Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Viertes Kapitel. §. 136.
lismus in Betreff dieser Erscheinungen herauszukommen,
haben Andere nach natürlichen äusseren Veranlassungen
gesucht, welche die Meinung erregen konnten, Jesus
sei auferstanden und als Auferstandener gesehen worden.
Den ersten Anstoss, vermuthete man, habe das gegeben,
dass am zweiten Morgen nach dem Begräbniss sein Grab
leer gefunden wurde, dessen Leintücher zuerst für Engel,
dann für eine Erscheinung des Auferstandenen selbst gehal-
ten worden seien 17): allein, wenn der Leib Jesu nicht
neubelebt aus dem Grabe hervorgegangen ist, wie soll er
denn herausgekommen sein? Da müsste man ja wieder
an Diebstahl denken: wenn man nicht aus der Andeutung
bei Johannes, dass Jesus der Eile wegen in ein fremdes
Grab gelegt worden, die Vermuthung herleiten will, dass
vielleicht der Eigenthümer der Gruft den Leichnam habe
entfernen lassen, was aber die Jünger nachträglich hätten
erfahren müssen, und was in jedem Fall an der vereinzel-
ten Angabe des vierten Evangeliums eine zu schwache
Grundlage hat.

Ungleich fruchtbarer ist die Hinweisung auf die pau-
linische Stelle 1. Kor. 15, 5 ff, als den geeignetsten Aus-

rit -- ego non nego. Nam ipse etiam Abrahamus credidit,
quod Deus apud ipsum pransus fuerit -- cum tamen haec et
plura alia hujusmodi apparitiones seu revelationes fuerint,
captui et opinionibus eorum hominum accommodatae, quibus
Deus mentem suam iisdem revelare voluit. Concludo itaque
Christi a mortuis resurrectionem revera spiritualem, et so-
lis fidelibus ad eorum captum revelatam fuisse, nempe quod
Christus aeternitate donatus fuit, et a mortuis (mortuos hic
intelligo eo sensu, quo Christus dixit: sinite mortuos sepe-
lire mortuos suos) surrexit, simulatque vita et morte singu-
laris sanctitatis exemplum dedit, et eatenus discipulos suos
a mortuis suscitat, quatenus ipsi hoc vitae ejus et mortis
exemplum sequuntur.
17) Versuch über die Auferstehung Jesu, in Schmidt's Bibliothek,
2, 4, S. 545 ff.

Viertes Kapitel. §. 136.
lismus in Betreff dieser Erscheinungen herauszukommen,
haben Andere nach natürlichen äusseren Veranlassungen
gesucht, welche die Meinung erregen konnten, Jesus
sei auferstanden und als Auferstandener gesehen worden.
Den ersten Anstoſs, vermuthete man, habe das gegeben,
daſs am zweiten Morgen nach dem Begräbniſs sein Grab
leer gefunden wurde, dessen Leintücher zuerst für Engel,
dann für eine Erscheinung des Auferstandenen selbst gehal-
ten worden seien 17): allein, wenn der Leib Jesu nicht
neubelebt aus dem Grabe hervorgegangen ist, wie soll er
denn herausgekommen sein? Da müſste man ja wieder
an Diebstahl denken: wenn man nicht aus der Andeutung
bei Johannes, daſs Jesus der Eile wegen in ein fremdes
Grab gelegt worden, die Vermuthung herleiten will, daſs
vielleicht der Eigenthümer der Gruft den Leichnam habe
entfernen lassen, was aber die Jünger nachträglich hätten
erfahren müssen, und was in jedem Fall an der vereinzel-
ten Angabe des vierten Evangeliums eine zu schwache
Grundlage hat.

Ungleich fruchtbarer ist die Hinweisung auf die pau-
linische Stelle 1. Kor. 15, 5 ff, als den geeignetsten Aus-

