Auch Kant, wie Schleiermacher, dessen Christologie überhaupt in manchen Beziehungen an die Kantische er- innert 5), kommt in der Aneignung der kirchlichen Chri- stologie nur bis zum Tod Christi: von seiner Auferstehung und Himmelfahrt aber sagt er, sie können zur Religion innerhalb der Grenzen der blossen Vernunft nicht benüzt werden, weil sie auf Materialität aller Weltwesen führen würden. Wie er indess auf der andern Seite diese That- sachen doch wieder als Symbole von Vernunftideen, als Bilder des Eingangs in den Siz der Seligkeit, d. h. in die Gemeinschaft mit allen Guten, gelten lässt: so hat noch bestimmter Tieftrunk erklärt, ohne die Auferstehung wür- de die Geschichte Jesu sich in ein widriges Ende verlie- ren, das Auge sich mit Wehmuth und Widerwillen von einer Begebenheit abwenden, in welcher das Muster der Menschheit als Opfer unheiliger Wuth fiele, und die Scene sich mit seinem ebenso unschuldigen, als schmerzli- chen Tod beschlösse; es müsse der Ausgang dieser Geschich- te mit der Erfüllung der Erwartung gekrönt sein, zu wel- cher sich die moralische Betrachtung eines jeden unwider- stehlich hingezogen fühle: mit dem Übergang in eine ver- geltende Unsterblichkeit 6).
Auf ähnliche Weise schrieb de Wette, wie jeder Geschichte, und insbesondere der Religionsgeschichte, so auch der evangelischen, einen symbolischen, idealen Cha- rakter zu, vermöge dessen sie Ausdruck und Abbild des menschlichen Geistes und seiner Thätigkeiten sei. Die Ge- schichte von der wunderbaren Erzeugung Jesu stelle den göttlichen Ursprung der Religion dar; die Erzählungen von seinen Wunderthaten die selbstständige Kraft des Menschengeistes und die erhabene Lehre des geistigen Selbstvertrauens; seine Auferstehung sei das Bild des
5) Wie diess Baur nachweist, christl. Gnosis, S. 660 ff.
6) Consur des christl. protestantischen Lehrbegriffs, 3, S. 180.
Schluſsabhandlung. §. 145.
Auch Kant, wie Schleiermacher, dessen Christologie überhaupt in manchen Beziehungen an die Kantische er- innert 5), kommt in der Aneignung der kirchlichen Chri- stologie nur bis zum Tod Christi: von seiner Auferstehung und Himmelfahrt aber sagt er, sie können zur Religion innerhalb der Grenzen der bloſsen Vernunft nicht benüzt werden, weil sie auf Materialität aller Weltwesen führen würden. Wie er indeſs auf der andern Seite diese That- sachen doch wieder als Symbole von Vernunftideen, als Bilder des Eingangs in den Siz der Seligkeit, d. h. in die Gemeinschaft mit allen Guten, gelten läſst: so hat noch bestimmter Tieftrunk erklärt, ohne die Auferstehung wür- de die Geschichte Jesu sich in ein widriges Ende verlie- ren, das Auge sich mit Wehmuth und Widerwillen von einer Begebenheit abwenden, in welcher das Muster der Menschheit als Opfer unheiliger Wuth fiele, und die Scene sich mit seinem ebenso unschuldigen, als schmerzli- chen Tod beschlöſse; es müsse der Ausgang dieser Geschich- te mit der Erfüllung der Erwartung gekrönt sein, zu wel- cher sich die moralische Betrachtung eines jeden unwider- stehlich hingezogen fühle: mit dem Übergang in eine ver- geltende Unsterblichkeit 6).
Auf ähnliche Weise schrieb de Wette, wie jeder Geschichte, und insbesondere der Religionsgeschichte, so auch der evangelischen, einen symbolischen, idealen Cha- rakter zu, vermöge dessen sie Ausdruck und Abbild des menschlichen Geistes und seiner Thätigkeiten sei. Die Ge- schichte von der wunderbaren Erzeugung Jesu stelle den göttlichen Ursprung der Religion dar; die Erzählungen von seinen Wunderthaten die selbstständige Kraft des Menschengeistes und die erhabene Lehre des geistigen Selbstvertrauens; seine Auferstehung sei das Bild des
5) Wie diess Baur nachweist, christl. Gnosis, S. 660 ff.
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Schluſsabhandlung. §. 145.
Auch Kant, wie Schleiermacher, dessen Christologie
überhaupt in manchen Beziehungen an die Kantische er-
innert 5), kommt in der Aneignung der kirchlichen Chri-
stologie nur bis zum Tod Christi: von seiner Auferstehung
und Himmelfahrt aber sagt er, sie können zur Religion
innerhalb der Grenzen der bloſsen Vernunft nicht benüzt
werden, weil sie auf Materialität aller Weltwesen führen
würden. Wie er indeſs auf der andern Seite diese That-
sachen doch wieder als Symbole von Vernunftideen, als
Bilder des Eingangs in den Siz der Seligkeit, d. h. in die
Gemeinschaft mit allen Guten, gelten läſst: so hat noch
bestimmter Tieftrunk erklärt, ohne die Auferstehung wür-
de die Geschichte Jesu sich in ein widriges Ende verlie-
ren, das Auge sich mit Wehmuth und Widerwillen von
einer Begebenheit abwenden, in welcher das Muster der
Menschheit als Opfer unheiliger Wuth fiele, und die
Scene sich mit seinem ebenso unschuldigen, als schmerzli-
chen Tod beschlöſse; es müsse der Ausgang dieser Geschich-
te mit der Erfüllung der Erwartung gekrönt sein, zu wel-
cher sich die moralische Betrachtung eines jeden unwider-
stehlich hingezogen fühle: mit dem Übergang in eine ver-
geltende Unsterblichkeit 6).
Auf ähnliche Weise schrieb de Wette, wie jeder
Geschichte, und insbesondere der Religionsgeschichte, so
auch der evangelischen, einen symbolischen, idealen Cha-
rakter zu, vermöge dessen sie Ausdruck und Abbild des
menschlichen Geistes und seiner Thätigkeiten sei. Die Ge-
schichte von der wunderbaren Erzeugung Jesu stelle den
göttlichen Ursprung der Religion dar; die Erzählungen
von seinen Wunderthaten die selbstständige Kraft des
Menschengeistes und die erhabene Lehre des geistigen
Selbstvertrauens; seine Auferstehung sei das Bild des
5) Wie diess Baur nachweist, christl. Gnosis, S. 660 ff.
6) Consur des christl. protestantischen Lehrbegriffs, 3, S. 180.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 725. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/744>, abgerufen am 23.11.2024.
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