Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Viertes Kapitel. §. 136.
gehabt haben, wenn dieser nicht blosse Erdichtung ratio-
nalistischer Ausleger wäre.

Unerachtet aller dieser Unwahrscheinlichkeiten jedoch,
welche die Ansicht gegen sich hat, dass Jesus aus einem
blossen Scheintode durch natürliche Ursachen wieder zum
Leben gekommen sei, bleibt sie doch insoweit möglich,
dass, wenn uns die Wiederbelebung Jesu sicher verbürgt
wäre, wir aus der Entschiedenheit des Erfolgs die Lücken
der Berichte über den Hergang der Sache ergänzen, und
der bisher vorgetragenen Ansicht, mit Abweisung jedoch
aller bestimmten Vermuthungen, beitreten könnten. Ver-
bürgt wäre uns die Auferstehung Jesu, wenn sie von un-
parteiischen Zeugen auf bestimmte und zusammenstimmen-
de Weise beurkundet wäre. Aber eben die Unparteilich-
keit der angeblichen Zeugen für die Auferstehung Jesu ha-
ben die Gegner des Christenthums von Celsus bis auf den
Wolfenbüttler Fragmentisten herab in Anspruch genom-
men. Nur seinen Anhängern habe sich Jesus gezeigt:
warum nicht auch seinen Feinden, um auch sie zu über-
zeugen, und durch ihr Zeugniss der Nachwelt jede Ver-
muthung einer absichtlichen Täuschung von Seiten seiner
Jünger zu benehmen? 8) So wenig ich nun auch von den
Erwiederungen der Apologeten auf diesen Einwand halten
kann, von dem Origeneischen epheideto gar kai tou kata-
dikasantos kai ton epereasanton o khrisos, ina me patakh-
thosin aorasia 9) an, bis auf die Meinungen der Neueren,

8) Orig. c. Cels. 2, 63: Meta tauta o Kelsos ouk eukataphrone-
tos ta gegrammena kakologon, phesin, oti ekhren, eiper ontos
theian dunamin ekphenai ethelen o I., autois tois epereasasi kai
to katadikasanti kai olos pasin ophthenai. -- 67: ou gar -- epi
tout epemphthe ten arkhen, ina lathe. Vgl. den Wolfenbüttler,
bei Lessing, S. 450. 60. 92 ff. Woolston, Disc. 6. Spinoza,
ep. 23. ad Oldenburg. p. 558 f. ed. Gfrörer.
9) a. a. O. 67.
Bogen 41. ist S. 651 u. 652 auszuschneiden u. dieses Blatt einzubinden.

Viertes Kapitel. §. 136.
gehabt haben, wenn dieser nicht bloſse Erdichtung ratio-
nalistischer Ausleger wäre.

Unerachtet aller dieser Unwahrscheinlichkeiten jedoch,
welche die Ansicht gegen sich hat, daſs Jesus aus einem
bloſsen Scheintode durch natürliche Ursachen wieder zum
Leben gekommen sei, bleibt sie doch insoweit möglich,
daſs, wenn uns die Wiederbelebung Jesu sicher verbürgt
wäre, wir aus der Entschiedenheit des Erfolgs die Lücken
der Berichte über den Hergang der Sache ergänzen, und
der bisher vorgetragenen Ansicht, mit Abweisung jedoch
aller bestimmten Vermuthungen, beitreten könnten. Ver-
bürgt wäre uns die Auferstehung Jesu, wenn sie von un-
