möge. Ich weiß zwar, daß ihr durch die Kraft der Gnade geneigt seyd, eure Pflicht zu beobachten: aber der natürliche Zustand eures Herzens macht euch dazu unvermögend.
Praktische Anmerkungen.
1. Das Gebet verschafft mir in den Stunden der Angst die größte Erleichterung.
2. Mit weicher Unterwerfung und Demuth verrichtet Jesus sein Gebet! Kann ich mich tief genug vor Gott demüthigen, wenn ich bedenke, daß ich ein Sünder, und Erde und Asche bin?
3. Ich sehe, mit welcher kindlichen Ergebung in den Willen seines Vaters Jesus sein Leiden erträgt. Wie könnte ich bey den kleinen Trübsalen, die mir auferlegt werden, über den Rath- schluß Gottes murren?
4. Wie unähnlich bin ich doch meinem Heilande! Ich bemer- ke oft, daß ein geringes Leiden mich gegen andre mürrisch macht, und daß ich die kleinsten Vergehungen mit Bitterkeit bestrafe. Handelte Jesus auch so?
5. Die besten Christen können von grossen Schwachheiten übereilt werden.
6. Ich kann in solche Umstände gerathen, daß ich bey Men- schen wenig Trost finde. Wohl mir, wenn alsdenn der Herr mein Trost ist!
4. Weiteres Verhalten Jesu in seinem Seelenleiden.
Nach dieser so liebreichen Erinnerung entfernte sich Jesus abermal von seinen Jüngern, und betete, wie vor- hin, in der demüthigsten Stellung: Vater, ist es nicht möglich, daß ich dieses mir zugetheilten Leidens an- ders entlassen werden kann, als daß ich es überneh- me, so geschehe dein Wille! Hierauf kam er zum an- dernmale zu seinen Jüngern; allein zu seiner Verwunder-
ung
Zweyter Abſchnitt.
möge. Ich weiß zwar, daß ihr durch die Kraft der Gnade geneigt ſeyd, eure Pflicht zu beobachten: aber der natürliche Zuſtand eures Herzens macht euch dazu unvermögend.
Praktiſche Anmerkungen.
1. Das Gebet verſchafft mir in den Stunden der Angſt die größte Erleichterung.
2. Mit weicher Unterwerfung und Demuth verrichtet Jeſus ſein Gebet! Kann ich mich tief genug vor Gott demüthigen, wenn ich bedenke, daß ich ein Sünder, und Erde und Aſche bin?
3. Ich ſehe, mit welcher kindlichen Ergebung in den Willen ſeines Vaters Jeſus ſein Leiden erträgt. Wie könnte ich bey den kleinen Trübſalen, die mir auferlegt werden, über den Rath- ſchluß Gottes murren?
4. Wie unähnlich bin ich doch meinem Heilande! Ich bemer- ke oft, daß ein geringes Leiden mich gegen andre mürriſch macht, und daß ich die kleinſten Vergehungen mit Bitterkeit beſtrafe. Handelte Jeſus auch ſo?
5. Die beſten Chriſten können von groſſen Schwachheiten übereilt werden.
6. Ich kann in ſolche Umſtände gerathen, daß ich bey Men- ſchen wenig Troſt finde. Wohl mir, wenn alsdenn der Herr mein Troſt iſt!
4. Weiteres Verhalten Jeſu in ſeinem Seelenleiden.
Nach dieſer ſo liebreichen Erinnerung entfernte ſich Jeſus abermal von ſeinen Jüngern, und betete, wie vor- hin, in der demüthigſten Stellung: Vater, iſt es nicht möglich, daß ich dieſes mir zugetheilten Leidens an- ders entlaſſen werden kann, als daß ich es überneh- me, ſo geſchehe dein Wille! Hierauf kam er zum an- dernmale zu ſeinen Jüngern; allein zu ſeiner Verwunder-
ung
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Zweyter Abſchnitt.
möge. Ich weiß zwar, daß ihr durch die Kraft der
Gnade geneigt ſeyd, eure Pflicht zu beobachten:
aber der natürliche Zuſtand eures Herzens macht
euch dazu unvermögend.
Praktiſche Anmerkungen.
1. Das Gebet verſchafft mir in den Stunden der Angſt die
größte Erleichterung.
2. Mit weicher Unterwerfung und Demuth verrichtet Jeſus
ſein Gebet! Kann ich mich tief genug vor Gott demüthigen,
wenn ich bedenke, daß ich ein Sünder, und Erde und Aſche bin?
3. Ich ſehe, mit welcher kindlichen Ergebung in den Willen
ſeines Vaters Jeſus ſein Leiden erträgt. Wie könnte ich bey den
kleinen Trübſalen, die mir auferlegt werden, über den Rath-
ſchluß Gottes murren?
4. Wie unähnlich bin ich doch meinem Heilande! Ich bemer-
ke oft, daß ein geringes Leiden mich gegen andre mürriſch macht,
und daß ich die kleinſten Vergehungen mit Bitterkeit beſtrafe.
Handelte Jeſus auch ſo?
5. Die beſten Chriſten können von groſſen Schwachheiten
übereilt werden.
6. Ich kann in ſolche Umſtände gerathen, daß ich bey Men-
ſchen wenig Troſt finde. Wohl mir, wenn alsdenn der Herr
mein Troſt iſt!
4. Weiteres Verhalten Jeſu in ſeinem
Seelenleiden.
Nach dieſer ſo liebreichen Erinnerung entfernte ſich
Jeſus abermal von ſeinen Jüngern, und betete, wie vor-
hin, in der demüthigſten Stellung: Vater, iſt es nicht
möglich, daß ich dieſes mir zugetheilten Leidens an-
ders entlaſſen werden kann, als daß ich es überneh-
me, ſo geſchehe dein Wille! Hierauf kam er zum an-
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Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
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Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/246>, abgerufen am 02.07.2024.
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