Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Erstes Kapitel. §. 112. eskhate emera (12, 48.), nur so viel ausdrücken will, dassdie Verdammniss der Ungläubigen nicht ein willkührlicher subjektiver Akt seiner Person, sondern ein nothwendiger, objektiver der Sache selbst sei. Dadurch ist ein bevorste- hender solenner Gerichtsakt, an welchem das jezt erst an sich Vorhandene zur feierlichen Offenbarung gelangt, nicht ausgeschlossen, wie denn in der zulezt angeführten Stelle die Zuerkennung der Verdammniss, und sonst auch die Er- theilung der Seligkeit (5, 28 f. 6, 39 f. 54.), an den jüngsten Tag und die Auferstehung geknüpft wird. Ebenso sagt ja auch bei Lukas Jesus in demselben Zusammenhang, in welchem er seine Wiederkunft als eine noch bevorstehen- de äussere Katastrophe beschreibt, 17, 20 f., das Reich Got- tes komme nicht meta paratereseos;oude erousin; idou ode, e idou ekei; idou gar, e basileia tou theou entos umon esin. -- Auch dass seine Wiederkunft in Kurzem bevorstehe, soll nach einer gewissen Deutung seiner Worte der johannei- sche Jesus geäussert haben. Die schon erwähnten Aus- sprüche in den Abschiedsreden nämlich, wo Jesus seinen Jüngern verspricht, sie nicht verwaist zurückzulassen, son- dern, hingegangen zum Vater, in Kurzem (16, 16.) wie- der zu ihnen zu kommen (14, 3. 18.), sind nicht selten auch von der Wiederkunft Christi am Ende der Tage verstan- den worden 23); aber wenn man von dieser nämlichen Wiederkunft Jesum sagen hört, dass er bei derselben nur seinen Jüngern, nicht aber der Welt sich offenbaren wer- de (14, 19. vgl. 22.): so kann man unmöglich an die Wie- derkunft zum Gericht denken, wo Jesus sich Guten und Bösen ohne Unterschied zu offenbaren gedachte. Beson- ders räthselhaft ist noch im Anhang des vierten Evange- liums, K. 21, von dem Kommen Jesu die Rede. Auf die Frage des Petrus, was es mit dem Apostel Johannes wer- den solle, erwiedert hier Jesus: ean auton thelo menein, 23) s. bei Tholuck, S. 259. Das Leben Jesu II. Band. 24
Erstes Kapitel. §. 112. ἐσχάτῃ ἡμέρᾳ (12, 48.), nur so viel ausdrücken will, daſsdie Verdammniſs der Ungläubigen nicht ein willkührlicher subjektiver Akt seiner Person, sondern ein nothwendiger, objektiver der Sache selbst sei. Dadurch ist ein bevorste- hender solenner Gerichtsakt, an welchem das jezt erst an sich Vorhandene zur feierlichen Offenbarung gelangt, nicht ausgeschlossen, wie denn in der zulezt angeführten Stelle die Zuerkennung der Verdammniſs, und sonst auch die Er- theilung der Seligkeit (5, 28 f. 6, 39 f. 54.), an den jüngsten Tag und die Auferstehung geknüpft wird. Ebenso sagt ja auch bei Lukas Jesus in demselben Zusammenhang, in welchem er seine Wiederkunft als eine noch bevorstehen- de äussere Katastrophe beschreibt, 17, 20 f., das Reich Got- tes komme nicht μετὰ παρατηρήσεως·ουδὲ ἐροῦσιν· ἰδοὺ ὧδε, ἢ ἰδοὺ ἐκεῖ· ἰδοὺ γὰρ, ἡ βασιλεία τοῦ ϑεοῦ ἐντὸς ὑμῶν ἐςίν. — Auch daſs seine Wiederkunft in Kurzem bevorstehe, soll nach einer gewissen Deutung seiner Worte der johannei- sche Jesus geäussert haben. Die schon erwähnten Aus- sprüche in den Abschiedsreden nämlich, wo Jesus seinen Jüngern verspricht, sie nicht verwaist zurückzulassen, son- dern, hingegangen zum Vater, in Kurzem (16, 16.) wie- der zu ihnen zu kommen (14, 3. 