Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775.Erst. Abschn. Von einigen Begebenheiten und der die Würde eines Vorgesetzten behauptenzu können glaubet, erweise sich gegen die übrigen als einen Diener. Denn wer ist wohl bey einer Gesell- schaft der Größte? der zu Tische sitzt, oder der die Dienste eines Knechtes verrichtet? Nicht wahr, der zu Tische sitzt? Ich aber, ohngeachtet ich der Größte unter euch war, habe mich nie von euch be- dienen lassen, sondern vielmehr euch die geringsten Dienste geleistet. Und warum wolltet ihr nach ir- dischen Vorzügen streben? Ihr seyd ja diejenigen, die bisher bey mir unter allen Anfechtungen ausge- halten haben. Daher soll euch durch mich jenes Reich aufbehalten bleiben, wie mir mein Vater dasselbe gegeben hat. Und wie die irdischen Kö- nige ihre Günstlinge und Freunde würdigen, an ihrer Tafel zu speisen, so sollt ihr einst in meinem Reiche alle Herrlichkeiten geniessen. Ja ihr sollt einst gleichsam als Könige auf Thronen sitzen, und über die zwölf Stämme Israels, unter wel- che ich euch sende, mit mir das Gericht ausüben. Praktische Anmerkungen. 1. Wie viel Geduld und verschonende Güte beweißt der Herr 2. Diejenigen, welche nach Ehre und Würden streben, sind 3. Nicht auf dem äussern Unterschiede der Würde beruhet der 4. Ein
Erſt. Abſchn. Von einigen Begebenheiten und der die Würde eines Vorgeſetzten behauptenzu können glaubet, erweiſe ſich gegen die übrigen als einen Diener. Denn wer iſt wohl bey einer Geſell- ſchaft der Größte? der zu Tiſche ſitzt, oder der die Dienſte eines Knechtes verrichtet? Nicht wahr, der zu Tiſche ſitzt? Ich aber, ohngeachtet ich der Größte unter euch war, habe mich nie von euch be- dienen laſſen, ſondern vielmehr euch die geringſten Dienſte geleiſtet. Und warum wolltet ihr nach ir- diſchen Vorzügen ſtreben? Ihr ſeyd ja diejenigen, die bisher bey mir unter allen Anfechtungen ausge- halten haben. Daher ſoll euch durch mich jenes Reich aufbehalten bleiben, wie mir mein Vater daſſelbe gegeben hat. Und wie die irdiſchen Kö- nige ihre Günſtlinge und Freunde würdigen, an ihrer Tafel zu ſpeiſen, ſo ſollt ihr einſt in meinem Reiche alle Herrlichkeiten genieſſen. Ja ihr ſollt einſt gleichſam als Könige auf Thronen ſitzen, und über die zwölf Stämme Iſraels, unter wel- che ich euch ſende, mit mir das Gericht ausüben. Praktiſche Anmerkungen. 1. Wie viel Geduld und verſchonende Güte beweißt der Herr 2. Diejenigen, welche nach Ehre und Würden ſtreben, ſind 3. Nicht auf dem äuſſern Unterſchiede der Würde beruhet der 4. Ein
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p> <pb facs="#f0238" n="216"/> <fw place="top" type="header">Erſt. Abſchn. Von einigen Begebenheiten</fw><lb/> <hi rendition="#fr">und der die Würde eines Vorgeſetzten behaupten<lb/> zu können glaubet, erweiſe ſich gegen die übrigen als<lb/> einen Diener. Denn wer iſt wohl bey einer Geſell-<lb/> ſchaft der Größte? der zu Tiſche ſitzt, oder der<lb/> die Dienſte eines Knechtes verrichtet? Nicht wahr,<lb/> der zu Tiſche ſitzt? Ich aber, ohngeachtet ich der<lb/> Größte unter euch war, habe mich nie von