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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Dritter Abschnitt.
auch andere, wie Dan. 9, 26, Zach. 12, 10, diese Bezie-
hung nicht haben 1): so werden sich wiederum gerade die
Orthodoxen am meisten hüten müssen, dem übernatürli-
chen Princip in Jesu eine so falsche Deutung der betre-
fenden Weissagungen zuzuschreiben. Dass statt dessen Je-
sus möglicherweise durch rein natürliche Combinationen
das allgemeine Resultat herausgebracht haben könnte: da
er die Hierarchie seines Volks sich zur unversöhnlichen
Feindin gemacht, so habe er, sofern er aus der Bahn sei-
nes Berufs nicht zu weichen fest entschlossen war, von
ihrer Rachsucht und Übermacht das Äusserste zu fürch-
ten (Joh. 10, 11 ff.); dass er aus dem Schicksal mehrerer
früheren Propheten (Matth. 5, 12, 21, 33 ff. Luc. 13, 33 f.),
und einzelnen dahin gedeuteten Weissagungen auch sich
ein ähnliches Ende prognosticiren, und demgemäss den Sei-
nigen voraussagen konnte, es stehe ihm früher oder spä-
ter ein gewaltsamer Tod bevor, -- das sollte man nicht
mehr mit unnöthiger Überspannung des supranaturalisti-
schen Standpunkts leugnen, sondern der rationalen Be-
trachtungsweise der Sache einräumen 2).

Es kann auffallen, wenn wir nach diesem Zugeständ-
niss noch die Frage machen, ob es der N. T.lichen Dar-
stellung zufolge auch wahrscheinlich sei, dass Jesus wirk-
lich
jene Voraussage gegeben habe? da ja eine allgemeine
Vorherverkündigung des gewaltsamen Todes das Mindeste
ist, was die evangelischen Nachrichten zu enthalten schei-
nen. Die Meinung mit dieser Frage ist aber die, ob der
Erfolg, namentlich das Benehmen der Jünger, in den Evan-
gelien so beschrieben werde, dass eine vorausgegangene Er-
öffnung Jesu über sein bevorstehendes Leiden damit ver-

1) Daniel, übersezt und erklärt von Bertholdt, 2, S. 541 ff.
660 ff. Rosenmüller, Schol. in V. T. 7, 4, S. 339 ff.
2) de Wette, de morte Christi expiatoria, in dessen Opuscula
theol., p. 130. Hase, L. J. §. 106.

Dritter Abschnitt.
auch andere, wie Dan. 9, 26, Zach. 12, 10, diese Bezie-
hung nicht haben 1): so werden sich wiederum gerade die
Orthodoxen am meisten hüten müssen, dem übernatürli-
chen Princip in Jesu eine so falsche Deutung der betre-
fenden Weissagungen zuzuschreiben. Daſs statt dessen Je-
sus möglicherweise durch rein natürliche Combinationen
das allgemeine Resultat herausgebracht haben könnte: da
er die Hierarchie seines Volks sich zur unversöhnlichen
Feindin gemacht, so habe er, sofern er aus der Bahn sei-
nes Berufs nicht zu weichen fest entschlossen war, von
ihrer Rachsucht und Übermacht das Äusserste zu fürch-
ten (Joh. 10, 11 ff.); daſs er aus dem Schicksal mehrerer
früheren Propheten (Matth. 5, 12, 21, 33 ff. Luc. 13, 33 f.),
und einzelnen dahin gedeuteten Weissagungen auch sich
ein ähnliches Ende prognosticiren, und demgemäſs den Sei-
nigen voraussagen konnte, es stehe ihm früher oder spä-
ter ein gewaltsamer Tod bevor, — das sollte man nicht
mehr mit unnöthiger Überspannung des supranaturalisti-
schen Standpunkts leugnen, sondern der rationalen Be-
trachtungsweise der Sache einräumen 2).

Es kann auffallen, wenn wir nach diesem Zugeständ-
niſs noch die Frage machen, ob es der N. T.lichen Dar-
stellung zufolge auch wahrscheinlich sei, daſs Jesus wirk-
lich
jene Voraussage gegeben habe? da ja eine allgemeine
Vorherverkündigung des gewaltsamen Todes das Mindeste
ist, was die evangelischen Nachrichten zu enthalten schei-
nen. Die Meinung mit dieser Frage ist aber die, ob der
Erfolg, namentlich das Benehmen der Jünger, in den Evan-
gelien so beschrieben werde, daſs eine vorausgegangene Er-
öffnung Jesu über sein bevorstehendes Leiden damit ver-

1) Daniel, übersezt und erklärt von Bertholdt, 2, S. 541 ff.
660 ff. Rosenmüller, Schol. in V. T. 7, 4, S. 339 ff.
2) de Wette, de morte Christi expiatoria, in dessen Opuscula
theol., p. 130. Hase, L. J. §. 106.
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[312/0331] Dritter Abschnitt. auch andere, wie Dan. 9, 26, Zach. 12, 10, diese Bezie- hung nicht haben 1): so werden sich wiederum gerade die Orthodoxen am meisten hüten müssen, dem übernatürli- chen Princip in Jesu eine so falsche Deutung der betre- fenden Weissagungen zuzuschreiben. Daſs statt dessen Je- sus möglicherweise durch rein natürliche Combinationen das allgemeine Resultat herausgebracht haben könnte: da er die Hierarchie seines Volks sich zur unversöhnlichen Feindin gemacht, so habe er, sofern er aus der Bahn sei- nes Berufs nicht zu weichen fest entschlossen war, von ihrer Rachsucht und Übermacht das Äusserste zu fürch- ten (Joh. 10, 11 ff.); daſs er aus dem Schicksal mehrerer früheren Propheten (Matth. 5, 12, 21, 33 ff. Luc. 13, 33 f.), und einzelnen dahin gedeuteten Weissagungen auch sich ein ähnliches Ende prognosticiren, und demgemäſs den Sei- nigen voraussagen konnte, es stehe ihm früher oder spä- ter ein gewaltsamer Tod bevor, — das sollte man nicht mehr mit unnöthiger Überspannung des supranaturalisti- schen Standpunkts leugnen, sondern der rationalen Be- trachtungsweise der Sache einräumen 2). Es kann auffallen, wenn wir nach diesem Zugeständ- niſs noch die Frage machen, ob es der N. T.lichen Dar- stellung zufolge auch wahrscheinlich sei, daſs Jesus wirk- lich jene Voraussage gegeben habe? da ja eine allgemeine Vorherverkündigung des gewaltsamen Todes das Mindeste ist, was die evangelischen Nachrichten zu enthalten schei- nen. Die Meinung mit dieser Frage ist aber die, ob der Erfolg, namentlich das Benehmen der Jünger, in den Evan- gelien so beschrieben werde, daſs eine vorausgegangene Er- öffnung Jesu über sein bevorstehendes Leiden damit ver- 1) Daniel, übersezt und erklärt von Bertholdt, 2, S. 541 ff. 660 ff. Rosenmüller, Schol. in V. T. 7, 4, S. 339 ff. 2) de Wette, de morte Christi expiatoria, in dessen Opuscula theol., p. 130. Hase, L. J. §. 106.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/331>, abgerufen am 24.11.2024.