rit — ego non nego. Nam ipse etiam Abrahamus credidit,
quod Deus apud ipsum pransus fuerit — cum tamen haec et
plura alia hujusmodi apparitiones seu revelationes fuerint,
captui et opinionibus eorum hominum accommodatae, quibus
Deus mentem suam iisdem revelare voluit. Concludo itaque
Christi a mortuis resurrectionem revera spiritualem, et so-
lis fidelibus ad eorum captum revelatam fuisse, nempe quod
Christus aeternitate donatus fuit, et a mortuis (mortuos hic
intelligo eo sensu, quo Christus dixit: sinite mortuos sepe-
lire mortuos suos) surrexit, simulatque vita et morte singu-
laris sanctitatis exemplum dedit, et eatenus discipulos suos
a mortuis suscitat, quatenus ipsi hoc vitae ejus et mortis
exemplum sequuntur.
17) Versuch über die Auferstehung Jesu, in Schmidt's Bibliothek,
2, 4, S. 545 ff.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0674" n="655"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Viertes Kapitel</hi>. §. 136.</fw><lb/>
lismus in Betreff dieser Erscheinungen herauszukommen,<lb/>
haben Andere nach natürlichen äusseren Veranlassungen<lb/>
gesucht, welche die Meinung erregen konnten, Jesus<lb/>
sei auferstanden und als Auferstandener gesehen worden.<lb/>
Den ersten Ansto&#x017F;s, vermuthete man, habe das gegeben,<lb/>
da&#x017F;s am zweiten Morgen nach dem Begräbni&#x017F;s sein Grab<lb/>
leer gefunden wurde, dessen Leintücher zuerst für Engel,<lb/>
dann für eine Erscheinung des Auferstandenen selbst gehal-<lb/>
ten worden seien <note place="foot" n="17)">Versuch über die Auferstehung Jesu, in <hi rendition="#k">Schmidt</hi>'s Bibliothek,<lb/>
2, 4, S. 545 ff.</note>: allein, wenn der Leib Jesu nicht<lb/>
neubelebt aus dem Grabe hervorgegangen ist, wie soll er<lb/>
denn herausgekommen sein? Da mü&#x017F;ste man ja wieder<lb/>
an Diebstahl denken: wenn man nicht aus der Andeutung<lb/>
bei Johannes, da&#x017F;s Jesus der Eile wegen in ein fremdes<lb/>
Grab gelegt worden, die Vermuthung herleiten will, da&#x017F;s<lb/>
vielleicht der Eigenthümer der Gruft den Leichnam habe<lb/>
entfernen lassen, was aber die Jünger nachträglich hätten<lb/>
erfahren müssen, und was in jedem Fall an der vereinzel-<lb/>
ten Angabe des vierten Evangeliums eine zu schwache<lb/>
Grundlage hat.</p><lb/>
          <p>Ungleich fruchtbarer ist die Hinweisung auf die pau-<lb/>
linische Stelle 1. Kor. 15, 5 ff, als den geeignetsten Aus-<lb/><note xml:id="seg2pn_19_2" prev="#seg2pn_19_1" place="foot" n="16)"><quote xml:lang="lat">rit &#x2014; ego non nego. Nam ipse etiam Abrahamus credidit,<lb/>
quod Deus apud ipsum pransus fuerit &#x2014; cum tamen haec et<lb/>
plura alia hujusmodi apparitiones seu revelationes fuerint,<lb/>
captui et opinionibus eorum hominum accommodatae, quibus<lb/>
Deus mentem suam iisdem revelare voluit. Concludo itaque<lb/>
Christi a mortuis resurrectionem revera spiritualem, et so-<lb/>
lis fidelibus ad eorum captum revelatam fuisse, nempe quod<lb/>
Christus aeternitate donatus fuit, et a mortuis (mortuos hic<lb/>
intelligo eo sensu, quo Christus dixit: sinite mortuos sepe-<lb/>
lire mortuos suos) surrexit, simulatque vita et morte singu-<lb/>
laris sanctitatis exemplum dedit, et eatenus discipulos suos<lb/>
a mortuis suscitat, quatenus ipsi hoc vitae ejus et mortis<lb/>
exemplum sequuntur.</quote></note><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[655/0674] Viertes Kapitel. §. 136. lismus in Betreff dieser Erscheinungen herauszukommen, haben Andere nach natürlichen äusseren Veranlassungen gesucht, welche die Meinung erregen konnten, Jesus sei auferstanden und als Auferstandener gesehen worden. Den ersten Anstoſs, vermuthete man, habe das gegeben, daſs am zweiten Morgen nach dem Begräbniſs sein Grab leer gefunden wurde, dessen Leintücher zuerst für Engel, dann für eine Erscheinung des Auferstandenen selbst gehal- ten worden seien 17): allein, wenn der Leib Jesu nicht neubelebt aus dem Grabe hervorgegangen ist, wie soll er denn herausgekommen sein? Da müſste man ja wieder an Diebstahl denken: wenn man nicht aus der Andeutung bei Johannes, daſs Jesus der Eile wegen in ein fremdes Grab gelegt worden, die Vermuthung herleiten will, daſs vielleicht der Eigenthümer der Gruft den Leichnam habe entfernen lassen, was aber die Jünger nachträglich hätten erfahren müssen, und was in jedem Fall an der vereinzel- ten Angabe des vierten Evangeliums eine zu schwache Grundlage hat. Ungleich fruchtbarer ist die Hinweisung auf die pau- linische Stelle 1. Kor. 15, 5 ff, als den geeignetsten Aus- 16) 17) Versuch über die Auferstehung Jesu, in Schmidt's Bibliothek, 2, 4, S. 545 ff. 16) rit — ego non nego. Nam ipse etiam Abrahamus credidit, quod Deus apud ipsum pransus fuerit — cum tamen haec et plura alia hujusmodi apparitiones seu revelationes fuerint, captui et opinionibus eorum hominum accommodatae, quibus Deus mentem suam iisdem revelare voluit. Concludo itaque Christi a mortuis resurrectionem revera spiritualem, et so- lis fidelibus ad eorum captum revelatam fuisse, nempe quod Christus aeternitate donatus fuit, et a mortuis (mortuos hic intelligo eo sensu, quo Christus dixit: sinite mortuos sepe- lire mortuos suos) surrexit, simulatque vita et morte singu- laris sanctitatis exemplum dedit, et eatenus discipulos suos a mortuis suscitat, quatenus ipsi hoc vitae ejus et mortis exemplum sequuntur.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/674
Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 655. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/674>, abgerufen am 23.11.2024.