parteiischen Zeugen auf bestimmte und zusammenstimmen-
de Weise beurkundet wäre. Aber eben die Unparteilich-
keit der angeblichen Zeugen für die Auferstehung Jesu ha-
ben die Gegner des Christenthums von Celsus bis auf den
Wolfenbüttler Fragmentisten herab in Anspruch genom-
men. Nur seinen Anhängern habe sich Jesus gezeigt:
warum nicht auch seinen Feinden, um auch sie zu über-
zeugen, und durch ihr Zeugniſs der Nachwelt jede Ver-
muthung einer absichtlichen Täuschung von Seiten seiner
Jünger zu benehmen? 8) So wenig ich nun auch von den
Erwiederungen der Apologeten auf diesen Einwand halten
kann, von dem Origeneischen ἐφείδετο γὰρ καὶ τοῦ κατα-
δικάσαντος καὶ τῶν ἐπηρεασάντων ὁ χριςὸς, ἵνα μὴ παταχ-
ϑῶσιν ἀορασίᾳ 9) an, bis auf die Meinungen der Neueren,

8) Orig. c. Cels. 2, 63: Μετὰ ταῦτα ὁ Κέλσος οὐκ εὐκαταφρονή-
τως τὰ γεγραμμένα κακολογῶν, φησὶν, ὅτι ἐχρῆν, εἴπερ ὄντως
ϑείαν δύναμιν ἐκφῇναι ἤϑελεν ὁ Ἰ., αὐτοῖς τοῖς ἐπηρεάσασι καὶ
τῷ καταδικάσαντι καὶ ὅλως πᾶσιν ὀφϑῆναι. — 67: οὐ γὰρ — ἐπὶ
τοῦτ̕ ἐπέμφϑη τὴν ἀρχὴν, ἵνα λάϑῃ. Vgl. den Wolfenbüttler,
bei Lessing, S. 450. 60. 92 ff. Woolston, Disc. 6. Spinoza,
ep. 23. ad Oldenburg. p. 558 f. ed. Gfrörer.
9) a. a. O. 67.
Bogen 41. ist S. 651 u. 652 auszuschneiden u. dieses Blatt einzubinden.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0670" n="651"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Viertes Kapitel</hi>. §. 136.</fw><lb/>
gehabt haben, wenn dieser nicht blo&#x017F;se Erdichtung ratio-<lb/>
nalistischer Ausleger wäre.</p><lb/>
          <p>Unerachtet aller dieser Unwahrscheinlichkeiten jedoch,<lb/>
welche die Ansicht gegen sich hat, da&#x017F;s Jesus aus einem<lb/>
blo&#x017F;sen Scheintode durch natürliche Ursachen wieder zum<lb/>
Leben gekommen sei, bleibt sie doch insoweit möglich,<lb/>
da&#x017F;s, wenn uns die Wiederbelebung Jesu sicher verbürgt<lb/>
wäre, wir aus der Entschiedenheit des Erfolgs die Lücken<lb/>
der Berichte über den Hergang der Sache ergänzen, und<lb/>
der bisher vorgetragenen Ansicht, mit Abweisung jedoch<lb/>
aller bestimmten Vermuthungen, beitreten könnten. Ver-<lb/>
bürgt wäre uns die Auferstehung Jesu, wenn sie von un-<lb/>
parteiischen Zeugen auf bestimmte und zusammenstimmen-<lb/>
de Weise beurkundet wäre. Aber eben die Unparteilich-<lb/>
keit der angeblichen Zeugen für die Auferstehung Jesu ha-<lb/>
ben die Gegner des Christenthums von Celsus bis auf den<lb/>
Wolfenbüttler Fragmentisten herab in Anspruch genom-<lb/>
men. Nur seinen Anhängern habe sich Jesus gezeigt:<lb/>
warum nicht auch seinen Feinden, um auch sie zu über-<lb/>
zeugen, und durch ihr Zeugni&#x017F;s der Nachwelt jede Ver-<lb/>
