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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Dritter Abschnitt.
ihm verständigen, ehe er sein ouden eurisko aition en to
anthropo touto aussprechen konnte. Bei Matthäus und
Markus folgt zwar auf die Bejahung Jesu, der König der
Juden zu sein, noch sein den Pilatus befremdendes Schwei-
gen gegenüber den gehäuften Anklagen der Synedristen,
auch wird hierauf nicht eine bestimmte Erklärung, dass an
Jesu keine Schuld zu finden sei, sondern bloss der Versuch
des Procurators gemeldet, Jesum durch die Zusammenstel-
lung mit Barabbas in Freiheit zu setzen: doch auch nur,
was ihn zu diesem Versuch bewog, geht aus den genann-
ten Evangelien nicht hervor. Hinlänglich klar dagegen wird
dieser Punkt im vierten Evangelium. Nach der Frage des
Pilatus, ob er wirklich der Judenkönig sei, befremdet
zwar die Gegenfrage Jesu, ob er diess von sich selbst,
oder auf Eingebung Anderer rede? Man kann einen Be-
klagten, möge er immer sich unschuldig wissen, zu einer
solchen Frage nicht befugt finden, wesswegen man denn
auch auf allerlei Arten versucht hat, derselben einen er-
träglicheren Sinn zu geben; allein, um bloss eine Zurück-
weisung der Beschuldigung als einer widersinnigen zu sein 5),
ist die Frage Jesu zu bestimmt: als Erkundigung aber, ob
der Procurator das basileus ton Ioudaion im römischen
(aph eautou) oder im jüdischen Sinne (alloi soi eipon)
meine 6), zu unbestimmt. Auch fasst es Pilatus nicht so,
sondern als unbefugte Frage, auf welche es noch sehr milde
ist, dass er zunächst zwar ungeduldig die zweite Gegen-
frage macht, ob er denn ein Jude sei, um durch sich selbst
von einem so specifisch jüdischen Verbrechen Notiz haben zu
können? hierauf aber gutwillig erklärt, die Juden und de-
ren Obere seien es ja, durch welche er ihm überliefert
worden, er möge also über das ihm von diesen zur Last
gelegte Vergehen sich näher aussprechen. Auf dieses nun

5) Calvin, z. d. St.
6) Lücke und Tholuck, z. d. St.

Dritter Abschnitt.
ihm verständigen, ehe er sein ουδεν εὑρίσκω αἴτιον ἐν τῷ
ἀνϑρώπῳ τουτῳ aussprechen konnte. Bei Matthäus und
Markus folgt zwar auf die Bejahung Jesu, der König der
Juden zu sein, noch sein den Pilatus befremdendes Schwei-
gen gegenüber den gehäuften Anklagen der Synedristen,
auch wird hierauf nicht eine bestimmte Erklärung, daſs an
Jesu keine Schuld zu finden sei, sondern bloſs der Versuch
des Procurators gemeldet, Jesum durch die Zusammenstel-
lung mit Barabbas in Freiheit zu setzen: doch auch nur,
was ihn zu diesem Versuch bewog, geht aus den genann-
ten Evangelien nicht hervor. Hinlänglich klar dagegen wird
dieser Punkt im vierten Evangelium. Nach der Frage des
Pilatus, ob er wirklich der Judenkönig sei, befremdet
zwar die Gegenfrage Jesu, ob er dieſs von sich selbst,
oder auf Eingebung Anderer rede? Man kann einen Be-
klagten, möge er immer sich unschuldig wissen, zu einer
solchen Frage nicht befugt finden, weſswegen man denn
auch auf allerlei Arten versucht hat, derselben einen er-
träglicheren Sinn zu geben; allein, um bloſs eine Zurück-
weisung der Beschuldigung als einer widersinnigen zu sein 5),
ist die Frage Jesu zu bestimmt: als Erkundigung aber, ob
der Procurator das βασιλεὺς τῶν Ἰουδαίων im römischen
(ἀφ̕ ἑαυτοῦ) oder im jüdischen Sinne (ἄλλοι σοι εἶπον)
meine 6), zu unbestimmt. Auch faſst es Pilatus nicht so,
sondern als unbefugte Frage, auf welche es noch sehr milde
ist, daſs er zunächst zwar ungeduldig die zweite Gegen-
frage macht, ob er denn ein Jude sei, um durch sich selbst
von einem so specifisch jüdischen Verbrechen Notiz haben zu
können? hierauf aber gutwillig erklärt, die Juden und de-
ren Obere seien es ja, durch welche er ihm überliefert
worden, er möge also über das ihm von diesen zur Last
gelegte Vergehen sich näher aussprechen. Auf dieses nun

5) Calvin, z. d. St.
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[514/0533] Dritter Abschnitt. ihm verständigen, ehe er sein ουδεν εὑρίσκω αἴτιον ἐν τῷ ἀνϑρώπῳ τουτῳ aussprechen konnte. Bei Matthäus und Markus folgt zwar auf die Bejahung Jesu, der König der Juden zu sein, noch sein den Pilatus befremdendes Schwei- gen gegenüber den gehäuften Anklagen der Synedristen, auch wird hierauf nicht eine bestimmte Erklärung, daſs an Jesu keine Schuld zu finden sei, sondern bloſs der Versuch des Procurators gemeldet, Jesum durch die Zusammenstel- lung mit Barabbas in Freiheit zu setzen: doch auch nur, was ihn zu diesem Versuch bewog, geht aus den genann- ten Evangelien nicht hervor. Hinlänglich klar dagegen wird dieser Punkt im vierten Evangelium. Nach der Frage des Pilatus, ob er wirklich der Judenkönig sei, befremdet zwar die Gegenfrage Jesu, ob er dieſs von sich selbst, oder auf Eingebung Anderer rede? Man kann einen Be- klagten, möge er immer sich unschuldig wissen, zu einer solchen Frage nicht befugt finden, weſswegen man denn auch auf allerlei Arten versucht hat, derselben einen er- träglicheren Sinn zu geben; allein, um bloſs eine Zurück- weisung der Beschuldigung als einer widersinnigen zu sein 5), ist die Frage Jesu zu bestimmt: als Erkundigung aber, ob der Procurator das βασιλεὺς τῶν Ἰουδαίων im römischen (ἀφ̕ ἑαυτοῦ) oder im jüdischen Sinne (ἄλλοι σοι εἶπον) meine 6), zu unbestimmt. Auch faſst es Pilatus nicht so, sondern als unbefugte Frage, auf welche es noch sehr milde ist, daſs er zunächst zwar ungeduldig die zweite Gegen- frage macht, ob er denn ein Jude sei, um durch sich selbst von einem so specifisch jüdischen Verbrechen Notiz haben zu können? hierauf aber gutwillig erklärt, die Juden und de- ren Obere seien es ja, durch welche er ihm überliefert worden, er möge also über das ihm von diesen zur Last gelegte Vergehen sich näher aussprechen. Auf dieses nun 5) Calvin, z. d. St. 6) Lücke und Tholuck, z. d. St.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 514. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/533>, abgerufen am 22.11.2024.