Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Dritter Abschnitt. versichert, dieses Mahl nicht mehr in diesem, sondern erstin jenem Äon wieder zu geniessen: so liegt darin erstens nicht, wie, wenn er von Essen und Trinken überhaupt spräche, dass schon in den nächsten Tagen, sondern nur, dass vor Ablauf eines Jahrs das Verweilen in dieser vor- messianischen Weltordnung für ihn ein Ende haben wer- de; dieses Ende aber, zweitens, muss er sich keineswegs durch seinen Tod, sondern kann sich dasselbe auch durch den Eintritt des messianischen Reichs herbeigeführt gedacht haben, und die bestimmte Versicherung, welche die Evan- gelisten ihm in den Mund legen, kann vielleicht nur ein Wunsch gewesen sein. Wie nämlich die späteren Juden bei der Paschamahlzeit sprachen: diess Pascha feiern wir praesenti anno heic, futuro in terra Israel 8): so konnte vor der Zerstörung des Tempels und der Zerstreuung des Volks der messianisch-gesinnte Israelit bei'm Pascha wün- schen, es nur diessmal noch im `vlm hzh, das nächstemal im Reiche des Messias zu feiern 9). 8) Paulus, ex. Hdb. 3, b, S. 514, aus Rittangkl, libra veritatis et de Paschate tractatus. 9) Wenigstens bei den späteren Juden wurde das Paschafest in
eine Beziehung zum Messias gesezt, und die Befreiung Israels durch ihn eben in der Paschanacht erwartet. Tanchuma p. 75, 1 (bei Wetstein): XV die Nisan natus est Isaacus, eo liberati sunt ex Aegypto, et eodem liberabuntur ex scr- vitute regnorum. Vgl. Schemoth R. 18. und Rosch haschana f. 11, 1. bei Wetstein zu Matth. 26, 26. und Rittangel bei Paulus, a. a. O. S. 515. Dritter Abschnitt. versichert, dieses Mahl nicht mehr in diesem, sondern erstin jenem Äon wieder zu genieſsen: so liegt darin erstens nicht, wie, wenn er von Essen und Trinken überhaupt spräche, daſs schon in den nächsten Tagen, sondern nur, daſs vor Ablauf eines Jahrs das Verweilen in dieser vor- messianischen Weltordnung für ihn ein Ende haben wer- de; dieses Ende aber, zweitens, muſs er sich keineswegs durch seinen Tod, sondern kann sich dasselbe auch durch den Eintritt des messianischen Reichs herbeigeführt gedacht haben, und die bestimmte Versicherung, welche die Evan- gelisten ihm in den Mund legen, kann vielleicht nur ein Wunsch gewesen sein. Wie nämlich die späteren Juden bei der Paschamahlzeit sprachen: dieſs Pascha feiern wir praesenti anno heic, futuro in terra Israël 8): so konnte vor der Zerstörung des Tempels und der Zerstreuung des Volks der messianisch-gesinnte Israëlit bei'm Pascha wün- schen, es nur dieſsmal noch im עולם הזה, das nächstemal im Reiche des Messias zu feiern 9). 8) Paulus, ex. Hdb. 3, b, S. 514, aus Rittangkl, libra veritatis et de Paschate tractatus. 9) Wenigstens bei den späteren Juden wurde das Paschafest in
eine Beziehung zum Messias gesezt, und die Befreiung Israëls durch ihn eben in der Paschanacht erwartet. Tanchuma p. 75, 1 (bei Wetstein): XV die Nisan natus est Isaacus, eo liberati sunt ex Aegypto, et eodem liberabuntur ex scr- vitute regnorum. Vgl. Schemoth R. 18. und Rosch haschana f. 11, 1. bei Wetstein zu Matth. 26, 26. und Rittangel bei Paulus, a. a. O. S. 515. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0461" n="442"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Dritter Abschnitt</hi>.