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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Dritter Abschnitt.
mehr auf diese Weise die Nachrichten der Weiber in den
Hintergrund traten, desto weniger ist zu begreifen, wie
fernerhin jeder so starr an demjenigen hängen bleiben
konnte, was ihm zufällig zuerst diese oder jene Frau be-
richtet hatte.

Es ist also die Abweichung der evangelischen Erzäh-
lungen hier von der Art, dass immer der Urheber der ei-
nen von den in der andern gemeldeten Umständen nichts
gewusst haben kann. Da aber diese Umstände den Apo-
steln vollständig bekannt gewesen sein müssen: so können
wenigstens nicht zwei Berichte unter unsern vieren aposto-
lischen Ursprungs sein, sondern wir müssen entweder einen
als apostolisch zum Grunde legen, und nach ihm die übri-
gen, als sagenhaft, berichtigen, oder alle zusammen in die
Kategorie schwankender Sagen verweisen 14).

Aus der Zahl derjenigen Berichte über das erste Kund-
werden der Auferstehung Jesu, welche auf den Rang aut-
optischer Urkunden Anspruch haben, ist der des ersten
Evangeliums durch die neuere Kritik weggeräumt worden 15),
ohne dass wir uns über diese Ungunst, wie in andern Fäl-
len, als über eine ungerechte, beklagen könnten. Denn in
mehrerlei Beziehungen zeigt sich diessmal die Erzählung
des ersten Evangeliums um eine Stelle weiter vorwärts in
der Ausbildung der Tradition, als die der übrigen Evan-
gelien. Einmal, dass die wunderbare Eröffnung des Gra-
bes von den Frauen noch mitangesehen worden, wofern diess
Matthäus sagen will, diess konnte sich, wenn es wirklich der
Fall gewesen war, schwerlich so, wie bei den übrigen Evange-
listen, wieder verlieren, wohl aber sich nach und nach frei
in der Überlieferung bilden; ferner, dass die Abwälzung des
Steins durch den Engel geschehen sei, beruht offenbar nur auf

14) So Kaiser, bibl. Theol. 1, S. 254 ff.
15) Schulz, über das Abendmahl, S. 321 f. Schneckenburger a.
a. O. S. 61 ff.

Dritter Abschnitt.
mehr auf diese Weise die Nachrichten der Weiber in den
Hintergrund traten, desto weniger ist zu begreifen, wie
fernerhin jeder so starr an demjenigen hängen bleiben
konnte, was ihm zufällig zuerst diese oder jene Frau be-
richtet hatte.

Es ist also die Abweichung der evangelischen Erzäh-
lungen hier von der Art, daſs immer der Urheber der ei-
nen von den in der andern gemeldeten Umständen nichts
gewuſst haben kann. Da aber diese Umstände den Apo-
steln vollständig bekannt gewesen sein müssen: so können
wenigstens nicht zwei Berichte unter unsern vieren aposto-
lischen Ursprungs sein, sondern wir müssen entweder einen
als apostolisch zum Grunde legen, und nach ihm die übri-
gen, als sagenhaft, berichtigen, oder alle zusammen in die
Kategorie schwankender Sagen verweisen 14).

Aus der Zahl derjenigen Berichte über das erste Kund-
werden der Auferstehung Jesu, welche auf den Rang aut-
optischer Urkunden Anspruch haben, ist der des ersten
Evangeliums durch die neuere Kritik weggeräumt worden 15),
ohne daſs wir uns über diese Ungunst, wie in andern Fäl-
len, als über eine ungerechte, beklagen könnten. Denn in
mehrerlei Beziehungen zeigt sich dieſsmal die Erzählung
des ersten Evangeliums um eine Stelle weiter vorwärts in
der Ausbildung der Tradition, als die der übrigen Evan-
gelien. Einmal, daſs die wunderbare Eröffnung des Gra-
bes von den Frauen noch mitangesehen worden, wofern dieſs
Matthäus sagen will, dieſs konnte sich, wenn es wirklich der
Fall gewesen war, schwerlich so, wie bei den übrigen Evange-
listen, wieder verlieren, wohl aber sich nach und nach frei
in der Überlieferung bilden; ferner, daſs die Abwälzung des
Steins durch den Engel geschehen sei, beruht offenbar nur auf

14) So Kaiser, bibl. Theol. 1, S. 254 ff.
15) Schulz, über das Abendmahl, S. 321 f. Schneckenburger a.
a. O. S. 61 ff.
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[600/0619] Dritter Abschnitt. mehr auf diese Weise die Nachrichten der Weiber in den Hintergrund traten, desto weniger ist zu begreifen, wie fernerhin jeder so starr an demjenigen hängen bleiben konnte, was ihm zufällig zuerst diese oder jene Frau be- richtet hatte. Es ist also die Abweichung der evangelischen Erzäh- lungen hier von der Art, daſs immer der Urheber der ei- nen von den in der andern gemeldeten Umständen nichts gewuſst haben kann. Da aber diese Umstände den Apo- steln vollständig bekannt gewesen sein müssen: so können wenigstens nicht zwei Berichte unter unsern vieren aposto- lischen Ursprungs sein, sondern wir müssen entweder einen als apostolisch zum Grunde legen, und nach ihm die übri- gen, als sagenhaft, berichtigen, oder alle zusammen in die Kategorie schwankender Sagen verweisen 14). Aus der Zahl derjenigen Berichte über das erste Kund- werden der Auferstehung Jesu, welche auf den Rang aut- optischer Urkunden Anspruch haben, ist der des ersten Evangeliums durch die neuere Kritik weggeräumt worden 15), ohne daſs wir uns über diese Ungunst, wie in andern Fäl- len, als über eine ungerechte, beklagen könnten. Denn in mehrerlei Beziehungen zeigt sich dieſsmal die Erzählung des ersten Evangeliums um eine Stelle weiter vorwärts in der Ausbildung der Tradition, als die der übrigen Evan- gelien. Einmal, daſs die wunderbare Eröffnung des Gra- bes von den Frauen noch mitangesehen worden, wofern dieſs Matthäus sagen will, dieſs konnte sich, wenn es wirklich der Fall gewesen war, schwerlich so, wie bei den übrigen Evange- listen, wieder verlieren, wohl aber sich nach und nach frei in der Überlieferung bilden; ferner, daſs die Abwälzung des Steins durch den Engel geschehen sei, beruht offenbar nur auf 14) So Kaiser, bibl. Theol. 1, S. 254 ff. 15) Schulz, über das Abendmahl, S. 321 f. Schneckenburger a. a. O. S. 61 ff.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 600. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/619>, abgerufen am 23.11.2024.