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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Dritter Abschnitt.
das Grundstück von dem darauf vergossenen Blute des
Verräthers, nach jenem von dem am Kaufpreiss desselben
klebenden Blute Jesu agros oder khorion aimatos genannt
worden zu sein scheint. Hier ist nun die Ausdruckswei-
se des Matthäus so bestimmt, dass an ihr nicht wohl zu
Gunsten der andern Nachricht gedeutelt werden kann: wohl
aber hat das ektesato in der A. G. eingeladen, es nach
Matthäus umzudeuten. Durch den Verrätherlohn, soll die
Stelle der A. G. sagen wollen, erwarb er einen Acker:
nicht unmittelbar, sondern mittelbar, indem er durch die
Zurückgabe des Geldes Veranlassung zum Ankauf eines
Grundstücks gab; nicht für sich, sondern für das Syne-
drium oder das allgemeine Beste 10). Doch so viele Stel-
len man auch aufführen mag, in welchen das ktasthai in
der Bedeutung: für einen Andern erwerben: vorkommt,
so muss doch in diesem Falle nothwendig die andre Per-
son, für welche einer erwirbt, angegeben oder angedeutet
sein, und wenn diess, wie in der Stelle der A. G., nicht
der Fall ist, so bleibt es bei der Bedeutung: für sich selbst
erwerben 11). Diess hat Paulus gefühlt, und daher der
Sache die Wendung gegeben, von Judas, der durch den
schauderhaften Sturz auf eine Leimengrube der Anlass ge-
worden sei, dass dieses Grundstück den Synedristen ver-
kauft wurde, habe Petrus wohl ironisch sagen können, er
habe noch im Tode durch den Fall seines Leichnams ein
schönes Besizthum sich angeeignet 12). Doch diese Deu-
tung ist theils an sich geschraubt, theils zeigt das genethe-
to e epaulis autou eremos, welches der Petrus der A. G. im
Folgenden aus den Psalmen anführt, dass er sich das Grund-
stück als wirkliches Eigenthum des Judas gedacht habe, wel-
ches zur Strafe durch seinen Tod verödet worden sei.

10) s. Kuinöl, in Matth. p. 748.
11) s. Schmidt's Biblioth. a. a. O. S. 251 f.
12) Paulus, 3, b, S. 457 f. Fritzsche, p. 799.

Dritter Abschnitt.
das Grundstück von dem darauf vergossenen Blute des
Verräthers, nach jenem von dem am Kaufpreiſs desselben
klebenden Blute Jesu ἀγρὸς oder χωρίον αἵματος genannt
worden zu sein scheint. Hier ist nun die Ausdruckswei-
se des Matthäus so bestimmt, daſs an ihr nicht wohl zu
Gunsten der andern Nachricht gedeutelt werden kann: wohl
aber hat das ἐκτήσατο in der A. G. eingeladen, es nach
Matthäus umzudeuten. Durch den Verrätherlohn, soll die
Stelle der A. G. sagen wollen, erwarb er einen Acker:
nicht unmittelbar, sondern mittelbar, indem er durch die
Zurückgabe des Geldes Veranlassung zum Ankauf eines
Grundstücks gab; nicht für sich, sondern für das Syne-
drium oder das allgemeine Beste 10). Doch so viele Stel-
len man auch aufführen mag, in welchen das κτᾶσϑαι in
der Bedeutung: für einen Andern erwerben: vorkommt,
so muſs doch in diesem Falle nothwendig die andre Per-
son, für welche einer erwirbt, angegeben oder angedeutet
sein, und wenn dieſs, wie in der Stelle der A. G., nicht
der Fall ist, so bleibt es bei der Bedeutung: für sich selbst
erwerben 11). Dieſs hat Paulus gefühlt, und daher der
Sache die Wendung gegeben, von Judas, der durch den
schauderhaften Sturz auf eine Leimengrube der Anlaſs ge-
worden sei, daſs dieses Grundstück den Synedristen ver-
kauft wurde, habe Petrus wohl ironisch sagen können, er
habe noch im Tode durch den Fall seines Leichnams ein
schönes Besizthum sich angeeignet 12). Doch diese Deu-
tung ist theils an sich geschraubt, theils zeigt das γενηϑή-
τω ἡ ἔπαυλις αὐτοῦ ἔρημος, welches der Petrus der A. G. im
Folgenden aus den Psalmen anführt, daſs er sich das Grund-
stück als wirkliches Eigenthum des Judas gedacht habe, wel-
ches zur Strafe durch seinen Tod verödet worden sei.

10) s. Kuinöl, in Matth. p. 748.
11) s. Schmidt's Biblioth. a. a. O. S. 251 f.
12) Paulus, 3, b, S. 457 f. Fritzsche, p. 799.
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[502/0521] Dritter Abschnitt. das Grundstück von dem darauf vergossenen Blute des Verräthers, nach jenem von dem am Kaufpreiſs desselben klebenden Blute Jesu ἀγρὸς oder χωρίον αἵματος genannt worden zu sein scheint. Hier ist nun die Ausdruckswei- se des Matthäus so bestimmt, daſs an ihr nicht wohl zu Gunsten der andern Nachricht gedeutelt werden kann: wohl aber hat das ἐκτήσατο in der A. G. eingeladen, es nach Matthäus umzudeuten. Durch den Verrätherlohn, soll die Stelle der A. G. sagen wollen, erwarb er einen Acker: nicht unmittelbar, sondern mittelbar, indem er durch die Zurückgabe des Geldes Veranlassung zum Ankauf eines Grundstücks gab; nicht für sich, sondern für das Syne- drium oder das allgemeine Beste 10). Doch so viele Stel- len man auch aufführen mag, in welchen das κτᾶσϑαι in der Bedeutung: für einen Andern erwerben: vorkommt, so muſs doch in diesem Falle nothwendig die andre Per- son, für welche einer erwirbt, angegeben oder angedeutet sein, und wenn dieſs, wie in der Stelle der A. G., nicht der Fall ist, so bleibt es bei der Bedeutung: für sich selbst erwerben 11). Dieſs hat Paulus gefühlt, und daher der Sache die Wendung gegeben, von Judas, der durch den schauderhaften Sturz auf eine Leimengrube der Anlaſs ge- worden sei, daſs dieses Grundstück den Synedristen ver- kauft wurde, habe Petrus wohl ironisch sagen können, er habe noch im Tode durch den Fall seines Leichnams ein schönes Besizthum sich angeeignet 12). Doch diese Deu- tung ist theils an sich geschraubt, theils zeigt das γενηϑή- τω ἡ ἔπαυλις αὐτοῦ ἔρημος, welches der Petrus der A. G. im Folgenden aus den Psalmen anführt, daſs er sich das Grund- stück als wirkliches Eigenthum des Judas gedacht habe, wel- ches zur Strafe durch seinen Tod verödet worden sei. 10) s. Kuinöl, in Matth. p. 748. 11) s. Schmidt's Biblioth. a. a. O. S. 251 f. 12) Paulus, 3, b, S. 457 f. Fritzsche, p. 799.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 502. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/521>, abgerufen am 20.05.2024.