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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Viertes Kapitel. §. 132.
tor zu entschuldigen. Man sieht, diess ist ganz aus der
christlichen Voraussetzung von der Realität der Auferste-
hung Jesu gesprochen, eine Voraussetzung, welche aber
ganz mit Unrecht auf die Mitglieder des Synedriums über-
getragen wird. Auch darin liegt eine, nicht bloss vom
Fragmentisten aufgesuchte, sondern selbst von orthodoxen
Auslegern 7) anerkannte Schwierigkeit, dass das Syne-
drium in einer ordentlichen Versammlung und nach förm-
licher Berathung sich entschlossen haben soll, die Soldaten
zu bestechen, und ihnen eine Lüge in den Mund zu geben.
Dass auf diese Weise ein Collegium von 70 Männern ein
Falsum zu begehen amtlich beschlossen haben sollte, ist,
wie Olshausen richtig sagt, zu sehr gegen das Decorum,
das natürliche Anstandsgefühl, einer solchen Versammlung.
Die Auskunft, es sei eine blosse Privatversammlung gewe-
sen, da ja nur von den arkhiereis und presbuteroi, nicht
auch von den grammateis gesagt sei, sie haben die Solda-
ten zu bestechen den Beschluss gefasst 8), liefe auf das
Wunderliche hinaus, dass bei dieser Zusammenkunft die
grammateis, bei dem kurz vorher in derselben Angelegen-
heit gemachten Gang zum Procurator aber, wo die Schrift-
gelehrten durch die ihre Mehrheit bildenden Pharisäer ver-
treten sind, die presbuteroi gefehlt haben müssten: woraus
aber vielmehr erhellt, dass das Synedrium, weil, es jedes-
mal durch vollständige Aufzählung seiner Bestandtheile zu
bezeichnen, unbequem war, nicht selten durch Erwähnung
nur einiger oder Eines von denselben angezeigt wurde. Bleibt
es somit dabei, dass nach Matthäus der hohe Rath in förmli-
cher Sitzung die Bestechung der Wächter beschlossen ha-
ben müsste: so konnte eine solche Niederträchtigkeit doch
wohl nur die Erbitterung der ersten Christen, unter denen
unsre Anekdote entstanden ist, dem Collegium als solchem
zutrauen.

7) Olshausen, S. 506.
8) Michaelis, a. a. O. S. 198 f.

Viertes Kapitel. §. 132.
tor zu entschuldigen. Man sieht, dieſs ist ganz aus der
christlichen Voraussetzung von der Realität der Auferste-
hung Jesu gesprochen, eine Voraussetzung, welche aber
ganz mit Unrecht auf die Mitglieder des Synedriums über-
getragen wird. Auch darin liegt eine, nicht bloſs vom
Fragmentisten aufgesuchte, sondern selbst von orthodoxen
Auslegern 7) anerkannte Schwierigkeit, daſs das Syne-
drium in einer ordentlichen Versammlung und nach förm-
licher Berathung sich entschlossen haben soll, die Soldaten
zu bestechen, und ihnen eine Lüge in den Mund zu geben.
Daſs auf diese Weise ein Collegium von 70 Männern ein
Falsum zu begehen amtlich beschlossen haben sollte, ist,
wie Olshausen richtig sagt, zu sehr gegen das Decorum,
das natürliche Anstandsgefühl, einer solchen Versammlung.
Die Auskunft, es sei eine bloſse Privatversammlung gewe-
sen, da ja nur von den ἀρχιερεῖς und πρεσβύτεροι, nicht
auch von den γραμματεῖς gesagt sei, sie haben die Solda-
ten zu bestechen den Beschluſs gefaſst 8), liefe auf das
Wunderliche hinaus, daſs bei dieser Zusammenkunft die
γραμματεῖς, bei dem kurz vorher in derselben Angelegen-
heit gemachten Gang zum Procurator aber, wo die Schrift-
gelehrten durch die ihre Mehrheit bildenden Pharisäer ver-
treten sind, die πρεσβύτεροι gefehlt haben müſsten: woraus
aber vielmehr erhellt, daſs das Synedrium, weil, es jedes-
mal durch vollständige Aufzählung seiner Bestandtheile zu
bezeichnen, unbequem war, nicht selten durch Erwähnung
nur einiger oder Eines von denselben angezeigt wurde. Bleibt
es somit dabei, daſs nach Matthäus der hohe Rath in förmli-
cher Sitzung die Bestechung der Wächter beschlossen ha-
ben müſste: so konnte eine solche Niederträchtigkeit doch
wohl nur die Erbitterung der ersten Christen, unter denen
unsre Anekdote entstanden ist, dem Collegium als solchem
zutrauen.

7) Olshausen, S. 506.
8) Michaelis, a. a. O. S. 198 f.
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[587/0606] Viertes Kapitel. §. 132. tor zu entschuldigen. Man sieht, dieſs ist ganz aus der christlichen Voraussetzung von der Realität der Auferste- hung Jesu gesprochen, eine Voraussetzung, welche aber ganz mit Unrecht auf die Mitglieder des Synedriums über- getragen wird. Auch darin liegt eine, nicht bloſs vom Fragmentisten aufgesuchte, sondern selbst von orthodoxen Auslegern 7) anerkannte Schwierigkeit, daſs das Syne- drium in einer ordentlichen Versammlung und nach förm- licher Berathung sich entschlossen haben soll, die Soldaten zu bestechen, und ihnen eine Lüge in den Mund zu geben. Daſs auf diese Weise ein Collegium von 70 Männern ein Falsum zu begehen amtlich beschlossen haben sollte, ist, wie Olshausen richtig sagt, zu sehr gegen das Decorum, das natürliche Anstandsgefühl, einer solchen Versammlung. Die Auskunft, es sei eine bloſse Privatversammlung gewe- sen, da ja nur von den ἀρχιερεῖς und πρεσβύτεροι, nicht auch von den γραμματεῖς gesagt sei, sie haben die Solda- ten zu bestechen den Beschluſs gefaſst 8), liefe auf das Wunderliche hinaus, daſs bei dieser Zusammenkunft die γραμματεῖς, bei dem kurz vorher in derselben Angelegen- heit gemachten Gang zum Procurator aber, wo die Schrift- gelehrten durch die ihre Mehrheit bildenden Pharisäer ver- treten sind, die πρεσβύτεροι gefehlt haben müſsten: woraus aber vielmehr erhellt, daſs das Synedrium, weil, es jedes- mal durch vollständige Aufzählung seiner Bestandtheile zu bezeichnen, unbequem war, nicht selten durch Erwähnung nur einiger oder Eines von denselben angezeigt wurde. Bleibt es somit dabei, daſs nach Matthäus der hohe Rath in förmli- cher Sitzung die Bestechung der Wächter beschlossen ha- ben müſste: so konnte eine solche Niederträchtigkeit doch wohl nur die Erbitterung der ersten Christen, unter denen unsre Anekdote entstanden ist, dem Collegium als solchem zutrauen. 7) Olshausen, S. 506. 8) Michaelis, a. a. O. S. 198 f.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 587. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/606>, abgerufen am 23.11.2024.