muthung einer absichtlichen Täuschung von Seiten seiner<lb/>
Jünger zu benehmen? <note place="foot" n="8)">Orig. c. Cels. 2, 63: <foreign xml:lang="ell">&#x039C;&#x03B5;&#x03C4;&#x1F70; &#x03C4;&#x03B1;&#x1FE6;&#x03C4;&#x03B1; &#x1F41; &#x039A;&#x03AD;&#x03BB;&#x03C3;&#x03BF;&#x03C2; &#x03BF;&#x1F50;&#x03BA; &#x03B5;&#x1F50;&#x03BA;&#x03B1;&#x03C4;&#x03B1;&#x03C6;&#x03C1;&#x03BF;&#x03BD;&#x03AE;-<lb/>
&#x03C4;&#x03C9;&#x03C2; &#x03C4;&#x1F70; &#x03B3;&#x03B5;&#x03B3;&#x03C1;&#x03B1;&#x03BC;&#x03BC;&#x03AD;&#x03BD;&#x03B1; &#x03BA;&#x03B1;&#x03BA;&#x03BF;&#x03BB;&#x03BF;&#x03B3;&#x1FF6;&#x03BD;, &#x03C6;&#x03B7;&#x03C3;&#x1F76;&#x03BD;, &#x1F45;&#x03C4;&#x03B9; &#x1F10;&#x03C7;&#x03C1;&#x1FC6;&#x03BD;, &#x03B5;&#x1F34;&#x03C0;&#x03B5;&#x03C1; &#x1F44;&#x03BD;&#x03C4;&#x03C9;&#x03C2;<lb/>
&#x03D1;&#x03B5;&#x03AF;&#x03B1;&#x03BD; &#x03B4;&#x03CD;&#x03BD;&#x03B1;&#x03BC;&#x03B9;&#x03BD; &#x1F10;&#x03BA;&#x03C6;&#x1FC7;&#x03BD;&#x03B1;&#x03B9; &#x1F24;&#x03D1;&#x03B5;&#x03BB;&#x03B5;&#x03BD; &#x1F41; &#x1F38;., &#x03B1;&#x1F50;&#x03C4;&#x03BF;&#x1FD6;&#x03C2; &#x03C4;&#x03BF;&#x1FD6;&#x03C2; &#x1F10;&#x03C0;&#x03B7;&#x03C1;&#x03B5;&#x03AC;&#x03C3;&#x03B1;&#x03C3;&#x03B9; &#x03BA;&#x03B1;&#x1F76;<lb/>
&#x03C4;&#x1FF7; &#x03BA;&#x03B1;&#x03C4;&#x03B1;&#x03B4;&#x03B9;&#x03BA;&#x03AC;&#x03C3;&#x03B1;&#x03BD;&#x03C4;&#x03B9; &#x03BA;&#x03B1;&#x1F76; &#x1F45;&#x03BB;&#x03C9;&#x03C2; &#x03C0;&#x1FB6;&#x03C3;&#x03B9;&#x03BD; &#x1F40;&#x03C6;&#x03D1;&#x1FC6;&#x03BD;&#x03B1;&#x03B9;.</foreign> &#x2014; 67: <foreign xml:lang="ell">&#x03BF;&#x1F50; &#x03B3;&#x1F70;&#x03C1; &#x2014; &#x1F10;&#x03C0;&#x1F76;<lb/>
&#x03C4;&#x03BF;&#x03C5;&#x0342;&#x03C4;&#x0315; &#x1F10;&#x03C0;&#x03AD;&#x03BC;&#x03C6;&#x03D1;&#x03B7; &#x03C4;&#x1F74;&#x03BD; &#x1F00;&#x03C1;&#x03C7;&#x1F74;&#x03BD;, &#x1F35;&#x03BD;&#x03B1; &#x03BB;&#x03AC;&#x03D1;&#x1FC3;.</foreign> Vgl. den Wolfenbüttler,<lb/>
bei <hi rendition="#k">Lessing</hi>, S. 450. 60. 92 ff. <hi rendition="#k">Woolston</hi>, Disc. 6. <hi rendition="#k">Spinoza</hi>,<lb/>
ep. 23. ad Oldenburg. p. 558 f. ed. <hi rendition="#k">Gfrörer</hi>.</note> So wenig ich nun auch von den<lb/>
Erwiederungen der Apologeten auf diesen Einwand halten<lb/>
kann, von dem Origeneischen <foreign xml:lang="ell">&#x1F10;&#x03C6;&#x03B5;&#x03AF;&#x03B4;&#x03B5;&#x03C4;&#x03BF; &#x03B3;&#x1F70;&#x03C1; &#x03BA;&#x03B1;&#x1F76; &#x03C4;&#x03BF;&#x03C5;&#x0342; &#x03BA;&#x03B1;&#x03C4;&#x03B1;-<lb/>
&#x03B4;&#x03B9;&#x03BA;&#x03AC;&#x03C3;&#x03B1;&#x03BD;&#x03C4;&#x03BF;&#x03C2; &#x03BA;&#x03B1;&#x1F76; &#x03C4;&#x1FF6;&#x03BD; &#x1F10;&#x03C0;&#x03B7;&#x03C1;&#x03B5;&#x03B1;&#x03C3;&#x03AC;&#x03BD;&#x03C4;&#x03C9;&#x03BD; &#x1F41; &#x03C7;&#x03C1;&#x03B9;&#x03C2;&#x1F78;&#x03C2;, &#x1F35;&#x03BD;&#x03B1; &#x03BC;&#x1F74; &#x03C0;&#x03B1;&#x03C4;&#x03B1;&#x03C7;-<lb/>
