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Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775.

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Vierzigste Betrachtung.
er aus der Vollendung seines Mittlergeschäftes auf Erden
schöpfte, den Trost, den er sich bisher zum Augenmerk bey
seinem Leben und unter seinen Leiden gesetzt hatte, konnte
weder die Macht seiner Feinde, noch die Gewalt des Höl-
lenreiches aus seiner Seele rauben. In den schrecklichsten
Stunden der Angst, die er bisher zurückgelegt hatte, war
der Anblick seiner Vollendung und der selige Ausgang sei-
ner Leiden, das einzige, was ihn aufrecht erhielt. Die
Vorstellung von seiner hohen Bestimmung und der dadurch
zu bewirkenden Erlösung der Sünder nahm seine ganze
Seele ein, und machte ihn bereitwillig, auch die entsetzlich-
sten Quaalen des Todes zu erdulden. Und mit welcher
göttlichen Freude mußte nun sein Herz erfüllt seyn, da
er sich an dem Ende seiner schönen Laufbahn und das gan-
ze Werk herrlich vollendet sahe, wozu er von seinem Va-
ter bestimmt worden war. Gewiß seines Sieges konnte
er triumphirend ausrufen: Es ist vollbracht.

Vollbracht war der ganze Zweck seiner Sendung.
In seinem ganzen Wandel auf Erden, in seiner Jugend
sowohl, als im reifern Alter, in der Einsamkeit sowohl, als
im gesellschaftlichen Umgange, in guten und bösen Ta-
gen, hatte er sich seinem göttlichen Berufe gemäß verhal-
ten, und mit der pünktlichsten Treue den Willen seines Va-
ters ausgeübet. Eben so genau erfüllte er die Pflichten
gegen die Menschen, seine Brüder. Er war gesandt,
den Armen und Elenden das Evangelium zu predigen, den
Rath Gottes von der Seligkeit der Menschen zu verkün-
digen, und die Wege des Friedens und des Lebens zu zei-
gen. In allen diesen Obliegenheiten bewies er sich bis an
seinen Tod geschäftig. Es war in seinem ganzen Leben
seine liebste Beschäftigung, an der Besserung der Menschen
zu arbeiten, das Verlohrne zu suchen und selig zu machen,
Elende zu erretten, und der ganzen Welt Gnade zu er-

wer-

Vierzigſte Betrachtung.
er aus der Vollendung ſeines Mittlergeſchäftes auf Erden
ſchöpfte, den Troſt, den er ſich bisher zum Augenmerk bey
ſeinem Leben und unter ſeinen Leiden geſetzt hatte, konnte
weder die Macht ſeiner Feinde, noch die Gewalt des Höl-
lenreiches aus ſeiner Seele rauben. In den ſchrecklichſten
Stunden der Angſt, die er bisher zurückgelegt hatte, war
der Anblick ſeiner Vollendung und der ſelige Ausgang ſei-
ner Leiden, das einzige, was ihn aufrecht erhielt. Die
Vorſtellung von ſeiner hohen Beſtimmung und der dadurch
zu bewirkenden Erlöſung der Sünder nahm ſeine ganze
Seele ein, und machte ihn bereitwillig, auch die entſetzlich-
ſten Quaalen des Todes zu erdulden. Und mit welcher
göttlichen Freude mußte nun ſein Herz erfüllt ſeyn, da
er ſich an dem Ende ſeiner ſchönen Laufbahn und das gan-
ze Werk herrlich vollendet ſahe, wozu er von ſeinem Va-
ter beſtimmt worden war. Gewiß ſeines Sieges konnte
er triumphirend ausrufen: Es iſt vollbracht.

Vollbracht war der ganze Zweck ſeiner Sendung.
In ſeinem ganzen Wandel auf Erden, in ſeiner Jugend
ſowohl, als im reifern Alter, in der Einſamkeit ſowohl, als
im geſellſchaftlichen Umgange, in guten und böſen Ta-
gen, hatte er ſich ſeinem göttlichen Berufe gemäß verhal-
ten, und mit der pünktlichſten Treue den Willen ſeines Va-
ters ausgeübet. Eben ſo genau erfüllte er die Pflichten
gegen die Menſchen, ſeine Brüder. Er war geſandt,
den Armen und Elenden das Evangelium zu predigen, den
Rath Gottes von der Seligkeit der Menſchen zu verkün-
digen, und die Wege des Friedens und des Lebens zu zei-
gen. In allen dieſen Obliegenheiten bewies er ſich bis an
ſeinen Tod geſchäftig. Es war in ſeinem ganzen Leben
ſeine liebſte Beſchäftigung, an der Beſſerung der Menſchen
zu arbeiten, das Verlohrne zu ſuchen und ſelig zu machen,
Elende zu erretten, und der ganzen Welt Gnade zu er-

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[180/0202] Vierzigſte Betrachtung. er aus der Vollendung ſeines Mittlergeſchäftes auf Erden ſchöpfte, den Troſt, den er ſich bisher zum Augenmerk bey ſeinem Leben und unter ſeinen Leiden geſetzt hatte, konnte weder die Macht ſeiner Feinde, noch die Gewalt des Höl- lenreiches aus ſeiner Seele rauben. In den ſchrecklichſten Stunden der Angſt, die er bisher zurückgelegt hatte, war der Anblick ſeiner Vollendung und der ſelige Ausgang ſei- ner Leiden, das einzige, was ihn aufrecht erhielt. Die Vorſtellung von ſeiner hohen Beſtimmung und der dadurch zu bewirkenden Erlöſung der Sünder nahm ſeine ganze Seele ein, und machte ihn bereitwillig, auch die entſetzlich- ſten Quaalen des Todes zu erdulden. Und mit welcher göttlichen Freude mußte nun ſein Herz erfüllt ſeyn, da er ſich an dem Ende ſeiner ſchönen Laufbahn und das gan- ze Werk herrlich vollendet ſahe, wozu er von ſeinem Va- ter beſtimmt worden war. Gewiß ſeines Sieges konnte er triumphirend ausrufen: Es iſt vollbracht. Vollbracht war der ganze Zweck ſeiner Sendung. In ſeinem ganzen Wandel auf Erden, in ſeiner Jugend ſowohl, als im reifern Alter, in der Einſamkeit ſowohl, als im geſellſchaftlichen Umgange, in guten und böſen Ta- gen, hatte er ſich ſeinem göttlichen Berufe gemäß verhal- ten, und mit der pünktlichſten Treue den Willen ſeines Va- ters ausgeübet. Eben ſo genau erfüllte er die Pflichten gegen die Menſchen, ſeine Brüder. Er war geſandt, den Armen und Elenden das Evangelium zu predigen, den Rath Gottes von der Seligkeit der Menſchen zu verkün- digen, und die Wege des Friedens und des Lebens zu zei- gen. In allen dieſen Obliegenheiten bewies er ſich bis an ſeinen Tod geſchäftig. Es war in ſeinem ganzen Leben ſeine liebſte Beſchäftigung, an der Beſſerung der Menſchen zu arbeiten, das Verlohrne zu ſuchen und ſelig zu machen, Elende zu erretten, und der ganzen Welt Gnade zu er- wer-

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Zitationshilfe: Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/202>, abgerufen am 24.11.2024.