jene erste Erwähnung des Kohlenfeuers, und dass Petrus zu demselben getreten, solle der Umstand eingeleitet wer- den, dass die zweite und dritte Verleugnung an diesem Feuer, also gleichfalls noch im Hause des Annas, vorge- fallen sei. Zwar sprechen die Synoptiker (Marc. V. 54. Luc. V. 55.) auch im Hofe des Kaiphas von einem Feuer, an welchem Petrus (nur hier sitzend, wie bei Johannes stehend) sich gewärmt habe: doch daraus folgt nicht, dass auch Johannes im Hofe des regierenden Hohenpriesters ein ähnliches Feuer sich gedacht habe, wie er nur bei Annas eines solchen gedenkt. Wer daher die Vermuthung des Euthymius zu künstlich findet, dass die Wohnungen des Annas und Kaiphas vielleicht einen gemeinschaftlichen Hof- raum gehabt, und folglich Petrus nach der Abführung Jesu vom ersteren zum lezteren an demselben Feuer habe ste- hen bleiben können, der nimmt lieber an, die zweite und dritte Verleugnung sei dem Johannes zufolge nicht nach, sondern eben während der Abführung Jesu von Annas zu Kaiphas geschehen 2).
Bleibt somit die Differenz der Evangelien in Bezug auf die Örtlichkeit der Verleugnung eine totale, so haben die Einen zu Gunsten des Johannes sich dahin entschieden, dass die versprengten Jünger über diese Scenen nur frag- mentarische Nachrichten gehabt, und der in Jerusalem nicht einheimische Petrus selbst nicht gewusst habe, in welchen Palast er zu seinem Unglück hineingekommen war, son- dern er, und nach ihm die ersten Evangelisten, haben ge- meint, die Verleugnungen seien im Hofe des Kaiphas vor- gefallen, was jedoch der in der Stadt und dem hohenprie- sterlichen Palast bekanntere Johannes berichtige 3). Al- lein auch das Unglaubliche zugegeben, dass Petrus irrig
2) So Schlkiermacher, über den Lukas, S. 289. Olshausen, 2, S. 445.
3) So Paulus, a. a. O. S. 577 f.
Drittes Kapitel. §. 125.
jene erste Erwähnung des Kohlenfeuers, und daſs Petrus zu demselben getreten, solle der Umstand eingeleitet wer- den, daſs die zweite und dritte Verleugnung an diesem Feuer, also gleichfalls noch im Hause des Annas, vorge- fallen sei. Zwar sprechen die Synoptiker (Marc. V. 54. Luc. V. 55.) auch im Hofe des Kaiphas von einem Feuer, an welchem Petrus (nur hier sitzend, wie bei Johannes stehend) sich gewärmt habe: doch daraus folgt nicht, daſs auch Johannes im Hofe des regierenden Hohenpriesters ein ähnliches Feuer sich gedacht habe, wie er nur bei Annas eines solchen gedenkt. Wer daher die Vermuthung des Euthymius zu künstlich findet, daſs die Wohnungen des Annas und Kaiphas vielleicht einen gemeinschaftlichen Hof- raum gehabt, und folglich Petrus nach der Abführung Jesu vom ersteren zum lezteren an demselben Feuer habe ste- hen bleiben können, der nimmt lieber an, die zweite und dritte Verleugnung sei dem Johannes zufolge nicht nach, sondern eben während der Abführung Jesu von Annas zu Kaiphas geschehen 2).
Bleibt somit die Differenz der Evangelien in Bezug auf die Örtlichkeit der Verleugnung eine totale, so haben die Einen zu Gunsten des Johannes sich dahin entschieden, daſs die versprengten Jünger über diese Scenen nur frag- mentarische Nachrichten gehabt, und der in Jerusalem nicht einheimische Petrus selbst nicht gewuſst habe, in welchen Palast er zu seinem Unglück hineingekommen war, son- dern er, und nach ihm die ersten Evangelisten, haben ge- meint, die Verleugnungen seien im Hofe des Kaiphas vor- gefallen, was jedoch der in der Stadt und dem hohenprie- sterlichen Palast bekanntere Johannes berichtige 3). Al- lein auch das Unglaubliche zugegeben, daſs Petrus irrig
2) So Schlkiermacher, über den Lukas, S. 289. Olshausen, 2, S. 445.