&#x03D1;&#x1FF6;&#x03C3;&#x03B9;&#x03BD; &#x1F00;&#x03BF;&#x03C1;&#x03B1;&#x03C3;&#x03AF;&#x1FB3;</foreign> <note place="foot" n="9)">a. a. O. 67.</note> an, bis auf die Meinungen der Neueren,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Bogen 41. ist S. 651 u. 652 auszuschneiden u. dieses Blatt einzubinden.</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[651/0670] Viertes Kapitel. §. 136. gehabt haben, wenn dieser nicht bloſse Erdichtung ratio- nalistischer Ausleger wäre. Unerachtet aller dieser Unwahrscheinlichkeiten jedoch, welche die Ansicht gegen sich hat, daſs Jesus aus einem bloſsen Scheintode durch natürliche Ursachen wieder zum Leben gekommen sei, bleibt sie doch insoweit möglich, daſs, wenn uns die Wiederbelebung Jesu sicher verbürgt wäre, wir aus der Entschiedenheit des Erfolgs die Lücken der Berichte über den Hergang der Sache ergänzen, und der bisher vorgetragenen Ansicht, mit Abweisung jedoch aller bestimmten Vermuthungen, beitreten könnten. Ver- bürgt wäre uns die Auferstehung Jesu, wenn sie von un- parteiischen Zeugen auf bestimmte und zusammenstimmen- de Weise beurkundet wäre. Aber eben die Unparteilich- keit der angeblichen Zeugen für die Auferstehung Jesu ha- ben die Gegner des Christenthums von Celsus bis auf den Wolfenbüttler Fragmentisten herab in Anspruch genom- men. Nur seinen Anhängern habe sich Jesus gezeigt: warum nicht auch seinen Feinden, um auch sie zu über- zeugen, und durch ihr Zeugniſs der Nachwelt jede Ver- muthung einer absichtlichen Täuschung von Seiten seiner Jünger zu benehmen? 8) So wenig ich nun auch von den Erwiederungen der Apologeten auf diesen Einwand halten kann, von dem Origeneischen ἐφείδετο γὰρ καὶ τοῦ κατα- δικάσαντος καὶ τῶν ἐπηρεασάντων ὁ χριςὸς, ἵνα μὴ παταχ- ϑῶσιν ἀορασίᾳ 9) an, bis auf die Meinungen der Neueren, 8) Orig. c. Cels. 2, 63: Μετὰ ταῦτα ὁ Κέλσος οὐκ εὐκαταφρονή- τως τὰ γεγραμμένα κακολογῶν, φησὶν, ὅτι ἐχρῆν, εἴπερ ὄντως ϑείαν δύναμιν ἐκφῇναι ἤϑελεν ὁ Ἰ., αὐτοῖς τοῖς ἐπηρεάσασι καὶ τῷ καταδικάσαντι καὶ ὅλως πᾶσιν ὀφϑῆναι. — 67: οὐ γὰρ — ἐπὶ τοῦτ̕ ἐπέμφϑη τὴν ἀρχὴν, ἵνα λάϑῃ. Vgl. den Wolfenbüttler, bei Lessing, S. 450. 60. 92 ff. Woolston, Disc. 6. Spinoza, ep. 23. ad Oldenburg. p. 558 f. ed. Gfrörer. 9) a. a. O. 67. Bogen 41. ist S. 651 u. 652 auszuschneiden u. dieses Blatt einzubinden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/670
Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 651. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/670>, abgerufen am 23.11.2024.