das Gleichniss von den Weingärtnern sich seiner Person nicht bemächtigte (Matth. 21, 45 f. parall.). Nach diesen Vorgängen bedurfte es kaum mehr der antipharisäischen Rede Matth. 23, um kurz vor dem Pascha die Hohenprie- ster, Schriftgelehrten und Ältesten, d. h. das Synedrium, in den Palast des Hohenpriesters zu einer Berathung zu- sammenzuführen, ina ton I. dolo kratesosi kai apoktei- nosin (Matth. 26, 3 ff. parall.).
Auch im vierten Evangelium zwar wird der grosse An- hang Jesu unter dem Volk einigemale als der Grund be- zeichnet, warum ihn seine Feinde haben wollen festnehmen lassen (7, 32. 44. vgl. 4, 1 ff.), und sein feierlicher Einzug in Jerusalem erbittert sie auch hier (12, 19.); bisweilen wird ihrer Mordanschläge ohne Angabe einer Veranlassung ge- dacht (7, 1. 19. 25. 8, 40.): aber den Hauptanstoss geben in diesem Evangelium die Aussagen Jesu über seine höhere Würde. Schon bei jener Sabbatheilung reizte das haupt- sächlich die Juden auf, dass Jesus dieselbe durch Beru- fung auf die ununterbrochene Thätigkeit Gottes, als seines Vaters, rechtfertigte, worin nach ihrer Meinung ein blas- phemisches ison eauton poiein to theo lag (5, 18.); wenn er von seiner göttlichen Sendung sprach, suchten sie ihn zu greifen (7, 30. vgl. 8, 20.); auf die Behauptung, vor Abraham sei er, hoben sie Steine gegen ihn auf (8, 59.); dasselbe thaten sie, als er äusserte, er und der Vater seien Eins (10, 31.), und wie er behauptete, der Vater sei in ihm, und er im Vater, suchten sie sich abermals seiner zu bemächtigen (10, 39.). Was aber den Ausschlag giebt nach der Darstellung des vierten Evangeliums, und die feindliche Partei zu förmlicher Beschlussnahme gegen Je- sum veranlasst, ist die Auferweckung des Lazarus. Als diese That den Pharisäern gemeldet wurde, veranstalteten sie und die Hohenpriester eine Synedriumssitzung, in wel- cher sie in Erwägung zogen, wenn Jesus fortfahre, so viele semeia zu thun, werde ihm zulezt Alles anhängen,
Dritter Abschnitt.
das Gleichniſs von den Weingärtnern sich seiner Person nicht bemächtigte (Matth. 21, 45 f. parall.). Nach diesen Vorgängen bedurfte es kaum mehr der antipharisäischen Rede Matth. 23, um kurz vor dem Pascha die Hohenprie- ster, Schriftgelehrten und Ältesten, d. h. das Synedrium, in den Palast des Hohenpriesters zu einer Berathung zu- sammenzuführen, ἵνα τὸν Ἰ. δόλῳ κρατήσωσι καὶ ἀποκτεί- νωσιν (Matth. 26, 3 ff. parall.).
Auch im vierten Evangelium zwar wird der groſse An- hang Jesu unter dem Volk einigemale als der Grund be- zeichnet, warum ihn seine Feinde haben wollen festnehmen lassen (7, 32. 44. vgl. 4, 1 ff.), und sein feierlicher Einzug in Jerusalem erbittert sie auch hier (12, 19.); bisweilen wird ihrer Mordanschläge ohne Angabe einer Veranlassung ge- dacht (7, 1. 19. 25. 8, 40.): aber den Hauptanstoſs geben in diesem Evangelium die Aussagen Jesu über seine höhere Würde. Schon bei jener Sabbatheilung reizte das haupt- sächlich die Juden auf, daſs Jesus dieselbe durch Beru- fung auf die ununterbrochene Thätigkeit Gottes, als seines Vaters, rechtfertigte, worin nach ihrer Meinung ein blas- phemisches ἴσον ἑαυτὸν ποιεῖν τῷ ϑεῷ lag (5, 18.); wenn er von seiner göttlichen Sendung sprach, suchten sie ihn zu greifen (7, 30. vgl. 8, 20.); auf die Behauptung, vor Abraham sei er, hoben sie Steine gegen ihn auf (8, 59.); dasselbe thaten sie, als er äusserte, er und der Vater seien Eins (10, 31.), und wie er behauptete, der Vater sei in ihm, und er im Vater, suchten sie sich abermals seiner zu bemächtigen (10, 39.). Was aber den Ausschlag giebt nach der Darstellung des vierten Evangeliums, und die feindliche Partei zu förmlicher Beschluſsnahme gegen Je- sum veranlaſst, ist die Auferweckung des Lazarus. Als diese That den Pharisäern gemeldet wurde, veranstalteten sie und die Hohenpriester eine Synedriumssitzung, in wel- cher sie in Erwägung zogen, wenn Jesus fortfahre, so viele σημεῖα zu thun, werde ihm zulezt Alles anhängen,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0395"n="376"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Dritter Abschnitt</hi>.</fw><lb/>
das Gleichniſs von den Weingärtnern sich seiner Person<lb/>
nicht bemächtigte (Matth. 21, 45 f. parall.). Nach diesen<lb/>
