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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Dritter Abschnitt.
des Leidenskelchs fleht, übrigens Alles dem Willen seines
Vaters anheimstellt. Wie er wieder zu den Jüngern kommt,
findet er sie schlafend, ermahnt sie abermals zur Wach-
samkeit, entfernt sich dann noch einmal und wiederholt
das vorige Gebet, worauf er seine Jünger wieder schla-
fend antrifft. Zum drittenm I entfernt er sich nun, um
das Gebet zu wiederholen, und wiederkommend findet er
zum drittenmal die Jünger schlafend, erweckt sie aber
jezt, um dem nahenden Verräther entgegenzugehen. -- Von
den beiden Dreizahlen, welche in dieser Erzählung der bei-
den ersten Evangelisten eine Rolle spielen, hat Lukas nichts,
sondern nach ihm entfernt sich Jesus von sämmtlichen Jün-
gern, nachdem er sie zur Wachsamkeit ermahnt, ungefähr
auf eines Steinwurfs Weite, und betet knieend, nur Ein-
mal, aber fast mit denselben Worten, wie ihn die beiden
andern beten lassen, kehrt dann zu den Jüngern zurück
und erweckt sie, weil Judas mit der Schaar sich nähert.
Dafür hat nun aber Lukas in der einzigen Gebetsscene,
von welcher er weiss, zwei Umstände, die den übrigen Be-
richterstattern fremd sind, dass nämlich während des Ge-
bets, unmittelbar ehe der heftigste Seelenkampf eintrat,
ein Engel erschienen sei, Jesum zu stärken, während der
darauf gefolgten agonia aber Jesus Schweiss, wie zur Er-
de fallende Blutstropfen, vergossen habe.

Von jeher ist an diesem Vorgang in Gethsemane An-
stoss genommen worden, weil in demselben Jesus eine
Schwäche und Todesfurcht zu zeigen scheint, welche man
ihm unangemessen glauben könnte. Ein Celsus und Ju-
lian haben, in Rücksicht ohne Zweifel auf die grossen Mu-
ster eines sterbenden Sokrates und anderer heidnischen
Weisen, das Zagen Jesu vor dem Tode geschmäht 1); ein

1) Orig. c. Cels. 2, 24: legei (o Kelsos); ti oun potniatai, kai
oduretai, kai ton tou olethrou phobon eukhetai paradramein, legon
k. t. l.; -- Julian in einem Fragment Theodor's von Mops

Dritter Abschnitt.
des Leidenskelchs fleht, übrigens Alles dem Willen seines
Vaters anheimstellt. Wie er wieder zu den Jüngern kommt,
findet er sie schlafend, ermahnt sie abermals zur Wach-
samkeit, entfernt sich dann noch einmal und wiederholt
das vorige Gebet, worauf er seine Jünger wieder schla-
fend antrifft. Zum drittenm I entfernt er sich nun, um
das Gebet zu wiederholen, und wiederkommend findet er
zum drittenmal die Jünger schlafend, erweckt sie aber
jezt, um dem nahenden Verräther entgegenzugehen. — Von
den beiden Dreizahlen, welche in dieser Erzählung der bei-
den ersten Evangelisten eine Rolle spielen, hat Lukas nichts,
sondern nach ihm entfernt sich Jesus von sämmtlichen Jün-
gern, nachdem er sie zur Wachsamkeit ermahnt, ungefähr
auf eines Steinwurfs Weite, und betet knieend, nur Ein-
mal, aber fast mit denselben Worten, wie ihn die beiden
andern beten lassen, kehrt dann zu den Jüngern zurück
und erweckt sie, weil Judas mit der Schaar sich nähert.
Dafür hat nun aber Lukas in der einzigen Gebetsscene,
von welcher er weiſs, zwei Umstände, die den übrigen Be-
richterstattern fremd sind, daſs nämlich während des Ge-
bets, unmittelbar ehe der heftigste Seelenkampf eintrat,
ein Engel erschienen sei, Jesum zu stärken, während der
darauf gefolgten ἀγωνία aber Jesus Schweiſs, wie zur Er-
de fallende Blutstropfen, vergossen habe.

Von jeher ist an diesem Vorgang in Gethsemane An-
stoſs genommen worden, weil in demselben Jesus eine
Schwäche und Todesfurcht zu zeigen scheint, welche man
ihm unangemessen glauben könnte. Ein Celsus und Ju-
lian haben, in Rücksicht ohne Zweifel auf die groſsen Mu-
ster eines sterbenden Sokrates und anderer heidnischen
Weisen, das Zagen Jesu vor dem Tode geschmäht 1); ein

1) Orig. c. Cels. 2, 24: λέγει (ὁ Κέλσος)· τί οῦν ποτνιᾶται, καὶ
ὀδύρεται, καὶ τὸν τοῦ ὀλέϑρου φόβον εὔχεται παραδραμεῖν, λέγων
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[444/0463] Dritter Abschnitt. des Leidenskelchs fleht, übrigens Alles dem Willen seines Vaters anheimstellt. Wie er wieder zu den Jüngern kommt, findet er sie schlafend, ermahnt sie abermals zur Wach- samkeit, entfernt sich dann noch einmal und wiederholt das vorige Gebet, worauf er seine Jünger wieder schla- fend antrifft. Zum drittenm I entfernt er sich nun, um das Gebet zu wiederholen, und wiederkommend findet er zum drittenmal die Jünger schlafend, erweckt sie aber jezt, um dem nahenden Verräther entgegenzugehen. — Von den beiden Dreizahlen, welche in dieser Erzählung der bei- den ersten Evangelisten eine Rolle spielen, hat Lukas nichts, sondern nach ihm entfernt sich Jesus von sämmtlichen Jün- gern, nachdem er sie zur Wachsamkeit ermahnt, ungefähr auf eines Steinwurfs Weite, und betet knieend, nur Ein- mal, aber fast mit denselben Worten, wie ihn die beiden andern beten lassen, kehrt dann zu den Jüngern zurück und erweckt sie, weil Judas mit der Schaar sich nähert. Dafür hat nun aber Lukas in der einzigen Gebetsscene, von welcher er weiſs, zwei Umstände, die den übrigen Be- richterstattern fremd sind, daſs nämlich während des Ge- bets, unmittelbar ehe der heftigste Seelenkampf eintrat, ein Engel erschienen sei, Jesum zu stärken, während der darauf gefolgten ἀγωνία aber Jesus Schweiſs, wie zur Er- de fallende Blutstropfen, vergossen habe. Von jeher ist an diesem Vorgang in Gethsemane An- stoſs genommen worden, weil in demselben Jesus eine Schwäche und Todesfurcht zu zeigen scheint, welche man ihm unangemessen glauben könnte. Ein Celsus und Ju- lian haben, in Rücksicht ohne Zweifel auf die groſsen Mu- ster eines sterbenden Sokrates und anderer heidnischen Weisen, das Zagen Jesu vor dem Tode geschmäht 1); ein 1) Orig. c. Cels. 2, 24: λέγει (ὁ Κέλσος)· τί οῦν ποτνιᾶται, καὶ ὀδύρεται, καὶ τὸν τοῦ ὀλέϑρου φόβον εὔχεται παραδραμεῖν, λέγων κ. τ. λ.; — Julian in einem Fragment Theodor's von Mops

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/463>, abgerufen am 22.11.2024.