</fw><lb/> versichert, dieses Mahl nicht mehr in diesem, sondern erst<lb/> in jenem Äon wieder zu genieſsen: so liegt darin erstens<lb/> nicht, wie, wenn er von Essen und Trinken überhaupt<lb/> spräche, daſs schon in den nächsten Tagen, sondern nur,<lb/> daſs vor Ablauf eines Jahrs das Verweilen in dieser vor-<lb/> messianischen Weltordnung für ihn ein Ende haben wer-<lb/> de; dieses Ende aber, zweitens, muſs er sich keineswegs<lb/> durch seinen Tod, sondern kann sich dasselbe auch durch<lb/> den Eintritt des messianischen Reichs herbeigeführt gedacht<lb/> haben, und die bestimmte Versicherung, welche die Evan-<lb/> gelisten ihm in den Mund legen, kann vielleicht nur ein<lb/> Wunsch gewesen sein. Wie nämlich die späteren Juden<lb/> bei der Paschamahlzeit sprachen: dieſs Pascha feiern wir<lb/><hi rendition="#i">praesenti anno heic, futuro in terra Israël</hi> <note place="foot" n="8)"><hi rendition="#k">Paulus</hi>, ex. Hdb. 3, b, S. 514, aus <hi rendition="#k">Rittangkl</hi>, libra veritatis<lb/> et de Paschate tractatus.</note>: so konnte<lb/> vor der Zerstörung des Tempels und der Zerstreuung des<lb/> Volks der messianisch-gesinnte Israëlit bei'm Pascha wün-<lb/> schen, es nur dieſsmal noch im <foreign xml:lang="heb">עולם הזה</foreign>, das nächstemal<lb/> im Reiche des Messias zu feiern <note place="foot" n="9)">Wenigstens bei den späteren Juden wurde das Paschafest in<lb/> eine Beziehung zum Messias gesezt, und die Befreiung Israëls<lb/> durch ihn eben in der Paschanacht erwartet. Tanchuma<lb/> p. 75, 1 (bei <hi rendition="#k">Wetstein</hi>): <foreign xml:lang="lat">XV die Nisan natus est Isaacus,<lb/> eo liberati sunt ex Aegypto, et eodem liberabuntur ex scr-<lb/> vitute regnorum</foreign>. Vgl. Schemoth R. 18. und Rosch haschana<lb/> f. 11, 1. bei <hi rendition="#k">Wetstein</hi> zu Matth. 26, 26. und <hi rendition="#k">Rittangel</hi> bei<lb/><hi rendition="#k">Paulus</hi>, a. a. O. S. 515.</note>.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </body> </text> </TEI> [442/0461]
Dritter Abschnitt.
versichert, dieses Mahl nicht mehr in diesem, sondern erst
in jenem Äon wieder zu genieſsen: so liegt darin erstens
nicht, wie, wenn er von Essen und Trinken überhaupt
spräche, daſs schon in den nächsten Tagen, sondern nur,
daſs vor Ablauf eines Jahrs das Verweilen in dieser vor-
messianischen Weltordnung für ihn ein Ende haben wer-
de; dieses Ende aber, zweitens, muſs er sich keineswegs
durch seinen Tod, sondern kann sich dasselbe auch durch
den Eintritt des messianischen Reichs herbeigeführt gedacht
haben, und die bestimmte Versicherung, welche die Evan-
gelisten ihm in den Mund legen, kann vielleicht nur ein
Wunsch gewesen sein. Wie nämlich die späteren Juden
bei der Paschamahlzeit sprachen: dieſs Pascha feiern wir
praesenti anno heic, futuro in terra Israël 8): so konnte
vor der Zerstörung des Tempels und der Zerstreuung des
Volks der messianisch-gesinnte Israëlit bei'm Pascha wün-
schen, es nur dieſsmal noch im עולם הזה, das nächstemal
im Reiche des Messias zu feiern 9).
8) Paulus, ex. Hdb. 3, b, S. 514, aus Rittangkl, libra veritatis
et de Paschate tractatus.
9) Wenigstens bei den späteren Juden wurde das Paschafest in
eine Beziehung zum Messias gesezt, und die Befreiung Israëls
durch ihn eben in der Paschanacht erwartet. Tanchuma
p. 75, 1 (bei Wetstein): XV die Nisan natus est Isaacus,
eo liberati sunt ex Aegypto, et eodem liberabuntur ex scr-
vitute regnorum. Vgl. Schemoth R. 18. und Rosch haschana
f. 11, 1. bei Wetstein zu Matth. 26, 26. und Rittangel bei
Paulus, a. a. O. S. 515.
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