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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Dritter Abschnitt.
Worte nicht unmittelbar das deipnon, sondern nur die Be-
merkung sich anschliesse, dass Jesus gewusst habe, nun
sei seine Stunde gekommen, und dass er die Seinigen bis
an's Ende geliebt habe; erst im folgenden Vers sei dann
vom Mahle die Rede, auf welches also jene Zeitbestimmung
sich nicht beziehe. Worauf soll sie sich dann aber bezie-
hen? auf das Wissen, dass seine Stunde gekommen sei?
diess ist nur eine Nebenbemerkung; oder auf die bis zum
Ende bewahrte Liebe? zu dieser aber kann eine so spe-
cielle Zeitbestimmung nur dann gehören, wenn sie als ein
äusserer Liebesbeweis gemeint ist, und als solcher bethä-
tigte sie sich eben bei jenem Mahle, welches also immer
der Punkt bleibt, der durch jene Tagsbestimmung fixirt
werden soll. Daher vermuthet man ferner, das pro tes
eortes sei aus Anbequemung an die Griechen geredet, für
welche Johannes geschrieben habe: weil diese den Tag
nicht wie die Juden mit dem Abend begannen: so sei ih-
nen das am Anfang des ersten Paschatags gehaltene Mahl
als eine Mahlzeit am Vorabend des Pascha erschienen.
Allein welcher verständige Schriftsteller, wenn er einen
möglichen Missverstand des Lesers vermuthet, schreibt
dann lieber gleich so, wie der Leser ihn missverstehen
wird? -- Schwieriger noch ist 18, 28, wo die Juden am
Morgen nach Jesu Gefangennehmung das Prätorium nicht
betreten, um sich nicht zu verunreinigen, all ina phagosi
to paskha. Doch glaubte man nach Stellen, wie 5 Mos.
13, 1. 2., wo sämmtliche in der Paschazeit zu schlachten-
de Opfer durch den Ausdruck p'esakh bezeichnet sind, to
taskha hier von den übrigen während der Paschawoche
darzubringenden Opfern, namentlich von der gegen Ende
des ersten Festtags zu verzehrenden Chagiga, verstehen
zu dürfen. Allein schon Mosheim hatte richtig bemerkt,
daraus, dass bisweilen das Paschalamm einschliesslich der
übrigen in der Paschazeit zu bringenden Opfer durch pa-
skha bezeichnet werde, folge keineswegs, dass auch diese

Dritter Abschnitt.
Worte nicht unmittelbar das δεῖπνον, sondern nur die Be-
merkung sich anschlieſse, daſs Jesus gewuſst habe, nun
sei seine Stunde gekommen, und daſs er die Seinigen bis
an's Ende geliebt habe; erst im folgenden Vers sei dann
vom Mahle die Rede, auf welches also jene Zeitbestimmung
sich nicht beziehe. Worauf soll sie sich dann aber bezie-
hen? auf das Wissen, daſs seine Stunde gekommen sei?
dieſs ist nur eine Nebenbemerkung; oder auf die bis zum
Ende bewahrte Liebe? zu dieser aber kann eine so spe-
cielle Zeitbestimmung nur dann gehören, wenn sie als ein
äusserer Liebesbeweis gemeint ist, und als solcher bethä-
tigte sie sich eben bei jenem Mahle, welches also immer
der Punkt bleibt, der durch jene Tagsbestimmung fixirt
werden soll. Daher vermuthet man ferner, das πρὸ τῆς
ἑορτῆς sei aus Anbequemung an die Griechen geredet, für
welche Johannes geschrieben habe: weil diese den Tag
nicht wie die Juden mit dem Abend begannen: so sei ih-
nen das am Anfang des ersten Paschatags gehaltene Mahl
als eine Mahlzeit am Vorabend des Pascha erschienen.
Allein welcher verständige Schriftsteller, wenn er einen
möglichen Miſsverstand des Lesers vermuthet, schreibt
dann lieber gleich so, wie der Leser ihn miſsverstehen
wird? — Schwieriger noch ist 18, 28, wo die Juden am
Morgen nach Jesu Gefangennehmung das Prätorium nicht
betreten, um sich nicht zu verunreinigen, ἀλλ̕ ἵνα φάγωσι
τὸ πάσχα. Doch glaubte man nach Stellen, wie 5 Mos.
13, 1. 2., wo sämmtliche in der Paschazeit zu schlachten-
de Opfer durch den Ausdruck פֶּסַח bezeichnet sind, τὸ
τάσχα hier von den übrigen während der Paschawoche
darzubringenden Opfern, namentlich von der gegen Ende
des ersten Festtags zu verzehrenden Chagiga, verstehen
zu dürfen. Allein schon Mosheim hatte richtig bemerkt,
daraus, daſs bisweilen das Paschalamm einschlieſslich der
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[406/0425] Dritter Abschnitt. Worte nicht unmittelbar das δεῖπνον, sondern nur die Be- merkung sich anschlieſse, daſs Jesus gewuſst habe, nun sei seine Stunde gekommen, und daſs er die Seinigen bis an's Ende geliebt habe; erst im folgenden Vers sei dann vom Mahle die Rede, auf welches also jene Zeitbestimmung sich nicht beziehe. Worauf soll sie sich dann aber bezie- hen? auf das Wissen, daſs seine Stunde gekommen sei? dieſs ist nur eine Nebenbemerkung; oder auf die bis zum Ende bewahrte Liebe? zu dieser aber kann eine so spe- cielle Zeitbestimmung nur dann gehören, wenn sie als ein äusserer Liebesbeweis gemeint ist, und als solcher bethä- tigte sie sich eben bei jenem Mahle, welches also immer der Punkt bleibt, der durch jene Tagsbestimmung fixirt werden soll. Daher vermuthet man ferner, das πρὸ τῆς ἑορτῆς sei aus Anbequemung an die Griechen geredet, für welche Johannes geschrieben habe: weil diese den Tag nicht wie die Juden mit dem Abend begannen: so sei ih- nen das am Anfang des ersten Paschatags gehaltene Mahl als eine Mahlzeit am Vorabend des Pascha erschienen. Allein welcher verständige Schriftsteller, wenn er einen möglichen Miſsverstand des Lesers vermuthet, schreibt dann lieber gleich so, wie der Leser ihn miſsverstehen wird? — Schwieriger noch ist 18, 28, wo die Juden am Morgen nach Jesu Gefangennehmung das Prätorium nicht betreten, um sich nicht zu verunreinigen, ἀλλ̕ ἵνα φάγωσι τὸ πάσχα. Doch glaubte man nach Stellen, wie 5 Mos. 13, 1. 2., wo sämmtliche in der Paschazeit zu schlachten- de Opfer durch den Ausdruck פֶּסַח bezeichnet sind, τὸ τάσχα hier von den übrigen während der Paschawoche darzubringenden Opfern, namentlich von der gegen Ende des ersten Festtags zu verzehrenden Chagiga, verstehen zu dürfen. Allein schon Mosheim hatte richtig bemerkt, daraus, daſs bisweilen das Paschalamm einschlieſslich der übrigen in der Paschazeit zu bringenden Opfer durch πά- σχα bezeichnet werde, folge keineswegs, daſs auch diese

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/425>, abgerufen am 24.11.2024.