ches durch die Betrachtung des Leidens Jesu gestärkt wird, kann sich über alle Schrecken des Todes erheben, kann oh- ne Schauer, zum wenigsten ohne Entsetzen dem Tode ins Angesicht sehen, und kann so freudenvoll sterben, wie Jesus starb.
Aber vielleicht bist du, o Christ, noch nicht in den- jenigen Umständen, wo du das Grab schon offen vor dir siehst, oder wo grosse Widerwärtigkeiten dich zum Helden- muth auffordern. Du lebest noch, und geniesest dein Leben, ohne besondre Noth auszustehen. Gut! dies ist eben der Zeitpunkt, wo ich wünschte, daß du mit Ernst dem Leiden Jesu nachdächtest. Die guten Tage sind für die Unschuld deines Herzens gefährlich. Und nur das Leiden Jesu ist das Mittel, durch welches du gegen diese Gefahr in Sicherheit gesetzt wirst. Bist du in Gefahr, durch den Reichthum zur Sünde verleitet zu werden, den- ke an das Leiden Jesu. Siehe, wie arm er wurde, da- mit er dir beßre Reichthümer erwerben möchte: siehe in der Dürftigkeit Jesu das Verdammungsurtheil, welches über diejenigen ergeht, welche mit unersättlicher Begierde nach dem Irrdischen streben. Bist du in Gefahr, durch die Sehnsucht nach Ehre hingerissen zu werden: denke an deinen Erlöser, an die Schmach und Schande, in wel- cher er bey dem rechtschaffensten Wandel sich befand. Bist du in Gefahr, die Wollüste für dein höchstes Gut zu achten: denke an Jesum, welcher, ob er wohl konnte Freude haben, dennoch das Kreuz erduldete, und die Schande nicht achtete.
Ja, mein Herr und mein Gott, ich will mit An- dacht und Ernst deine Leiden betrachten. Unterstütze mich auch jetzt durch deine Gnade, und laß mich dadurch im Glauben an dich gestärkt, in der Tugend bevestiget, und in der Hofnung des ewigen Lebens gegründet werden.
II. Die
Vorläufige Betracht. über die Leidensgeſ. Jeſu.
ches durch die Betrachtung des Leidens Jeſu geſtärkt wird, kann ſich über alle Schrecken des Todes erheben, kann oh- ne Schauer, zum wenigſten ohne Entſetzen dem Tode ins Angeſicht ſehen, und kann ſo freudenvoll ſterben, wie Jeſus ſtarb.
Aber vielleicht biſt du, o Chriſt, noch nicht in den- jenigen Umſtänden, wo du das Grab ſchon offen vor dir ſiehſt, oder wo groſſe Widerwärtigkeiten dich zum Helden- muth auffordern. Du lebeſt noch, und genieſeſt dein Leben, ohne beſondre Noth auszuſtehen. Gut! dies iſt eben der Zeitpunkt, wo ich wünſchte, daß du mit Ernſt dem Leiden Jeſu nachdächteſt. Die guten Tage ſind für die Unſchuld deines Herzens gefährlich. Und nur das Leiden Jeſu iſt das Mittel, durch welches du gegen dieſe Gefahr in Sicherheit geſetzt wirſt. Biſt du in Gefahr, durch den Reichthum zur Sünde verleitet zu werden, den- ke an das Leiden Jeſu. Siehe, wie arm er wurde, da- mit er dir beßre Reichthümer erwerben möchte: ſiehe in der Dürftigkeit Jeſu das Verdammungsurtheil, welches über diejenigen ergeht, welche mit unerſättlicher Begierde nach dem Irrdiſchen ſtreben. Biſt du in Gefahr, durch die Sehnſucht nach Ehre hingeriſſen zu werden: denke an deinen Erlöſer, an die Schmach und Schande, in wel- cher er bey dem rechtſchaffenſten Wandel ſich befand. Biſt du in Gefahr, die Wollüſte für dein höchſtes Gut zu achten: denke an Jeſum, welcher, ob er wohl konnte Freude haben, dennoch das Kreuz erduldete, und die Schande nicht achtete.
Ja, mein Herr und mein Gott, ich will mit An- dacht und Ernſt deine Leiden betrachten. Unterſtütze mich auch jetzt durch deine Gnade, und laß mich dadurch im Glauben an dich geſtärkt, in der Tugend beveſtiget, und in der Hofnung des ewigen Lebens gegründet werden.
II. Die
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Vorläufige Betracht. über die Leidensgeſ. Jeſu.
ches durch die Betrachtung des Leidens Jeſu geſtärkt wird,
kann ſich über alle Schrecken des Todes erheben, kann oh-
ne Schauer, zum wenigſten ohne Entſetzen dem Tode ins
Angeſicht ſehen, und kann ſo freudenvoll ſterben, wie
Jeſus ſtarb.
Aber vielleicht biſt du, o Chriſt, noch nicht in den-
jenigen Umſtänden, wo du das Grab ſchon offen vor dir
ſiehſt, oder wo groſſe Widerwärtigkeiten dich zum Helden-
muth auffordern. Du lebeſt noch, und genieſeſt dein
Leben, ohne beſondre Noth auszuſtehen. Gut! dies iſt
eben der Zeitpunkt, wo ich wünſchte, daß du mit Ernſt
dem Leiden Jeſu nachdächteſt. Die guten Tage ſind für
die Unſchuld deines Herzens gefährlich. Und nur das
Leiden Jeſu iſt das Mittel, durch welches du gegen dieſe
Gefahr in Sicherheit geſetzt wirſt. Biſt du in Gefahr,
durch den Reichthum zur Sünde verleitet zu werden, den-
ke an das Leiden Jeſu. Siehe, wie arm er wurde, da-
mit er dir beßre Reichthümer erwerben möchte: ſiehe in
der Dürftigkeit Jeſu das Verdammungsurtheil, welches
über diejenigen ergeht, welche mit unerſättlicher Begierde
nach dem Irrdiſchen ſtreben. Biſt du in Gefahr, durch
die Sehnſucht nach Ehre hingeriſſen zu werden: denke an
deinen Erlöſer, an die Schmach und Schande, in wel-
cher er bey dem rechtſchaffenſten Wandel ſich befand.
Biſt du in Gefahr, die Wollüſte für dein höchſtes Gut
zu achten: denke an Jeſum, welcher, ob er wohl konnte
Freude haben, dennoch das Kreuz erduldete, und die
Schande nicht achtete.
Ja, mein Herr und mein Gott, ich will mit An-
dacht und Ernſt deine Leiden betrachten. Unterſtütze mich
auch jetzt durch deine Gnade, und laß mich dadurch im
Glauben an dich geſtärkt, in der Tugend beveſtiget, und
in der Hofnung des ewigen Lebens gegründet werden.
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Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
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Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/28>, abgerufen am 01.07.2024.
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