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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Dritter Abschnitt.
zahl, mit den übrigen gemein. Was sollten die Engel bei
dieser Scene? Matthäus sagt uns: den Stein von der Gruft
wälzen; wogegen schon Celsus bemerkt hat, dass nach der
orthodoxen Voraussetzung der Gottessohn hiezu keiner sol-
chen Hülfe benöthigt sein konnte: 19) nur etwa schicklich
mochte er sie finden. Bei Markus und Lukas erscheinen
die Engel mehr nur als diejenigen, welche den Weibern
Nachricht und Aufträge ertheilen sollten: allein da nach
Matthäus und Johannes unmittelbar darauf Jesus selber
erschien und jene Aufträge wiederholte, so war die Be-
stellung durch Engel überflüssig. Es bleibt daher nichts
übrig, als zu sagen: die Engel gehörten zur Verherrli-
chung der grossen Scene, als himmlische Dienerschaft,
welche dem Messias die Thür aufzuthun hatte, durch
welche er ausgehen wollte; als Ehrenwache an der Stelle,
welche der Getödtete so eben lebendig verlassen hatte.
Hier ist nun aber eben die Frage: giebt es einen solchen
Prunk in dem wirklichen Haushalt Gottes, oder nur in
der kindlichen Vorstellung, welche sich die Vorzeit von
demselben machte?

Man hat sich daher verschiedentlich Mühe gegeben,
die Engel der Auferstehungsgeschichte in natürliche Er-
scheinungen zu verwandeln. Gieng man hiebei von dem
Bericht des ersten Evangeliums aus, und erwog, dass dem
Engel eine idea os asrape, als Wirkung die Abwälzung
des Steins und die Betäubung der Hüter zugeschrieben,
auch mit seiner Erscheinung eine Erderschütterung in Ver-
bindung gesezt wird: so lag es nicht mehr fern, entwe-
der an einen Bliz zu denken, welcher mit erschütterndem
Schlage den das Grabmal schliessenden Stein auf die Seite
geschmettert und die Hüter zu Boden geworfen habe;

19) Bei Orig. c. Cels. 5, 52: o gar tou theou pais, os eoiken, ouk
edunato anoixai ton taphon, all edeethe allou apokinesontos ten
petran.

Dritter Abschnitt.
zahl, mit den übrigen gemein. Was sollten die Engel bei
dieser Scene? Matthäus sagt uns: den Stein von der Gruft
wälzen; wogegen schon Celsus bemerkt hat, daſs nach der
orthodoxen Voraussetzung der Gottessohn hiezu keiner sol-
chen Hülfe benöthigt sein konnte: 19) nur etwa schicklich
mochte er sie finden. Bei Markus und Lukas erscheinen
die Engel mehr nur als diejenigen, welche den Weibern
Nachricht und Aufträge ertheilen sollten: allein da nach
Matthäus und Johannes unmittelbar darauf Jesus selber
erschien und jene Aufträge wiederholte, so war die Be-
stellung durch Engel überflüssig. Es bleibt daher nichts
übrig, als zu sagen: die Engel gehörten zur Verherrli-
chung der groſsen Scene, als himmlische Dienerschaft,
welche dem Messias die Thür aufzuthun hatte, durch
welche er ausgehen wollte; als Ehrenwache an der Stelle,
welche der Getödtete so eben lebendig verlassen hatte.
Hier ist nun aber eben die Frage: giebt es einen solchen
Prunk in dem wirklichen Haushalt Gottes, oder nur in
der kindlichen Vorstellung, welche sich die Vorzeit von
demselben machte?

Man hat sich daher verschiedentlich Mühe gegeben,
die Engel der Auferstehungsgeschichte in natürliche Er-
scheinungen zu verwandeln. Gieng man hiebei von dem
Bericht des ersten Evangeliums aus, und erwog, daſs dem
Engel eine ἰδέα ὡς ἀςραπὴ, als Wirkung die Abwälzung
des Steins und die Betäubung der Hüter zugeschrieben,
auch mit seiner Erscheinung eine Erderschütterung in Ver-
bindung gesezt wird: so lag es nicht mehr fern, entwe-
der an einen Bliz zu denken, welcher mit erschütterndem
Schlage den das Grabmal schlieſsenden Stein auf die Seite
geschmettert und die Hüter zu Boden geworfen habe;

19) Bei Orig. c. Cels. 5, 52: ὁ γὰρ τοῦ ϑεοῦ παῖς, ὡς ἔοικεν, οὐκ
ἐδύνατο ἀνοῖξαι τὸν τάφον, ἀλλ̕ ἐδεήϑη ἄλλου ἀποκινήσοντος τὴν
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[606/0625] Dritter Abschnitt. zahl, mit den übrigen gemein. Was sollten die Engel bei dieser Scene? Matthäus sagt uns: den Stein von der Gruft wälzen; wogegen schon Celsus bemerkt hat, daſs nach der orthodoxen Voraussetzung der Gottessohn hiezu keiner sol- chen Hülfe benöthigt sein konnte: 19) nur etwa schicklich mochte er sie finden. Bei Markus und Lukas erscheinen die Engel mehr nur als diejenigen, welche den Weibern Nachricht und Aufträge ertheilen sollten: allein da nach Matthäus und Johannes unmittelbar darauf Jesus selber erschien und jene Aufträge wiederholte, so war die Be- stellung durch Engel überflüssig. Es bleibt daher nichts übrig, als zu sagen: die Engel gehörten zur Verherrli- chung der groſsen Scene, als himmlische Dienerschaft, welche dem Messias die Thür aufzuthun hatte, durch welche er ausgehen wollte; als Ehrenwache an der Stelle, welche der Getödtete so eben lebendig verlassen hatte. Hier ist nun aber eben die Frage: giebt es einen solchen Prunk in dem wirklichen Haushalt Gottes, oder nur in der kindlichen Vorstellung, welche sich die Vorzeit von demselben machte? Man hat sich daher verschiedentlich Mühe gegeben, die Engel der Auferstehungsgeschichte in natürliche Er- scheinungen zu verwandeln. Gieng man hiebei von dem Bericht des ersten Evangeliums aus, und erwog, daſs dem Engel eine ἰδέα ὡς ἀςραπὴ, als Wirkung die Abwälzung des Steins und die Betäubung der Hüter zugeschrieben, auch mit seiner Erscheinung eine Erderschütterung in Ver- bindung gesezt wird: so lag es nicht mehr fern, entwe- der an einen Bliz zu denken, welcher mit erschütterndem Schlage den das Grabmal schlieſsenden Stein auf die Seite geschmettert und die Hüter zu Boden geworfen habe; 19) Bei Orig. c. Cels. 5, 52: ὁ γὰρ τοῦ ϑεοῦ παῖς, ὡς ἔοικεν, οὐκ ἐδύνατο ἀνοῖξαι τὸν τάφον, ἀλλ̕ ἐδεήϑη ἄλλου ἀποκινήσοντος τὴν πέτραν.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 606. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/625>, abgerufen am 23.05.2024.