stärken, da nun in der dritten Person fortgefahren wird: und sie werden um ihn klagen, wie um ein einziges Kind und um einen Erstgeborenen. Daher wurde diese Stelle von den Rabbinen auf den Messias ben Joseph gedeutet, welcher im Krieg vom Schwert durchbohrt werden soll- te 14), und von Christen konnte sie, wie so manche Stel- len in Unglückspsalmen, auf ihren Messias bezogen wer- den, indem das Durchbohren zunächst vielleicht entweder tropisch, oder von dem Durchnageln der Hände (und Füsse) bei der Kreuzigung verstanden wurde (vgl. Offenb. 1, 7.), bis es endlich einer, der eine zuverlässigere Todesprobe, als die Kreuzigung an sich ist, zu haben wünschte, als ein besondres Durchbohren mit der Lanze fasste.
Ist aus den zusammentreffenden Interessen, eine To- desprobe, und eine buchstäbliche Erfüllung der Weissa- gung zu gewinnen, der Zug mit dem Lanzenstich hervor- gegangen: so gehört das Übrige nur zur Motivirung die- ses Zuges. Ein Stich als Todesprobe war nur nöthig, wenn Jesus frühzeitig vom Kreuz abgenommen werden sollte, was nach jüdischem Gesez (5. Mos. 21, 22. Jos. 8, 29. 10, 26 f. -- eine Ausnahme 2. Sam. 21, 6 ff.) 15) jedenfalls vor Nacht, insbesondere aber diessmal, was Johannes allein heraushebt, vor Anbruch des Paschafestes, geschehen muss- te. War Jesus ungewöhnlich schnell gestorben, und soll- ten doch auch die beiden mit ihm Gekreuzigten abgenom- men werden, so musste man bei diesen den Tod gewalt- sam beschleunigen, was etwa durch das crurifragium ge- schehen konnte, welches sich auch sonst, theils in Verbin- dung mit der Kreuzigung, theils als Todesstrafe für sich findet 16). Da diess an dem bereits gestorbenen Jesus nicht
14) s. bei Rosenmüller, z. d. St. Schöttgen, 2, p. 221. Bertholdt, §. 17, not. 12.
15) vgl. Joseph. b. j. 4, 5. 2. Sanhedrin 6, 5. bei Lightfoot, p. 499.
16) s. Wetstein und Lücke z. d. St.
Viertes Kapitel. §. 130.
stärken, da nun in der dritten Person fortgefahren wird: und sie werden um ihn klagen, wie um ein einziges Kind und um einen Erstgeborenen. Daher wurde diese Stelle von den Rabbinen auf den Messias ben Joseph gedeutet, welcher im Krieg vom Schwert durchbohrt werden soll- te 14), und von Christen konnte sie, wie so manche Stel- len in Unglückspsalmen, auf ihren Messias bezogen wer- den, indem das Durchbohren zunächst vielleicht entweder tropisch, oder von dem Durchnageln der Hände (und Füſse) bei der Kreuzigung verstanden wurde (vgl. Offenb. 1, 7.), bis es endlich einer, der eine zuverlässigere Todesprobe, als die Kreuzigung an sich ist, zu haben wünschte, als ein besondres Durchbohren mit der Lanze faſste.
Ist aus den zusammentreffenden Interessen, eine To- desprobe, und eine buchstäbliche Erfüllung der Weissa- gung zu gewinnen, der Zug mit dem Lanzenstich hervor- gegangen: so gehört das Übrige nur zur Motivirung die- ses Zuges. Ein Stich als Todesprobe war nur nöthig, wenn Jesus frühzeitig vom Kreuz abgenommen werden sollte, was nach jüdischem Gesez (5. Mos. 21, 22. Jos. 8, 29. 10, 26 f. — eine Ausnahme 2. Sam. 21, 6 ff.) 15) jedenfalls vor Nacht, insbesondere aber dieſsmal, was Johannes allein heraushebt, vor Anbruch des Paschafestes, geschehen muſs- te. War Jesus ungewöhnlich schnell gestorben, und soll- ten doch auch die beiden mit ihm Gekreuzigten abgenom- men werden, so muſste man bei diesen den Tod gewalt- sam beschleunigen, was etwa durch das crurifragium ge- schehen konnte, welches sich auch sonst, theils in Verbin- dung mit der Kreuzigung, theils als Todesstrafe für sich findet 16). Da dieſs an dem bereits gestorbenen Jesus nicht
14) s. bei Rosenmüller, z. d. St. Schöttgen, 2, p. 221. Bertholdt, §. 17, not. 12.
15) vgl. Joseph. b. j. 4, 5. 2. Sanhedrin 6, 5. bei Lightfoot, p. 499.
16) s. Wetstein und Lücke z. d. St.
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Viertes Kapitel. §. 130.
stärken, da nun in der dritten Person fortgefahren wird:
und sie werden um ihn klagen, wie um ein einziges Kind
und um einen Erstgeborenen. Daher wurde diese Stelle
von den Rabbinen auf den Messias ben Joseph gedeutet,
welcher im Krieg vom Schwert durchbohrt werden soll-
te 14), und von Christen konnte sie, wie so manche Stel-
len in Unglückspsalmen, auf ihren Messias bezogen wer-
den, indem das Durchbohren zunächst vielleicht entweder
tropisch, oder von dem Durchnageln der Hände (und Füſse)
bei der Kreuzigung verstanden wurde (vgl. Offenb. 1, 7.),
bis es endlich einer, der eine zuverlässigere Todesprobe,
als die Kreuzigung an sich ist, zu haben wünschte, als
ein besondres Durchbohren mit der Lanze faſste.
Ist aus den zusammentreffenden Interessen, eine To-
desprobe, und eine buchstäbliche Erfüllung der Weissa-
gung zu gewinnen, der Zug mit dem Lanzenstich hervor-
gegangen: so gehört das Übrige nur zur Motivirung die-
ses Zuges. Ein Stich als Todesprobe war nur nöthig, wenn
Jesus frühzeitig vom Kreuz abgenommen werden sollte,
was nach jüdischem Gesez (5. Mos. 21, 22. Jos. 8, 29. 10,
26 f. — eine Ausnahme 2. Sam. 21, 6 ff.) 15) jedenfalls vor
Nacht, insbesondere aber dieſsmal, was Johannes allein
heraushebt, vor Anbruch des Paschafestes, geschehen muſs-
te. War Jesus ungewöhnlich schnell gestorben, und soll-
ten doch auch die beiden mit ihm Gekreuzigten abgenom-
men werden, so muſste man bei diesen den Tod gewalt-
sam beschleunigen, was etwa durch das crurifragium ge-
schehen konnte, welches sich auch sonst, theils in Verbin-
dung mit der Kreuzigung, theils als Todesstrafe für sich
findet 16). Da dieſs an dem bereits gestorbenen Jesus nicht
14) s. bei Rosenmüller, z. d. St. Schöttgen, 2, p. 221. Bertholdt,
§. 17, not. 12.
15) vgl. Joseph. b. j. 4, 5. 2. Sanhedrin 6, 5. bei Lightfoot,
p. 499.
16) s. Wetstein und Lücke z. d. St.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 573. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/592>, abgerufen am 22.11.2024.
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