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Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775.

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Neun und zwanzigste Betrachtung.
ihm daher das Holz des Kreuzes ab, und legten es einem
Fremdlinge auf, welcher von der Reise kam, und auf
dem Osterfeste seine Andacht zu Jerusalem verrichten woll-
te. -- Dieser Umstand, so geringscheinend er ist, ist für
mich von trostreicher Wichtigkeit. Auf diese Art weiß Gott
seinen Kindern, wo nicht völlige Befreyung, jedoch zum
wenigsten Erleichterung unter ihren Leiden, mitzutheilen.
Er mißt die Last, die er mir auferlegt, nach der Schwach-
heit oder Stärke meiner Schultern ab. Und wenn ich
in Gefahr bin, unter derselben zu erliegen, so kann er tau-
send, wie wir glauben, zufällige Umstände veranstalten,
durch welche mir einige Erholung widerfahren kann. Es
schien sich durch ein Ohngefähr zuzutragen, daß ein Fremd-
ling gerade zu der Zeit in die Gegend kam, wo Jesus sei-
ne Reise nach Golgatha antrat. Allein es geschah dieser
Umstand durch die weiseste Veranstaltung Gottes. Die-
ser Mann war dazu ausersehen worden, Jesu eine Erleich-
terung zu verschaffen, und die kleinsten Zufälle musten sich
zu dieser Absicht vereinigen. Wer weiß, welcher Freund
mir von Gott zugeführt wird, der mich unter meinen Lei-
den erquicke? Wer weiß, welcher Fremdling dazu aus-
ersehen ist, mir in meiner Armuth, in meinem Waisenstan-
de, oder in meiner Krankheit beyzustehen? Wer weiß,
welche kleine nichtsbedeutende Umstände der Herr zu mei-
ner Errettung zusammenordnen wird? Vielleicht wird
selbst mein ergrimmtester Feind mir in meiner Verlegenheit
behülflich seyn, und ein Werkzeug meines Glücks wer-
den müssen? So viel ist zum wenigsten gewiß: ich wer-
de, wenn mich auch meine Noth zu Boden zu werfen
scheint, dennoch nicht unterliegen dürfen. Der Herr, der
groß von Rath und mächtig von That ist, wird auf viel-
fache Art mich zu unterstützen wissen.

Si-

Neun und zwanzigſte Betrachtung.
ihm daher das Holz des Kreuzes ab, und legten es einem
Fremdlinge auf, welcher von der Reiſe kam, und auf
dem Oſterfeſte ſeine Andacht zu Jeruſalem verrichten woll-
te. — Dieſer Umſtand, ſo geringſcheinend er iſt, iſt für
mich von troſtreicher Wichtigkeit. Auf dieſe Art weiß Gott
ſeinen Kindern, wo nicht völlige Befreyung, jedoch zum
wenigſten Erleichterung unter ihren Leiden, mitzutheilen.
Er mißt die Laſt, die er mir auferlegt, nach der Schwach-
heit oder Stärke meiner Schultern ab. Und wenn ich
in Gefahr bin, unter derſelben zu erliegen, ſo kann er tau-
ſend, wie wir glauben, zufällige Umſtände veranſtalten,
durch welche mir einige Erholung widerfahren kann. Es
ſchien ſich durch ein Ohngefähr zuzutragen, daß ein Fremd-
ling gerade zu der Zeit in die Gegend kam, wo Jeſus ſei-
ne Reiſe nach Golgatha antrat. Allein es geſchah dieſer
Umſtand durch die weiſeſte Veranſtaltung Gottes. Die-
ſer Mann war dazu auserſehen worden, Jeſu eine Erleich-
terung zu verſchaffen, und die kleinſten Zufälle muſten ſich
zu dieſer Abſicht vereinigen. Wer weiß, welcher Freund
mir von Gott zugeführt wird, der mich unter meinen Lei-
den erquicke? Wer weiß, welcher Fremdling dazu aus-
erſehen iſt, mir in meiner Armuth, in meinem Waiſenſtan-
de, oder in meiner Krankheit beyzuſtehen? Wer weiß,
welche kleine nichtsbedeutende Umſtände der Herr zu mei-
ner Errettung zuſammenordnen wird? Vielleicht wird
ſelbſt mein ergrimmteſter Feind mir in meiner Verlegenheit
behülflich ſeyn, und ein Werkzeug meines Glücks wer-
den müſſen? So viel iſt zum wenigſten gewiß: ich wer-
de, wenn mich auch meine Noth zu Boden zu werfen
ſcheint, dennoch nicht unterliegen dürfen. Der Herr, der
groß von Rath und mächtig von That iſt, wird auf viel-
fache Art mich zu unterſtützen wiſſen.

Si-
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[130/0152] Neun und zwanzigſte Betrachtung. ihm daher das Holz des Kreuzes ab, und legten es einem Fremdlinge auf, welcher von der Reiſe kam, und auf dem Oſterfeſte ſeine Andacht zu Jeruſalem verrichten woll- te. — Dieſer Umſtand, ſo geringſcheinend er iſt, iſt für mich von troſtreicher Wichtigkeit. Auf dieſe Art weiß Gott ſeinen Kindern, wo nicht völlige Befreyung, jedoch zum wenigſten Erleichterung unter ihren Leiden, mitzutheilen. Er mißt die Laſt, die er mir auferlegt, nach der Schwach- heit oder Stärke meiner Schultern ab. Und wenn ich in Gefahr bin, unter derſelben zu erliegen, ſo kann er tau- ſend, wie wir glauben, zufällige Umſtände veranſtalten, durch welche mir einige Erholung widerfahren kann. Es ſchien ſich durch ein Ohngefähr zuzutragen, daß ein Fremd- ling gerade zu der Zeit in die Gegend kam, wo Jeſus ſei- ne Reiſe nach Golgatha antrat. Allein es geſchah dieſer Umſtand durch die weiſeſte Veranſtaltung Gottes. Die- ſer Mann war dazu auserſehen worden, Jeſu eine Erleich- terung zu verſchaffen, und die kleinſten Zufälle muſten ſich zu dieſer Abſicht vereinigen. Wer weiß, welcher Freund mir von Gott zugeführt wird, der mich unter meinen Lei- den erquicke? Wer weiß, welcher Fremdling dazu aus- erſehen iſt, mir in meiner Armuth, in meinem Waiſenſtan- de, oder in meiner Krankheit beyzuſtehen? Wer weiß, welche kleine nichtsbedeutende Umſtände der Herr zu mei- ner Errettung zuſammenordnen wird? Vielleicht wird ſelbſt mein ergrimmteſter Feind mir in meiner Verlegenheit behülflich ſeyn, und ein Werkzeug meines Glücks wer- den müſſen? So viel iſt zum wenigſten gewiß: ich wer- de, wenn mich auch meine Noth zu Boden zu werfen ſcheint, dennoch nicht unterliegen dürfen. Der Herr, der groß von Rath und mächtig von That iſt, wird auf viel- fache Art mich zu unterſtützen wiſſen. Si-

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Zitationshilfe: Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/152>, abgerufen am 24.11.2024.