ner Acker sei es wohl gewesen, für welchen dem kerameus die 30 Silberlinge erlegt werden mussten. Da aber der Töpfer nicht im Tempel zu denken war, und doch laut der Prophetenstelle die Silberlinge in den Tempel gewor- fen worden waren: so wurde das Hinwerfen in den Tem- pel von dem Abgeben an den Töpfer getrennt. Musste je- nes dem Judas zugeschrieben werden, hatte er also einmal das Geld aus der Hand gegeben: so konnte nicht mehr er selbst das Grundstück von dem Töpfer kaufen, sondern diess mussten mit dem hingeworfenen Gelde Andere thun. Wer diese gewesen sein mussten, ergab sich von selbst: warf Judas das Geld hin, so wird er es denen hingewor- fen haben, von welchen er es erhalten hatte; warf er es in den Tempel, so fiel es dessen Vorstehern in die Hände, auf beide Weise also den Synedristen. Der Zweck, wel- chen diese bei dem Ankauf des Grundstücks gehabt haben mussten, ergab sich vielleicht aus der wirklichen Benützung jenes öden Platzes. Sollte endlich Judas den Lohn seines Verraths von sich geworfen haben: so konnte diess, musste man schliessen, nur aus Reue geschehen sein, und wie wird sich diese ferner geäussert haben? Dass er sich zum Guten zurückgewendet hätte, davon wusste man nichts: folglich wird die Reue in ihm zur Verzweiflung geworden sein, und er das Ende des aus Davids Geschichte bekann- ten Verräthers Ahitophel genommen haben, von welchem es 2. Sam. 17, 23. heisst: anese kai apelthen -- kai apeg- xato, wie von Judas hier: anekhorese kai apelthon apegxato.
Eine auf den Papias zurückgeführte Überlieferung scheint sich mehr nur an die Relation der Apostelgeschichte anzuschliessen. Ökumenius führt aus dem genannten Tra- ditionensammler an, dass Judas zum abschreckenden Bei- spiel der Gottlosigkeit dermassen am Leibe aufgeschwollen sei, dass er, wo ein Wagen durchfahren konnte, nicht mehr durchkam, und endlich, von einem Wagen gequetscht,
Dritter Abschnitt.
ner Acker sei es wohl gewesen, für welchen dem κεραμεὺς die 30 Silberlinge erlegt werden muſsten. Da aber der Töpfer nicht im Tempel zu denken war, und doch laut der Prophetenstelle die Silberlinge in den Tempel gewor- fen worden waren: so wurde das Hinwerfen in den Tem- pel von dem Abgeben an den Töpfer getrennt. Muſste je- nes dem Judas zugeschrieben werden, hatte er also einmal das Geld aus der Hand gegeben: so konnte nicht mehr er selbst das Grundstück von dem Töpfer kaufen, sondern dieſs muſsten mit dem hingeworfenen Gelde Andere thun. Wer diese gewesen sein muſsten, ergab sich von selbst: warf Judas das Geld hin, so wird er es denen hingewor- fen haben, von welchen er es erhalten hatte; warf er es in den Tempel, so fiel es dessen Vorstehern in die Hände, auf beide Weise also den Synedristen. Der Zweck, wel- chen diese bei dem Ankauf des Grundstücks gehabt haben muſsten, ergab sich vielleicht aus der wirklichen Benützung jenes öden Platzes. Sollte endlich Judas den Lohn seines Verraths von sich geworfen haben: so konnte dieſs, muſste man schlieſsen, nur aus Reue geschehen sein, und wie wird sich diese ferner geäussert haben? Daſs er sich zum Guten zurückgewendet hätte, davon wuſste man nichts: folglich wird die Reue in ihm zur Verzweiflung geworden sein, und er das Ende des aus Davids Geschichte bekann- ten Verräthers Ahitophel genommen haben, von welchem es 2. Sam. 17, 23. heiſst: ἀνέςη καὶ ἀπῆλϑεν — καὶ ἀπήγ- ξατο, wie von Judas hier: ἀνεχώρησε καὶ ἀπελϑὼν ἀπήγξατο.
Eine auf den Papias zurückgeführte Überlieferung scheint sich mehr nur an die Relation der Apostelgeschichte anzuschlieſsen. Ökumenius führt aus dem genannten Tra- ditionensammler an, daſs Judas zum abschreckenden Bei- spiel der Gottlosigkeit dermaſsen am Leibe aufgeschwollen sei, daſs er, wo ein Wagen durchfahren konnte, nicht mehr durchkam, und endlich, von einem Wagen gequetscht,
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Dritter Abschnitt.
ner Acker sei es wohl gewesen, für welchen dem κεραμεὺς
die 30 Silberlinge erlegt werden muſsten. Da aber der
Töpfer nicht im Tempel zu denken war, und doch laut
der Prophetenstelle die Silberlinge in den Tempel gewor-
fen worden waren: so wurde das Hinwerfen in den Tem-
pel von dem Abgeben an den Töpfer getrennt. Muſste je-
nes dem Judas zugeschrieben werden, hatte er also einmal
das Geld aus der Hand gegeben: so konnte nicht mehr er
selbst das Grundstück von dem Töpfer kaufen, sondern
dieſs muſsten mit dem hingeworfenen Gelde Andere thun.
Wer diese gewesen sein muſsten, ergab sich von selbst:
warf Judas das Geld hin, so wird er es denen hingewor-
fen haben, von welchen er es erhalten hatte; warf er es
in den Tempel, so fiel es dessen Vorstehern in die Hände,
auf beide Weise also den Synedristen. Der Zweck, wel-
chen diese bei dem Ankauf des Grundstücks gehabt haben
muſsten, ergab sich vielleicht aus der wirklichen Benützung
jenes öden Platzes. Sollte endlich Judas den Lohn seines
Verraths von sich geworfen haben: so konnte dieſs, muſste
man schlieſsen, nur aus Reue geschehen sein, und wie
wird sich diese ferner geäussert haben? Daſs er sich zum
Guten zurückgewendet hätte, davon wuſste man nichts:
folglich wird die Reue in ihm zur Verzweiflung geworden
sein, und er das Ende des aus Davids Geschichte bekann-
ten Verräthers Ahitophel genommen haben, von welchem
es 2. Sam. 17, 23. heiſst: ἀνέςη καὶ ἀπῆλϑεν — καὶ ἀπήγ-
ξατο, wie von Judas hier: ἀνεχώρησε καὶ ἀπελϑὼν ἀπήγξατο.
Eine auf den Papias zurückgeführte Überlieferung
scheint sich mehr nur an die Relation der Apostelgeschichte
anzuschlieſsen. Ökumenius führt aus dem genannten Tra-
ditionensammler an, daſs Judas zum abschreckenden Bei-
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sei, daſs er, wo ein Wagen durchfahren konnte, nicht
mehr durchkam, und endlich, von einem Wagen gequetscht,
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 508. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/527>, abgerufen am 22.07.2024.
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