18.), sind nicht selten auch von der Wiederkunft Christi am Ende der Tage verstan- den worden 23); aber wenn man von dieser nämlichen Wiederkunft Jesum sagen hört, daſs er bei derselben nur seinen Jüngern, nicht aber der Welt sich offenbaren wer- de (14, 19. vgl. 22.): so kann man unmöglich an die Wie- derkunft zum Gericht denken, wo Jesus sich Guten und Bösen ohne Unterschied zu offenbaren gedachte. Beson- ders räthselhaft ist noch im Anhang des vierten Evange- liums, K. 21, von dem Kommen Jesu die Rede. Auf die Frage des Petrus, was es mit dem Apostel Johannes wer- den solle, erwiedert hier Jesus: ἐὰν αὐτὸν ϑέλω μένειν, 23) s. bei Tholuck, S. 259. Das Leben Jesu II. Band. 24
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Erstes Kapitel. §. 112.
ἐσχάτῃ ἡμέρᾳ (12, 48.), nur so viel ausdrücken will, daſs
die Verdammniſs der Ungläubigen nicht ein willkührlicher
subjektiver Akt seiner Person, sondern ein nothwendiger,
objektiver der Sache selbst sei. Dadurch ist ein bevorste-
hender solenner Gerichtsakt, an welchem das jezt erst an
sich Vorhandene zur feierlichen Offenbarung gelangt, nicht
ausgeschlossen, wie denn in der zulezt angeführten Stelle
die Zuerkennung der Verdammniſs, und sonst auch die Er-
theilung der Seligkeit (5, 28 f. 6, 39 f. 54.), an den jüngsten
Tag und die Auferstehung geknüpft wird. Ebenso sagt
ja auch bei Lukas Jesus in demselben Zusammenhang, in
welchem er seine Wiederkunft als eine noch bevorstehen-
de äussere Katastrophe beschreibt, 17, 20 f., das Reich Got-
tes komme nicht μετὰ παρατηρήσεως·ουδὲ ἐροῦσιν· ἰδοὺ ὧδε,
ἢ ἰδοὺ ἐκεῖ· ἰδοὺ γὰρ, ἡ βασιλεία τοῦ ϑεοῦ ἐντὸς ὑμῶν ἐςίν. —
Auch daſs seine Wiederkunft in Kurzem bevorstehe, soll
nach einer gewissen Deutung seiner Worte der johannei-
sche Jesus geäussert haben. Die schon erwähnten Aus-
sprüche in den Abschiedsreden nämlich, wo Jesus seinen
Jüngern verspricht, sie nicht verwaist zurückzulassen, son-
dern, hingegangen zum Vater, in Kurzem (16, 16.) wie-
der zu ihnen zu kommen (14, 3. 18.), sind nicht selten auch
von der Wiederkunft Christi am Ende der Tage verstan-
den worden 23); aber wenn man von dieser nämlichen
Wiederkunft Jesum sagen hört, daſs er bei derselben nur
seinen Jüngern, nicht aber der Welt sich offenbaren wer-
de (14, 19. vgl. 22.): so kann man unmöglich an die Wie-
derkunft zum Gericht denken, wo Jesus sich Guten und
Bösen ohne Unterschied zu offenbaren gedachte. Beson-
ders räthselhaft ist noch im Anhang des vierten Evange-
liums, K. 21, von dem Kommen Jesu die Rede. Auf die
Frage des Petrus, was es mit dem Apostel Johannes wer-
den solle, erwiedert hier Jesus: ἐὰν αὐτὸν ϑέλω μένειν,
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