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Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775.

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Vor dem Leiden Jesu.

5. Wie leicht können selbst die Frömmsten durch die Gemein-
schaft mit einem Lasterhaften hingerissen werden! Ein einziges
verkehrtes Urtheil kann oft die Weisesten auf die Seite der
Thorheit ziehen.

5. Rechtfertigung einer wohlthätigen
Frauensperson.

Jesus hatte nicht so bald die lieblosen Gesinnungen
seiner Jünger und den geheimen Kummer dieser wohlthäti-
gen Person bemerkt, als er sich mit sanftem Ernste zu sei-
nen Jüngern wandte, um ihnen die Unbilligkeit ihres Be-
tragens zu erkennen zu geben. Laßt die Frau in Ruhe!
sprach er. Warum kränket ihr sie? Sie hat wirk-
lich ein gutes Werk an mir gethan. Denn die Ar-
men habt ihr beständig um euch, und es wird euch
also nie an Gelegenheit fehlen, ihnen Gutes zu thun;
mich aber werdet ihr nicht beständig um euch haben.
Diese redliche Person hat alles gethan, was in ihrem
Vermögen stand. Den Balsam, den sie zu meiner
Beerdigung aufbehalten hatte, hat sie jetzt auf mei-
nen Leib ausgeschüttet, um derselben durch eine vor-
läufige Einbalsamirung me[i]nes Leibes zuvorzukommen.
Und ich versichre euch, das Andenken dieser Hand-
lung wird unvergeßlich hleiben. Denn an allen den-
jenigen Orten, wo die Geschichte meines Leidens ver-
kündiget werden wird, da wird man desjenigen
rühmlich gedenken, was sie jetzt an mir gethan
hat.

Praktische Anmerkungen.

1. Das Urtheil Gottes über eine Handlung ist von dem Ur-
theile der Menschen oft weit unterschieden. Wenn also die Welt
von meinen besten Werken lieblos und nachtheilig urtheilt, so ist
es mein Trost, daß es der Herr ist, der mich richtet.

2. Wenn
Vor dem Leiden Jeſu.

5. Wie leicht können ſelbſt die Frömmſten durch die Gemein-
ſchaft mit einem Laſterhaften hingeriſſen werden! Ein einziges
verkehrtes Urtheil kann oft die Weiſeſten auf die Seite der
Thorheit ziehen.

5. Rechtfertigung einer wohlthätigen
Frauensperſon.

Jeſus hatte nicht ſo bald die liebloſen Geſinnungen
ſeiner Jünger und den geheimen Kummer dieſer wohlthäti-
gen Perſon bemerkt, als er ſich mit ſanftem Ernſte zu ſei-
nen Jüngern wandte, um ihnen die Unbilligkeit ihres Be-
tragens zu erkennen zu geben. Laßt die Frau in Ruhe!
ſprach er. Warum kränket ihr ſie? Sie hat wirk-
lich ein gutes Werk an mir gethan. Denn die Ar-
men habt ihr beſtändig um euch, und es wird euch
alſo nie an Gelegenheit fehlen, ihnen Gutes zu thun;
mich aber werdet ihr nicht beſtändig um euch haben.
Dieſe redliche Perſon hat alles gethan, was in ihrem
Vermögen ſtand. Den Balſam, den ſie zu meiner
Beerdigung aufbehalten hatte, hat ſie jetzt auf mei-
nen Leib ausgeſchüttet, um derſelben durch eine vor-
läufige Einbalſamirung me[i]nes Leibes zuvorzukommen.
Und ich verſichre euch, das Andenken dieſer Hand-
lung wird unvergeßlich hleiben. Denn an allen den-
jenigen Orten, wo die Geſchichte meines Leidens ver-
kündiget werden wird, da wird man desjenigen
rühmlich gedenken, was ſie jetzt an mir gethan
hat.

Praktiſche Anmerkungen.

1. Das Urtheil Gottes über eine Handlung iſt von dem Ur-
theile der Menſchen oft weit unterſchieden. Wenn alſo die Welt
von meinen beſten Werken lieblos und nachtheilig urtheilt, ſo iſt
es mein Troſt, daß es der Herr iſt, der mich richtet.

2. Wenn
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[203/0225] Vor dem Leiden Jeſu. 5. Wie leicht können ſelbſt die Frömmſten durch die Gemein- ſchaft mit einem Laſterhaften hingeriſſen werden! Ein einziges verkehrtes Urtheil kann oft die Weiſeſten auf die Seite der Thorheit ziehen. 5. Rechtfertigung einer wohlthätigen Frauensperſon. Jeſus hatte nicht ſo bald die liebloſen Geſinnungen ſeiner Jünger und den geheimen Kummer dieſer wohlthäti- gen Perſon bemerkt, als er ſich mit ſanftem Ernſte zu ſei- nen Jüngern wandte, um ihnen die Unbilligkeit ihres Be- tragens zu erkennen zu geben. Laßt die Frau in Ruhe! ſprach er. Warum kränket ihr ſie? Sie hat wirk- lich ein gutes Werk an mir gethan. Denn die Ar- men habt ihr beſtändig um euch, und es wird euch alſo nie an Gelegenheit fehlen, ihnen Gutes zu thun; mich aber werdet ihr nicht beſtändig um euch haben. Dieſe redliche Perſon hat alles gethan, was in ihrem Vermögen ſtand. Den Balſam, den ſie zu meiner Beerdigung aufbehalten hatte, hat ſie jetzt auf mei- nen Leib ausgeſchüttet, um derſelben durch eine vor- läufige Einbalſamirung meines Leibes zuvorzukommen. Und ich verſichre euch, das Andenken dieſer Hand- lung wird unvergeßlich hleiben. Denn an allen den- jenigen Orten, wo die Geſchichte meines Leidens ver- kündiget werden wird, da wird man desjenigen rühmlich gedenken, was ſie jetzt an mir gethan hat. Praktiſche Anmerkungen. 1. Das Urtheil Gottes über eine Handlung iſt von dem Ur- theile der Menſchen oft weit unterſchieden. Wenn alſo die Welt von meinen beſten Werken lieblos und nachtheilig urtheilt, ſo iſt es mein Troſt, daß es der Herr iſt, der mich richtet. 2. Wenn

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Zitationshilfe: Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/225>, abgerufen am 25.11.2024.