzige Glück, das ich begehre, vorenthalten wird - der völlige Besitz des geliebten Weibes! Sie, Mira, Sie!" „Gewiß, und trunken voll Glück.“ „Also, wenn ich einwilligte, würden Sie einer Frau Ihren Namen geben, die sechs Jahre älter ist, als Sie? – unterbrechen Sie mich nicht – einer Frau, die Sie bald um einer naturgemäßeren Liebe willen vernachlässigen würden, die darunter leiden würde – was nichts bedeutet – Ihnen aber solch quälende Schmerzen bereiten, die das Gehirn martern und die schöpferischen Kräfte vernichten. Und mein Zweck wäre verfehlt, und Ihr Genie würde unter dem Druck materieller Kämpfe zugrunde gehen. Das Leben, mein Kind, ist den unbesiegbaren Forderungen des Instinkts unterworfen. Um an Geist und Körper gesund zu bleiben, muß man sich einfach und natürlich den unausweichlichen Gesetzen der Gattung unterwerfen und die Irrwege fliehen, welche die Folge anormaler Handlungen sind. Ist man aber frei, dann entfaltet sich der Gedanke mit aller ihm innewohnenden Kraft.“ „Wenn ich aber fühle, ich wiederhole es Ihnen, wie ich zur Verwirklichung idealer Gedanken ganz unfähig werde, weil mir das einzige Glück, das ich begehre, vorenthalten wird – der völlige Besitz des geliebten Weibes! Sie, Mira, Sie!“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0025" n="24"/> <p>„Gewiß, und trunken voll Glück.“</p> <p>„Also, wenn ich einwilligte, würden Sie einer Frau Ihren Namen geben, die sechs Jahre älter ist, als Sie? – unterbrechen Sie mich nicht – einer Frau, die Sie bald um einer naturgemäßeren Liebe willen vernachlässigen würden, die darunter leiden würde – was nichts bedeutet – Ihnen aber solch quälende Schmerzen bereiten, die das Gehirn martern und die schöpferischen Kräfte vernichten. Und mein Zweck wäre verfehlt, und Ihr Genie würde unter dem Druck materieller Kämpfe zugrunde gehen. Das Leben, mein Kind, ist den unbesiegbaren Forderungen des Instinkts unterworfen. Um an Geist und Körper gesund zu bleiben, muß man sich einfach und natürlich den unausweichlichen Gesetzen der Gattung unterwerfen und die Irrwege fliehen, welche die Folge anormaler Handlungen sind. Ist man aber frei, dann entfaltet sich der Gedanke mit aller ihm innewohnenden Kraft.“</p> <p>„Wenn ich aber fühle, ich wiederhole es Ihnen, wie ich zur Verwirklichung idealer Gedanken ganz unfähig werde, weil mir das einzige Glück, das ich begehre, vorenthalten wird – der <hi rendition="#g">völlige</hi> Besitz des geliebten Weibes! Sie, Mira, Sie!“</p> </div> </body> </text> </TEI> [24/0025]
„Gewiß, und trunken voll Glück.“
„Also, wenn ich einwilligte, würden Sie einer Frau Ihren Namen geben, die sechs Jahre älter ist, als Sie? – unterbrechen Sie mich nicht – einer Frau, die Sie bald um einer naturgemäßeren Liebe willen vernachlässigen würden, die darunter leiden würde – was nichts bedeutet – Ihnen aber solch quälende Schmerzen bereiten, die das Gehirn martern und die schöpferischen Kräfte vernichten. Und mein Zweck wäre verfehlt, und Ihr Genie würde unter dem Druck materieller Kämpfe zugrunde gehen. Das Leben, mein Kind, ist den unbesiegbaren Forderungen des Instinkts unterworfen. Um an Geist und Körper gesund zu bleiben, muß man sich einfach und natürlich den unausweichlichen Gesetzen der Gattung unterwerfen und die Irrwege fliehen, welche die Folge anormaler Handlungen sind. Ist man aber frei, dann entfaltet sich der Gedanke mit aller ihm innewohnenden Kraft.“
„Wenn ich aber fühle, ich wiederhole es Ihnen, wie ich zur Verwirklichung idealer Gedanken ganz unfähig werde, weil mir das einzige Glück, das ich begehre, vorenthalten wird – der völlige Besitz des geliebten Weibes! Sie, Mira, Sie!“
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Zitationshilfe: | Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905/25>, abgerufen am 16.02.2025. |