Vorgängen bedurfte es kaum mehr der antipharisäischen<lb/>
Rede Matth. 23, um kurz vor dem Pascha die Hohenprie-<lb/>
ster, Schriftgelehrten und Ältesten, d. h. das Synedrium,<lb/>
in den Palast des Hohenpriesters zu einer Berathung zu-<lb/>
sammenzuführen, <foreignxml:lang="ell">ἵνατὸνἸ. δόλῳκρατήσωσικαὶἀποκτεί-<lb/>νωσιν</foreign> (Matth. 26, 3 ff. parall.).</p><lb/><p>Auch im vierten Evangelium zwar wird der groſse An-<lb/>
hang Jesu unter dem Volk einigemale als der Grund be-<lb/>
zeichnet, warum ihn seine Feinde haben wollen festnehmen<lb/>
lassen (7, 32. 44. vgl. 4, 1 ff.), und sein feierlicher Einzug<lb/>
in Jerusalem erbittert sie auch hier (12, 19.); bisweilen wird<lb/>
ihrer Mordanschläge ohne Angabe einer Veranlassung ge-<lb/>
dacht (7, 1. 19. 25. 8, 40.): aber den Hauptanstoſs geben<lb/>
in diesem Evangelium die Aussagen Jesu über seine höhere<lb/>
Würde. Schon bei jener Sabbatheilung reizte das haupt-<lb/>
sächlich die Juden auf, daſs Jesus dieselbe durch Beru-<lb/>
fung auf die ununterbrochene Thätigkeit Gottes, als seines<lb/>
Vaters, rechtfertigte, worin nach ihrer Meinung ein blas-<lb/>
phemisches <foreignxml:lang="ell">ἴσονἑαυτὸνποιεῖντῷϑεῷ</foreign> lag (5, 18.); wenn<lb/>
er von seiner göttlichen Sendung sprach, suchten sie ihn<lb/>
zu greifen (7, 30. vgl. 8, 20.); auf die Behauptung, vor<lb/>
Abraham sei er, hoben sie Steine gegen ihn auf (8, 59.);<lb/>
dasselbe thaten sie, als er äusserte, er und der Vater seien<lb/>
Eins (10, 31.), und wie er behauptete, der Vater sei in<lb/>
ihm, und er im Vater, suchten sie sich abermals seiner<lb/>
zu bemächtigen (10, 39.). Was aber den Ausschlag giebt<lb/>
nach der Darstellung des vierten Evangeliums, und die<lb/>
feindliche Partei zu förmlicher Beschluſsnahme gegen Je-<lb/>
sum veranlaſst, ist die Auferweckung des Lazarus. Als<lb/>
diese That den Pharisäern gemeldet wurde, veranstalteten<lb/>
sie und die Hohenpriester eine Synedriumssitzung, in wel-<lb/>
cher sie in Erwägung zogen, wenn Jesus fortfahre, so<lb/>
viele σημεῖα zu thun, werde ihm zulezt Alles anhängen,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[376/0395]
Dritter Abschnitt.
das Gleichniſs von den Weingärtnern sich seiner Person
nicht bemächtigte (Matth. 21, 45 f. parall.). Nach diesen
Vorgängen bedurfte es kaum mehr der antipharisäischen
Rede Matth. 23, um kurz vor dem Pascha die Hohenprie-
ster, Schriftgelehrten und Ältesten, d. h. das Synedrium,
in den Palast des Hohenpriesters zu einer Berathung zu-
sammenzuführen, ἵνα τὸν Ἰ. δόλῳ κρατήσωσι καὶ ἀποκτεί-
νωσιν (Matth. 26, 3 ff. parall.).
Auch im vierten Evangelium zwar wird der groſse An-
hang Jesu unter dem Volk einigemale als der Grund be-
zeichnet, warum ihn seine Feinde haben wollen festnehmen
lassen (7, 32. 44. vgl. 4, 1 ff.), und sein feierlicher Einzug
in Jerusalem erbittert sie auch hier (12, 19.); bisweilen wird
ihrer Mordanschläge ohne Angabe einer Veranlassung ge-
dacht (7, 1. 19. 25. 8, 40.): aber den Hauptanstoſs geben
in diesem Evangelium die Aussagen Jesu über seine höhere
Würde. Schon bei jener Sabbatheilung reizte das haupt-
sächlich die Juden auf, daſs Jesus dieselbe durch Beru-
fung auf die ununterbrochene Thätigkeit Gottes, als seines
Vaters, rechtfertigte, worin nach ihrer Meinung ein blas-
phemisches ἴσον ἑαυτὸν ποιεῖν τῷ ϑεῷ lag (5, 18.); wenn
er von seiner göttlichen Sendung sprach, suchten sie ihn
zu greifen (7, 30. vgl. 8, 20.); auf die Behauptung, vor
Abraham sei er, hoben sie Steine gegen ihn auf (8, 59.);
dasselbe thaten sie, als er äusserte, er und der Vater seien
Eins (10, 31.), und wie er behauptete, der Vater sei in
ihm, und er im Vater, suchten sie sich abermals seiner
zu bemächtigen (10, 39.). Was aber den Ausschlag giebt
nach der Darstellung des vierten Evangeliums, und die
feindliche Partei zu förmlicher Beschluſsnahme gegen Je-
sum veranlaſst, ist die Auferweckung des Lazarus. Als
diese That den Pharisäern gemeldet wurde, veranstalteten
sie und die Hohenpriester eine Synedriumssitzung, in wel-
cher sie in Erwägung zogen, wenn Jesus fortfahre, so
viele σημεῖα zu thun, werde ihm zulezt Alles anhängen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/395>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.