euch be-<lb/> dienen laſſen, ſondern vielmehr euch die geringſten<lb/> Dienſte geleiſtet. Und warum wolltet ihr nach ir-<lb/> diſchen Vorzügen ſtreben? Ihr ſeyd ja diejenigen,<lb/> die bisher bey mir unter allen Anfechtungen ausge-<lb/> halten haben. Daher ſoll euch durch mich jenes<lb/> Reich aufbehalten bleiben, wie mir mein Vater<lb/> daſſelbe gegeben hat. Und wie die irdiſchen Kö-<lb/> nige ihre Günſtlinge und Freunde würdigen, an<lb/> ihrer Tafel zu ſpeiſen, ſo ſollt ihr einſt in meinem<lb/> Reiche alle Herrlichkeiten genieſſen. Ja ihr ſollt<lb/> einſt gleichſam als Könige auf Thronen ſitzen,<lb/> und über die zwölf Stämme Iſraels, unter wel-<lb/> che ich euch ſende, mit mir das Gericht ausüben.</hi> </p><lb/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#fr">Praktiſche Anmerkungen.</hi> </head><lb/> <p>1. Wie viel Geduld und verſchonende Güte beweißt der Herr<lb/> bey den oft wiederholten Fehltritten ſeiner Kinder!</p><lb/> <p>2. Diejenigen, welche nach Ehre und Würden ſtreben, ſind<lb/> der wahren Ehre am wenigſten würdig: ſo wie diejenigen die Eh-<lb/> re am meiſten verdienen, die ſie am wenigſten ſuchen.</p><lb/> <p>3. Nicht auf dem äuſſern Unterſchiede der Würde beruhet der<lb/> wahre Vorzug des Menſchen. Je ähnlicher ein Chriſt Jeſu iſt,<lb/> deſto mehr Vorzüge hat er in den Augen Gottes.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">4. Ein</fw><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [216/0238]
Erſt. Abſchn. Von einigen Begebenheiten
und der die Würde eines Vorgeſetzten behaupten
zu können glaubet, erweiſe ſich gegen die übrigen als
einen Diener. Denn wer iſt wohl bey einer Geſell-
ſchaft der Größte? der zu Tiſche ſitzt, oder der
die Dienſte eines Knechtes verrichtet? Nicht wahr,
der zu Tiſche ſitzt? Ich aber, ohngeachtet ich der
Größte unter euch war, habe mich nie von euch be-
dienen laſſen, ſondern vielmehr euch die geringſten
Dienſte geleiſtet. Und warum wolltet ihr nach ir-
diſchen Vorzügen ſtreben? Ihr ſeyd ja diejenigen,
die bisher bey mir unter allen Anfechtungen ausge-
halten haben. Daher ſoll euch durch mich jenes
Reich aufbehalten bleiben, wie mir mein Vater
daſſelbe gegeben hat. Und wie die irdiſchen Kö-
nige ihre Günſtlinge und Freunde würdigen, an
ihrer Tafel zu ſpeiſen, ſo ſollt ihr einſt in meinem
Reiche alle Herrlichkeiten genieſſen. Ja ihr ſollt
einſt gleichſam als Könige auf Thronen ſitzen,
und über die zwölf Stämme Iſraels, unter wel-
che ich euch ſende, mit mir das Gericht ausüben.
Praktiſche Anmerkungen.
1. Wie viel Geduld und verſchonende Güte beweißt der Herr
bey den oft wiederholten Fehltritten ſeiner Kinder!
2. Diejenigen, welche nach Ehre und Würden ſtreben, ſind
der wahren Ehre am wenigſten würdig: ſo wie diejenigen die Eh-
re am meiſten verdienen, die ſie am wenigſten ſuchen.
3. Nicht auf dem äuſſern Unterſchiede der Würde beruhet der
wahre Vorzug des Menſchen. Je ähnlicher ein Chriſt Jeſu iſt,
deſto mehr Vorzüge hat er in den Augen Gottes.
4. Ein
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern:
Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |