diese, ihrem natürlichen Lebenstrieb zuwider, sich zu er- säufen veranlasst wurden. Nur diese Entstehung unserer Erzählung aus dem Zusammentreffen verschiedener Zeitvor- stellungen und Interessen erklärt auch den oben bemerkten Widerspruch, dass die Dämonen zuerst die Schweine als Aufenthalt sich erbitten, und unmittelbar darauf diesen Aufenthalt selbst zerstören. Jene Bitte nämlich ist, wie gesagt, aus der Vorstellung von der Scheue der Dämonen vor Körperlosigkeit erwachsen, diese Zerstörung aber aus der hiemit gar nicht zusammenhängenden von einer Aus- treibungsprobe; was Wunder, wenn aus so heterogenen Vorstellungen zwei widersprechende Züge in der Erzäh- lung henvorgiengen?
Die dritte und lezte ausführlich erzählte Dämonenaus- treibung hat das Eigenthümliche, dass zuerst die Jünger vergeblich die Heilung versuchen, hierauf aber Jesus die- selbe mit Leichtigkeit vollbringt. Sämmtliche Synoptiker nämlich (Matth. 17, 14 ff.; Marc. 9, 14 ff.; Luc. 9, 37 ff.) berichten einstimmig, wie Jesus mit seinen drei Vertraute- sten vom Verklärungsberge herabgekommen sei, habe er seine übrigen Jünger in der Verlegenheit gefunden, dass sie einen besessenen Knaben, welchen sein Vater zu ih- nen gebracht hatte, nicht im Stande gewesen seien zu heilen.
Auch in dieser Erzählung findet eine Abstufung statt von der grössten Einfachheit bei Matthäus bis zur grössten Ausführlichkeit der Schilderung bei Markus, was denn auch hier wieder die Folge gehabt hat, dass man den Be- richt des Matthäus als den der Thatsache am fernsten ste- henden den Relationen der beiden andern nachsetzen zu müssen glaubte 40). Im Eingang lässt Matthäus Jesum, vom Berge herabgestiegen, zu dem okhlos stossen, hierauf den Vater des Knaben zu ihm treten und ihn fussfällig um
40)Schulz, S. 319.
Zweiter Abschnitt.
diese, ihrem natürlichen Lebenstrieb zuwider, sich zu er- säufen veranlaſst wurden. Nur diese Entstehung unserer Erzählung aus dem Zusammentreffen verschiedener Zeitvor- stellungen und Interessen erklärt auch den oben bemerkten Widerspruch, daſs die Dämonen zuerst die Schweine als Aufenthalt sich erbitten, und unmittelbar darauf diesen Aufenthalt selbst zerstören. Jene Bitte nämlich ist, wie gesagt, aus der Vorstellung von der Scheue der Dämonen vor Körperlosigkeit erwachsen, diese Zerstörung aber aus der hiemit gar nicht zusammenhängenden von einer Aus- treibungsprobe; was Wunder, wenn aus so heterogenen Vorstellungen zwei widersprechende Züge in der Erzäh- lung henvorgiengen?
Die dritte und lezte ausführlich erzählte Dämonenaus- treibung hat das Eigenthümliche, daſs zuerst die Jünger vergeblich die Heilung versuchen, hierauf aber Jesus die- selbe mit Leichtigkeit vollbringt. Sämmtliche Synoptiker nämlich (Matth. 17, 14 ff.; Marc. 9, 14 ff.; Luc. 9, 37 ff.) berichten einstimmig, wie Jesus mit seinen drei Vertraute- sten vom Verklärungsberge herabgekommen sei, habe er seine übrigen Jünger in der Verlegenheit gefunden, daſs sie einen besessenen Knaben, welchen sein Vater zu ih- nen gebracht hatte, nicht im Stande gewesen seien zu heilen.
Auch in dieser Erzählung findet eine Abstufung statt von der gröſsten Einfachheit bei Matthäus bis zur gröſsten Ausführlichkeit der Schilderung bei Markus, was denn auch hier wieder die Folge gehabt hat, daſs man den Be- richt des Matthäus als den der Thatsache am fernsten ste- henden den Relationen der beiden andern nachsetzen zu müssen glaubte 40). Im Eingang läſst Matthäus Jesum, vom Berge herabgestiegen, zu dem ὄχλος stoſsen, hierauf den Vater des Knaben zu ihm treten und ihn fuſsfällig um
40)Schulz, S. 319.
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Zweiter Abschnitt.
diese, ihrem natürlichen Lebenstrieb zuwider, sich zu er-
säufen veranlaſst wurden. Nur diese Entstehung unserer
Erzählung aus dem Zusammentreffen verschiedener Zeitvor-
stellungen und Interessen erklärt auch den oben bemerkten
Widerspruch, daſs die Dämonen zuerst die Schweine als
Aufenthalt sich erbitten, und unmittelbar darauf diesen
Aufenthalt selbst zerstören. Jene Bitte nämlich ist, wie
gesagt, aus der Vorstellung von der Scheue der Dämonen
vor Körperlosigkeit erwachsen, diese Zerstörung aber aus
der hiemit gar nicht zusammenhängenden von einer Aus-
treibungsprobe; was Wunder, wenn aus so heterogenen
Vorstellungen zwei widersprechende Züge in der Erzäh-
lung henvorgiengen?
Die dritte und lezte ausführlich erzählte Dämonenaus-
treibung hat das Eigenthümliche, daſs zuerst die Jünger
vergeblich die Heilung versuchen, hierauf aber Jesus die-
selbe mit Leichtigkeit vollbringt. Sämmtliche Synoptiker
nämlich (Matth. 17, 14 ff.; Marc. 9, 14 ff.; Luc. 9, 37 ff.)
berichten einstimmig, wie Jesus mit seinen drei Vertraute-
sten vom Verklärungsberge herabgekommen sei, habe er
seine übrigen Jünger in der Verlegenheit gefunden, daſs
sie einen besessenen Knaben, welchen sein Vater zu ih-
nen gebracht hatte, nicht im Stande gewesen seien zu
heilen.
Auch in dieser Erzählung findet eine Abstufung statt
von der gröſsten Einfachheit bei Matthäus bis zur gröſsten
Ausführlichkeit der Schilderung bei Markus, was denn
auch hier wieder die Folge gehabt hat, daſs man den Be-
richt des Matthäus als den der Thatsache am fernsten ste-
henden den Relationen der beiden andern nachsetzen zu
müssen glaubte 40). Im Eingang läſst Matthäus Jesum,
vom Berge herabgestiegen, zu dem ὄχλος stoſsen, hierauf
den Vater des Knaben zu ihm treten und ihn fuſsfällig um
40) Schulz, S. 319.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/59>, abgerufen am 22.11.2024.
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