3) So Paulus, a. a. O. S. 577 f.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0510"n="491"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Drittes Kapitel</hi>. §. 125.</fw><lb/>
jene erste Erwähnung des Kohlenfeuers, und daſs Petrus<lb/>
zu demselben getreten, solle der Umstand eingeleitet wer-<lb/>
den, daſs die zweite und dritte Verleugnung an diesem<lb/>
Feuer, also gleichfalls noch im Hause des Annas, vorge-<lb/>
fallen sei. Zwar sprechen die Synoptiker (Marc. V. 54.<lb/>
Luc. V. 55.) auch im Hofe des Kaiphas von einem Feuer,<lb/>
an welchem Petrus (nur hier sitzend, wie bei Johannes<lb/>
stehend) sich gewärmt habe: doch daraus folgt nicht, daſs<lb/>
auch Johannes im Hofe des regierenden Hohenpriesters ein<lb/>
ähnliches Feuer sich gedacht habe, wie er nur bei Annas<lb/>
eines solchen gedenkt. Wer daher die Vermuthung des<lb/>
Euthymius zu künstlich findet, daſs die Wohnungen des<lb/>
Annas und Kaiphas vielleicht einen gemeinschaftlichen Hof-<lb/>
raum gehabt, und folglich Petrus nach der Abführung Jesu<lb/>
vom ersteren zum lezteren an demselben Feuer habe ste-<lb/>
hen bleiben können, der nimmt lieber an, die zweite und<lb/>
dritte Verleugnung sei dem Johannes zufolge nicht nach,<lb/>
sondern eben während der Abführung Jesu von Annas zu<lb/>
Kaiphas geschehen <noteplace="foot"n="2)">So <hirendition="#k">Schlkiermacher</hi>, über den Lukas, S. 289. <hirendition="#k">Olshausen</hi>, 2,<lb/>
S. 445.</note>.</p><lb/><p>Bleibt somit die Differenz der Evangelien in Bezug auf<lb/>
die Örtlichkeit der Verleugnung eine totale, so haben die<lb/>
Einen zu Gunsten des Johannes sich dahin entschieden,<lb/>
daſs die versprengten Jünger über diese Scenen nur frag-<lb/>
mentarische Nachrichten gehabt, und der in Jerusalem nicht<lb/>
einheimische Petrus selbst nicht gewuſst habe, in welchen<lb/>
Palast er zu seinem Unglück hineingekommen war, son-<lb/>
dern er, und nach ihm die ersten Evangelisten, haben ge-<lb/>
meint, die Verleugnungen seien im Hofe des Kaiphas vor-<lb/>
gefallen, was jedoch der in der Stadt und dem hohenprie-<lb/>
sterlichen Palast bekanntere Johannes berichtige <noteplace="foot"n="3)">So <hirendition="#k">Paulus</hi>, a. a. O. S. 577 f.</note>. Al-<lb/>
lein auch das Unglaubliche zugegeben, daſs Petrus irrig<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[491/0510]
Drittes Kapitel. §. 125.
jene erste Erwähnung des Kohlenfeuers, und daſs Petrus
zu demselben getreten, solle der Umstand eingeleitet wer-
den, daſs die zweite und dritte Verleugnung an diesem
Feuer, also gleichfalls noch im Hause des Annas, vorge-
fallen sei. Zwar sprechen die Synoptiker (Marc. V. 54.
Luc. V. 55.) auch im Hofe des Kaiphas von einem Feuer,
an welchem Petrus (nur hier sitzend, wie bei Johannes
stehend) sich gewärmt habe: doch daraus folgt nicht, daſs
auch Johannes im Hofe des regierenden Hohenpriesters ein
ähnliches Feuer sich gedacht habe, wie er nur bei Annas
eines solchen gedenkt. Wer daher die Vermuthung des
Euthymius zu künstlich findet, daſs die Wohnungen des
Annas und Kaiphas vielleicht einen gemeinschaftlichen Hof-
raum gehabt, und folglich Petrus nach der Abführung Jesu
vom ersteren zum lezteren an demselben Feuer habe ste-
hen bleiben können, der nimmt lieber an, die zweite und
dritte Verleugnung sei dem Johannes zufolge nicht nach,
sondern eben während der Abführung Jesu von Annas zu
Kaiphas geschehen 2).
Bleibt somit die Differenz der Evangelien in Bezug auf
die Örtlichkeit der Verleugnung eine totale, so haben die
Einen zu Gunsten des Johannes sich dahin entschieden,
daſs die versprengten Jünger über diese Scenen nur frag-
mentarische Nachrichten gehabt, und der in Jerusalem nicht
einheimische Petrus selbst nicht gewuſst habe, in welchen
Palast er zu seinem Unglück hineingekommen war, son-
dern er, und nach ihm die ersten Evangelisten, haben ge-
meint, die Verleugnungen seien im Hofe des Kaiphas vor-
gefallen, was jedoch der in der Stadt und dem hohenprie-
sterlichen Palast bekanntere Johannes berichtige 3). Al-
lein auch das Unglaubliche zugegeben, daſs Petrus irrig
2) So Schlkiermacher, über den Lukas, S. 289. Olshausen, 2,
S. 445.
3) So Paulus, a. a. O. S. 577 f.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/510>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.